Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Steuerfreie Vermietung von Läden und Ständen in einer Ladenstraße (Passage).
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 10, § 4/12
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat auf seinem Grundstück in X Läden und Verkaufsstände Unternehmern gegen Entgelt überlassen. Dieser vom Bf. als "Kaufhaus Y" bezeichnete Gebäudekomplex besteht im wesentlichen aus einer überdachten Ladenstraße (Passage), in der sich die einzelnen Läden und Verkaufsstände befinden, die je für sich abgeschlossen bzw. abschließbar sind. Diese überläßt der Bf. Unternehmern verschiedener Wirtschaftszweige gegen Entgelt. Das Gebäude ist an der Außenfront als Kaufhaus gekennzeichnet. Es sind entsprechende Leuchtbuchstaben an ihm angebracht. Der Bf. schließt über die Läden und Verkaufsstände schriftlich Einzelverträge ab, die als "Pachtvertrag" bezeichnet sind. Darin verpflichten sich die Unternehmer, die Läden bzw. Verkaufsstände nur zu den in den Verträgen bestimmten Zwecken zu benutzen und die Stände ab Pachtbeginn bis Pachtschluß während der vom Bf. vorgeschriebenen Verkaufszeiten besetzt zu halten, andernfalls der Bf. fristlos kündigen kann. Die Unternehmer sind auch verpflichtet, auf alle Waren unaufgefordert Rabattmarken abzugeben. Diese können nur von dem Bf. bezogen werden, der auch die Einlösung vornimmt. Auf Handzetteln, die an die Kunden verteilt wurden, ist darauf hingewiesen worden, daß das "Kaufhaus Y" seinen Kunden einen Warenrabatt gewähre. Der Bf. betreibt in dem Kaufhaus auch selbst einen Einzelhandel mit Wirtschaftsartikeln, eine Mietbücherei mit Zeitungshandel, einen Einzelhandel mit Spirituosen und einen Erfrischungsraum.
Das Finanzamt hat die überlassung der Läden und Stände als eine umsatzsteuerpflichtige Leistung angesehen und die vom Bf. beantragte Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) abgelehnt. Einspruch und Berufung waren erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur änderung des Umsatzsteuerbescheides 1953.
Nach Auffassung der Vorinstanz soll § 4 Ziff. 10 UStG nicht Anwendung finden. Nach dem Gesamtbild, welches das Gericht aus den besonderen Umständen des Falles und aus der mündlichen Verhandlung gewonnen habe, sei das Wesentliche bei der Vergebung der Läden und Verkaufsstände in dem "Kaufhaus Y" nicht die Vermietung oder Verpachtung von Grundstücksteilen. Die streitigen Leistungen des Bf. stellten sich vielmehr - auch bürgerlich-rechtlich gesehen - ihrem Grundcharakter nach als solche besonderer Art dar. Denn bei den Verträgen sei wesentlicher Gegenstand der Leistung des Bf. eine Beteiligung der "Pächter" an seinem Kaufhausunternehmen. Der Bf. verpflichte seine Vertragspartner, sich seinem Unternehmen derart anzupassen, daß sie in den Betrieb des Kaufhauses als eingegliedert anzusehen seien. Das komme insbesondere in den Vertragsbestimmungen zum Ausdruck, nach welchen der Inhaber des Verkaufsstandes verpflichtet ist, dem vom Bf. bestellten Vertreter oder den in dem Kaufhaus befindlichen Aufsichtspersonen Folge zu leisten, ferner seinen Stand mit dem Tage des Pachtbeginns zu eröffnen und bis zum Tage des Pachtschlusses zu betreiben, sowie schließlich den Stand während der festgesetzten Verkaufszeiten besetzt zu halten. Es sei dem Bf. hiernach wesentlich darauf angekommen, der Käuferschaft während der Verkaufszeiten ein in vollem Betrieb befindliches Warenhaus zu bieten, in welchem sie ihre Bedürfnisse weitestgehend zu decken in der Lage seien. Andererseits läge für den Standinhaber das Wesentliche des Vertrages in der Beteiligung an einem Kaufhausbetrieb mit allen seinen werbenden Vorteilen. Für diese Beurteilung der Verhältnisse spräche auch die verschiedentliche Anführung der "Direktion" oder des "Direktors" in dem Vertrage, durch welche offensichtlich eine gewisse übergeordnete Stellung des Bf. gegenüber den Standinhabern zum Ausdruck gebracht werden sollte. Derartige Abreden pflegten einem Miet- oder Pachtvertrage, welcher nur ein Nebeneinander der Partner zulasse, fremd zu sein. Ferner deute auch die in den Verträgen erfolgte Festlegung des Standinhabers auf den Handel mit ganz bestimmten Waren auf die von dem Bf. beabsichtigte Eingliederung seines Vertragspartners in den Verkaufsbetrieb, in welchem er selbst einige Stände betreibe. Schließlich werde diese Betrachtungsweise auch dadurch gerechtfertigt, daß die Standinhaber vom Bf. verpflichtet werden, auf alle Waren die "eingeführten Rabattmarken gemäß den Bestimmungen hierfür unaufgefordert abzugeben". Dabei komme es nicht darauf an, wer die Rabattmarken herausgebe.
Der Senat vermag diese Ausführungen nicht als hinreichend anzuerkennen. Die Rechtsbeschwerdebegründung enthält demgegenüber Gesichtspunkte, die durchschlagend sind.
Es ergibt sich klar, daß der Bf. seinen Vertragspartnern den Gebrauch von Grundstücksteilen während einer im Vertrag bestimmten Zeit gegen Entgelt gewährt hat. Dies entspricht den wesentlichen Merkmalen eines Mietvertrages im Sinne des § 535 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Wenn trotzdem das Vorliegen eines Mietvertrags abgelehnt und ein Vertrag besonderer Art angenommen werden soll, so müssen schwerwiegende Umstände dafür sprechen, daß die Leistung dessen, der ein Grundstück (einen Grundstücksteil, Raum usw.) seinem Vertragspartner zum Gebrauch überläßt, nach bürgerlich-rechtlicher Beurteilung wesentlich über die Gebrauchsüberlassung hinausgeht oder überhaupt wesentlich anderer Natur ist. Es finden sich in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mehrere Beispiele solcher Fälle. Die Vorinstanz irrt jedoch, wenn sie annimmt, daß die "Pachtverträge" des Bf. mit seinen Partnern den Merkmalen der vorerwähnten Urteile gleichzustellen wären. Der Senat vermag insbesondere der Vorinstanz nicht darin zu folgen, daß wesentlicher Gegenstand der Leistung des Bf. eine Beteiligung der Vertragspartner an einem Kaufhausunternehmen sei. Die oben aufgeführten Gesichtspunkte der Vorinstanz sind hierfür nicht ausreichend. Offensichtlich hat die Vorinstanz den Streitfall gleich behandeln wollen mit denjenigen Fällen in denen der Bundesfinanzhof der überlassung von Ständen durch den Veranstalter von Messen, Ausstellungen, Volksfesten und ähnlichen Organisationen den Charakter als Grundstücksvermietung aberkannt hat. Von allen diesen Fällen unterscheidet sich der Streitfall dadurch, daß es sich bei der Ladenstraße des Bf. um eine auf lange Sicht errichtete Ladenreihe handelt, deren einzelne Mieter zwar vom Bf. nach ihren Geschäftsgegenständen (Waren) ausgewählt und aufeinander abgestimmt sind. Es handelt sich hierbei aber um nichts anderes als um eine betontere Durchführung dessen, was sich in jeder Geschäftsstraße aus Konkurrenz- und Zweckmäßigkeitsgründen in vielleicht unvollendeterer Weise bei der Vermietung von Geschäftsläden abspielt. Auch daß in einer Ladenstraße wie der des Bf. für eine gewisse Ordnung "Direktion" gesorgt wird, und daß der Bf. für die Ladeninhaber eine Reklamemarkenausgabe gestaltet hat, stellt keine solche Organisation dar, die der überlassung der Läden und Verkaufsräume den beherrschenden Charakter der Ladenvermietung nehmen würde. Der wesentlichste Unterschied zwischen der Dauervermietung in einer solchen Ladenstraße und der kurzfristigen überlassung von Ständen durch den Veranstalter (Organisator) von Messen, Ausstellungen, Schützen-, Oktober- und ähnlichen - festen besteht vor allem darin, daß in den letztgenannten Fällen von Fall zu Fall Gestaltungsleistungen und Attraktionen des Messe-, Ausstellungs- usw. - veranstalters neu stattfinden, die die Grundlage besonderer Werbungsmöglichkeiten der Bezieher der Stände bilden. Dies ist immer wieder eine Leistung besonderer Art. Im Streitfalle dagegen überläßt der Bf. seinen Ladenmietern in seinem Gebäudekomplex für längere Dauer, wie es bei Mietverträgen üblich ist, einen nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten eingerichteten und auf die Nachbarläden abgestimmten Geschäftsraum. Es liegen, wie auch bei anderen Vermietungen zweckmäßig eingerichteter und auf die Nachbar-Geschäftslage abgestimmter Ladenräume, keine Leistungen von besonderer Art vor, die dazu zwingen würden, den Verträgen des Bf. den vorherrschenden Charakter von Mietverträgen abzusprechen, d. h. der Gebrauchsüberlassung der Ladenräume eine untergeordnete Bedeutung zuzuerkennen. Es ist nicht richtig, daß sich die Ladenmieter an einem Kaufhausunternehmen des Bf. beteiligten; jeder Mieter betreibt vielmehr auf Grund eigener Initiative und Gestaltung sein eigenes Ladengeschäft in dem "gemieteten" Raume. Die ordnungsmäßigen Einfügungen und Beschränkungen, die der Mieter mit Rücksicht auf die größere Zahl von Läden in der Ladenstraße dabei auf sich nehmen muß (z. B. Einhaltung der Geschäftszeiten), entsprechen allgemeiner Geschäftsübung und sind unbeachtlich.
Die Entgelte für die Vermietung der Ladenräume und Stände waren daher nach § 4 Ziff. 10 UStG umsatzsteuerfrei zu lassen. Die Vorentscheidungen waren aufzuheben; die Steuer war antragsgemäß auf 2.016,90 DM herabzusetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 309 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408745 |
BStBl III 1957, 202 |
BFHE 1957, 542 |
BFHE 64, 542 |