Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Wird die Erledigung eines Rechtsmittels dem Fahndungsdienst übertragen, so darf dem Bevollmächtigten des Stpfl. dabei eine sachliche Stellungnahme nicht verwehrt werden.
Die Zurücknahme eines Rechtsmittels gegenüber Angehörigen des Fahndungsdienstes ist wirksam, wenn sie bis zu den im § 253 Satz 1 AO bezeichneten Zeitpunkten (Unterzeichnung der Rechtsmittelentscheidung, Schluß der mündlichen Verhandlung) der zur Entscheidung über das Rechtsmittel zuständigen Behörde zugeht.
Die Wirksamkeit der Zurücknahmeerklärung eines Rechtsmittels setzt voraus, daß sie bei einem einwandfreien Verhalten der die Aufnahme der Erklärung beurkundenden Beamten (Angestellten) zustande gekommen ist.
Die Unwirksamkeit einer Zurücknahmeerklärung eines Rechtsmittels muß unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles innerhalb eines angemessenen Zeitraumes geltend gemacht werden.
Normenkette
AO §§ 253, 243
Tatbestand
Auf Grund eines Fahndungsverfahrens ist der Beschwerdeführer (Bf.) für die Steuerabschnitte 1945 bis I/1948 - für 1945 und 1946 im Wege der Berichtigung nach § 222 der Reichsabgabenordnung (AO) - zu erheblichen Einkommensteuerzahlungen veranlagt worden, gegen die er Einspruch einlegte. In der Verhandlung vom 29. Juli 1949 erklärte der Bf.: "Nach gründlicher Erörterung des Sachverhaltes erkenne ich freiwillig und ohne weitere Bedenkzeit unter Zurücknahme der eingelegten Rechtsmittel die auf Grund des Fahndungsberichtes festgestellten Nachsteuern an." Außer ihm und den beteiligten Beamten hat auch der bei der Verhandlung anwesende und den Bf. in diesem Verfahren vertretende Steuerberater das Protokoll unterzeichnet.
Mit der Begründung, die Prüfungsbeamten hätten bei der Abgabe der Zurücknahmeerklärung einen unzulässigen Druck ausgeübt, indem sie unter Hinweis auf ein preisrechtliche Verstöße des Bf. behandelndes rotes Aktenstück der Staatsanwaltschaft erklärt hätten, im Falle der Nichteinigung müsse eine Beantwortung der Rückfrage der Staatsanwaltschaft durch die Finanzbehörde stattfinden, auch sei dann mit längeren Gefängnisstrafen zu rechnen, hat der Bf. mit Schreiben vom 23. Dezember 1950 die Rechtsbeständigkeit seiner Zurücknahmeerklärung angegriffen und "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" beantragt; außerdem bestreitet er die Befugnis der Fahndungsbeamten zur Entgegennahme der Erklärung.
Den als Einspruch behandelten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hat das Finanzamt zurückgewiesen. Auch die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führt aus: Der Widerruf einer Zurücknahmeerklärung sei nur beachtlich, wenn diese durch Drohungen erzwungen sei. Diese Voraussetzung sei nicht gegeben. "Ein Hinweis der Fahndungsbeamten - so heißt es wörtlich in den Gründen - auf eine Anfrage der Staatsanwaltschaft wegen preisrechtlicher Verstöße des Berufungsführers kann - ohne als direkte Drohung beabsichtigt zu sein - zur Anerkennung eines Fahndungsberichtes und zur Verzichtserklärung beitragen. Daß bei den Verhandlungen am 29. Juli 1949 ein derartiger Hinweis durch die Fahndungsbeamten erfolgte, erscheint nach dem Inhalt der Akten nicht ausgeschlossen und würde, auf sich gestellt, die Ungültigkeit der Rücknahme des Rechtsmittels bedeuten."
Eine dahingehende Feststellung hat es jedoch geglaubt nicht treffen zu können. Aus der Tatsache, daß der Steuerberater des Bf. an den Verhandlungen teilgenommen habe, sei zu schließen, daß in erster Linie die überzeugenden Feststellungen im Fahndungsverfahren für die Abgabe der Erklärung maßgebend gewesen seien. Hinzu komme, daß der Bf. in seinem Schreiben vom "28." Juli 1949 dem Finanzamt die Einigung mit den Fahndungsbeamten und die Rücknahme des Rechtsmittels mitgeteilt habe. Diese Erklärung, die ihrem Inhalte nach erst nach den Verhandlungen, d. h. am 29. Juli 1949, abgegeben sein könne, sei freiwillig geschehen. Auch der Umstand, daß die Wiederaufnahme des Verfahrens fast 1 1/2 Jahre nach der Rücknahmeerklärung begehrt werde, beweise deren freiwillige und ohne Zwang erfolgte Abgabe; für den Bf. seien nach Auffassung des Finanzgerichts andere, außerhalb der Rücknahmeerklärung liegende Gründe maßgebend gewesen, da er sonst den Widerruf früher hätte vornehmen können und müssen, wenn tatsächlich die Zurücknahmeerklärung durch Drohungen erzwungen worden wäre. Die Prüfungsbeamten seien auch zur Entgegennahme dieser Erklärung befugt gewesen. Zwar müsse diese an sich bei der für das schwebende Rechtsmittel zuständigen Rechtsmittelbehörde angebracht werden; werde sie bei einer anderen Stelle abgegeben, so sei sie gültig, wenn sie der zuständigen Stelle zugeleitet werde. Das sei vorliegend geschehen, abgesehen davon, daß das mit dem Datum vom 28. Juli 1949 versehene Schreiben des Bf. an das Finanzamt als rechtsgültige Rücknahmeerklärung ausreiche. über die vom Bf. aufgestellte Behauptung, bei den Verhandlungen am 29. Juli 1949 sei eine Herabsetzung der Steuerbeträge auf 70.000 RM vereinbart worden, könne in diesem Verfahren nicht entschieden werden, da es sich hierbei nur um eine möglicherweise von der Verwaltung zugesagte oder in Aussicht gestellte Billigkeitsmaßnahme gehandelt haben könne.
Nicht verwertet hat die Vorentscheidung die Stellungnahme der Prüfungsbeamten. Diese haben sich wie folgt geäußert: "Die Zurücknahme der Rechtsmittel ist nicht unter Druck erfolgt. Die Fahndungsbeamten hatten dies auch nicht nötig. Bei dem Umfange der weiter angestellten Ermittlungen nach dem Eingang der Einwendungen des Steuerberaters zu dem Fahndungsbericht gab es für den Steuerpflichtigen keine Möglichkeit, sich zu einem Zugeständnis herbeizulassen; es war vielmehr lediglich zu prüfen, ob die steuerlichen Folgerungen noch zu verbösern waren.
Wenn das nicht geschah, so nur mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Pflichtigen. Der gesamte Sachverhalt ist am 29. 7. 1949 in mehrstündiger Verhandlung mit dem Pflichtigen im Beisein seines Beraters erörtert worden mit dem Ergebnis, daß Pflichtiger am Schluß der Verhandlung freiwillig und ohne weitere Bedenkzeit die Feststellungen des Fahndungsdienstes unter Verzicht auf Rechtsmittel anerkannte.
Das Begehren des Steuerberaters nach 1 1/2 jähriger Rechtskraft ist daher befremdend, zumal nach den Bestimmungen der Reichsabgabenordnung eine Wiederaufnahme nicht möglich und infolge Fehlens neuer Tatsachen auch nicht erforderlich ist."
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) begehrt der Bf. unter ausführlicher Wiederholung seines früheren Vorbringens die Feststellung, daß die Zurücknahmeerklärung unter Zwang zustande gekommen und deshalb unwirksam sei.
Soweit seine weiteren Ausführungen dahin gehen, die Beamten des Fahndungsdienstes seien zur Entgegennahme der Zurücknahmeerklärung nicht befugt gewesen, können sie seinem Rechtsmittel nicht zum Erfolge verhelfen.
Entscheidungsgründe
Im Gegensatz zu § 248 Abs. 2 AO, nach dem ein Rechtsmittelverzicht der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, schriftlich einzureichen oder mündlich zu erklären ist, ist in dem für den Streitfall in Betracht kommenden § 253 AO nicht gesagt, wem gegenüber die Zurücknahme eines Rechtsmittels stattzufinden hat. Dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung wird es entsprechen, eine wirksame Rücknahme anzunehmen, wenn die Erklärung spätestens bis zur Unterzeichnung der Rechtsmittelentscheidung oder bei mündlicher Verhandlung bis zum Schlusse dieser Verhandlung der zur Entscheidung des Rechtsmittels berufenen Rechtsmittelbehörde zugegangen ist; die Abgabe der Zurücknahmeerklärung gegenüber einer anderen Stelle beeinträchtigt deshalb ihre Wirksamkeit nicht schlechthin, wie es der Bf. annimmt. Geht sie der zuständigen Rechtsmittelbehörde rechtzeitig zu, so hat sie den im § 253 AO bestimmten Verlust des Rechtsmittels zur Folge. Gegen die Rechtswirksamkeit der gegenüber dem Fahndungsdienst abgegebenen Erklärung, die der Rechtsmittelbehörde vor der Unterzeichnung der Rechtsmittelentscheidung zugeleitet worden ist, können insoweit berechtigte Bedenken nicht erhoben werden, abgesehen davon, daß nach der unwidersprochen gebliebenen Angabe des Finanzamts der Fahndungsdienst ausdrücklich mit der Nachprüfung des Einspruchs beauftragt war. Zur Vorlage dieses Auftrages gegenüber dem Bf. oder seinem Vertreter bestand kein Anlaß, um so weniger, als eine solche Forderung von diesen nicht erhoben worden ist. In dieser Beurteilung liegt kein Widerspruch gegenüber der bisherigen Rechtsprechung; diese hat sich nur mit der rechtlichen Wirkung eines gegenüber dem Fahndungsdienst ausgesprochenen Rechtsmittelverzichtes im Sinne des § 248 Abs. 2 AO befaßt, vor allem, wenn der Verzicht vor Erlaß der Steuerbescheide ausgesprochen ist. Dieser Sachverhalt liegt hier aber nicht vor. Es braucht deshalb nicht geprüft zu werden, ob in dem Schreiben des Bf. vom "28." Juli 1949 allein bereits eine rechtswirksame Rücknahme der Rechtsmittel zu erblicken ist.
Ist daher in dieser Frage der Vorentscheidung beizutreten, so kann das bezüglich der Ausführungen, ob die Rücknahmeerklärung freiwillig oder unter Druck abgegeben ist, nicht uneingeschränkt geschehen.
Das Finanzgericht hat es für nicht ausgeschlossen gehalten, daß ein Hinweis der Fahndungsbeamten auf das staatsanwaltschaftliche Verfahren wegen preisrechtlicher Verstöße stattgefunden hat, daß diese erklärt haben, eine entsprechende Beantwortung der Rückfrage der Staatsanwaltschaft könnte eine Freiheitsstrafe des Bf. zur Folge haben, und daß "auf sich gestellt" ein solches Verhalten die Ungültigkeit der Zurücknahmeerklärung bedeute. Dieser Auffassung ist an sich zuzustimmen. Die Rechtsprechung geht zwar davon aus, daß die Grundsätze des bürgerlichen Rechtes über die Anfechtung von Willenserklärungen nicht ohne weiteres für das öffentliche Recht gelten, sie hat aber ausgesprochen, daß Erklärungen von Steuerpflichtigen (Stpfl.) als unwirksam zu behandeln sind, wenn sie durch eine unzulässige Beeinflussung, insbesondere durch Drohung oder bewußte Täuschung, zustande gekommen sind. An diesen Grundsätzen muß festgehalten werden. Erklärungen, insbesondere solche von so weittragender Bedeutung wie sie Rechtsmittelverzichte und Zurücknahmen von Rechtsmitteln darstellen, können nur rechtliche Wirkung äußern, wenn sie bei einem einwandfreien Verhalten der Finanzbehörden entstanden sind; diese müssen loyal verfahren. Kann unter Umständen schon eine durch unrichtige Belehrung des Finanzamts veranlaßte Erklärung diese wirkungslos machen, so gilt das in noch höherem Maße, wenn eine Erklärung unter unzulässiger Verknüpfung mit strafrechtlichen Maßnahmen hervorgerufen wird und ist. Zu der den Finanzbehörden obliegenden objektiven Erforschung und Beurteilung eines Sachverhaltes gehört es, daß auch nur der Anschein vermieden wird, daß auf Grund nicht einwandfrei zustande gekommener Erklärungen rechtliche Folgen gezogen werden.
Das Finanzgericht hat der von ihm unterstellten Feststellung einer möglichen unzulässigen Beeinflussung aus drei Erwägungen die dieser sonst zukommende Bedeutung abgesprochen. Es ist zuzugeben, daß diese Erwägungen - Teilnahme des Steuerberaters, Schreiben vom "28." Juli 1949 und Geltendmachung des Anfechtungsgrundes nach fast 1 1/2 Jahren - beachtlich sind. Sie können aber die Vorentscheidung nur tragen, wenn feststeht, in welcher Weise der Fahndungsdienst die Akten der Staatsanwaltschaft bei der Verhandlung am 29. Juli 1949 verwertet hat, und welche äußerungen von den Fahndungsbeamten dabei abgegeben worden sind, insbesondere welche Bewandtnis es mit der im Falle der Einigung angeblichen Nichtbeantwortung der Staatsanwaltschaftlichen Rückfrage - die doch in jedem Falle geschehen mußte - hat. In dieser Beziehung fehlt es aber an jedem Anhaltspunkte. Es muß auffallen, daß trotz der Wiederholten konkreten Behauptung des Bf. die Fahndungsbeamten zu diesem Punkte keine Erklärung abgegeben haben - die allgemeine Angabe, die Zurücknahme sei nicht unter Druck erfolgt, ist unzureichend - und dazu auch nicht aufgefordert wurden. Das bedeutet einen Mangel an Sachaufklärung. Nur wenn dahingehende tatsächliche Feststellungen getroffen sind, kann der grundsätzlich nur zur rechtlichen Nachprüfung berufene Senat prüfen, ob die vom Finanzgericht verwerteten Umstände eine dem Gesetz entsprechende Beurteilung zulassen. Schon die Möglichkeit, daß eine unstatthafte Beeinflussung stattgefunden haben kann, reicht aus, um die Vorentscheidung als nicht bedenkenfrei erscheinen zu lassen. Hinzu kommt aber noch, daß auch die vom Finanzgericht getroffene Würdigung nicht alle Umstände des vorliegenden Sachverhaltes gebührend berücksichtigt hat.
Es ist zwar richtig, daß der Steuerberater bei der Verhandlung zugegen war und die Niederschrift unterzeichnet hat. Dieser hat jedoch bisher unwiderlegt behauptet, er habe sich nur als Zeuge betätigen dürfen, die Fahndungsbeamten hätten ihm jede sonstige Einwirkung versagt. Es mag sein, daß das äußere Bild gegen diese Darstellung spricht, und es auch zunächst sehr unwahrscheinlich anmutet, daß der Steuerberater sich mit der von ihm behaupteten Rolle abgefunden hat. Angesichts der in dieser Hinsicht vom Bf. aber wiederholt aufgestellten Behauptung bedarf es der Klarstellung des wirklichen Sachverhaltes. Sollte der Steuerberater tatsächlich in der von ihm dargestellten Weise von einer Mitwirkung ausgeschlossen worden sein, so wird seiner Anwesenheit und Unterschrift nicht die Bedeutung beigemessen werden können, die die Vorentscheidung diesen Tatsachen zuteil werden läßt; es wäre auch nicht richtig, wenn die Fahndungsbeamten der irrtümlichen Auffassung gewesen sein sollten, der Steuerberater hätte bei der Verhandlung nicht aktiv tätig werden dürfen. Es handelte sich nicht mehr nur um ein Ermittlungsverfahren, sondern auch um die endgültige Regelung der bereits festgesetzten und im Rechtsmittelstadium befindlichen Steueransprüche. Hierbei konnte und durfte dem Steuerberater nicht nur die Rolle eines Zeugen zugebilligt werden; er war vielmehr befugt, im Rahmen der ihm erteilten Vollmacht sachlich Stellung zu nehmen. Es bedarf daher keiner Entscheidung über die vom Bf. angeregte Frage, welche Befugnisse einem Bevollmächtigten sonst in einem Ermittlungsverfahren zustehen.
Auch die weitere Erwägung, die Geltendmachung der unzulässigen Beeinflussung erst nach 1 1/2 Jahren, kann nicht allein in der in der Vorentscheidung geschehenen Art gewertet werden. Es trifft zu, daß Stpfl., die wichtige Erklärungen abgeben, grundsätzlich daran gebunden sind, und daß dabei ihre Beweggründe unbeachtet bleiben müssen, soweit sie nicht in der Niederschrift zum Ausdruck kommen; diese hat die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich. Es muß davon ausgegangen werden, daß Umstände, auf die sich Stpfl. später als besonders wichtig berufen, grundsätzlich nur Berücksichtigung verdienen, wenn sie schriftlich festgelegt werden. Im Interesse der Rechtssicherheit muß auch verlangt werden, daß die Wirksamkeit einer Erklärung betreffende Gesichtspunkte unverzüglich geltend zu machen sind, wenn aus dem gegenteiligen Verhalten nicht für den Betroffenen nachteilige Schlüsse gezogen werden sollen. Wenn zwar, wie bereits ausgeführt, die Grundsätze des bürgerlichen Rechtes über die Anfechtung von Willenserklärungen nicht unmittelbar für das öffentliche Recht gelten, so wird doch der aus der bürgerlich-rechtlichen Regelung zu entnehmende Grundgedanke auch für das öffentliche Recht verwertet werden können, daß die gegen die Rechtswirksamkeit von Willenserklärungen sprechenden Tatsachen in angemessener Frist vorgebracht werden müssen. Wenn auch die im bürgerlichen Recht geltenden Anfechtungsfristen nicht entscheidend maßgebend zu sein brauchen, es vielmehr von den Umständen des einzelnen Falles abhängig zu machen sein wird, wann aus dem Verhalten eines Stpfl. eine Verwirkung seines an sich gegebenen Anfechtungsrechts angenommen werden kann (siehe z. B. Slg. Bd. 41 S. 303), so wird es nicht angängig sein, daß Stpfl. sich ohne jede Einschränkung nach langer Zeit auf Umstände berufen können, die die angebliche Wirkungslosigkeit ihrer abgegebenen Erklärung herbeiführen sollen. Es ist daher der Vorentscheidung insoweit zuzustimmen, wenn sie an sich auf das lange Warten der Geltendmachung des Anfechtungsgrundes hinweist und entsprechende Folgerungen zieht. Es ist dabei aber übersehen, daß zwischen dem Bf., dem Finanzministerium und dem in das Verfahren verwickelten R. Verhandlungen geschwebt haben, die sich auch auf eine Herabsetzung der festgesetzten Steuern bezogen. Die Akten geben zwar im einzelnen keine eindeutige Auskunft darüber, wann die Verhandlungen begonnen, worauf sie sich neben dem Begehren auf Steuerermäßigung im einzelnen bezogen haben, und wann sie beendet sind. Soviel kann aber dem Akteninhalt entnommen werden (siehe Einspruchsentscheidung unter IV), daß noch im August 1950 und anscheinend darüber hinaus verhandelt worden ist. Wenn die Besprechungen mit den angeführten Beteiligten auch im Ergebnis negativ verlaufen sind, so darf doch die Tatsache nicht unbeachtet bleiben, daß der Bf. aus diesem Grunde vorerst von der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Erklärung vom 29. Juli 1949 abgesehen haben kann. Daß er erhebliche Steuern zu zahlen hatte, war und konnte ihm nicht unbekannt sein; es wird aber verständlich sein, wenn er den Anfechtungsgrund noch zurückstellte, weil er glaubte, im Wege der Verhandlung einer Herabsetzung der Steuern zu erreichen. Bei dieser Sachlage wird das an sich späte Vorbringen des Anfechtungsgrundes nicht derart gewürdigt werden können, daß es der unzulässigen Beeinflussung jede Bedeutung nimmt, vorausgesetzt, daß eine dahingehende Feststellung getroffen werden kann und getroffen wird.
Auch der dritten Erwägung, der Inhalt des Schreibens vom "28." Juli 1949, wird, in diesem Zusammenhange gesehen, allein keine ausschlaggebende Bedeutung zuzuerkennen sein. In diesem teilt der Bf. dem Finanzamt lediglich mit, daß er sich mit dem Fahndungsdienst auf 70.000 RM Nachsteuern geeinigt und die eingelegten Rechtsmittel zurückgenommen habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob hierin, unabhängig von der in der Niederschrift vom 29. Juli 1949 erfolgten Zurücknahme, ein selbständiges Zurückziehen der Rechtsmittel gesehen werden kann. Abgesehen von der vom Bf. zugegebenen offenbar irrtümlichen Datierung - die Annahme der Richtigkeit des "28." Juli würde eine aus den Akten nicht zu entnehmende Besprechung vor dem 29. Juli 1949 voraussetzen - gibt das Schreiben bezüglich der Zurücknahme der Rechtsmittel nur diese Tatsache wieder. Wenn, was wahrscheinlich ist, das Schreiben am 29. Juli 1949 gefertigt ist, so wird der Möglichkeit Raum gegeben werden können, daß auch dieses Schreiben noch unter der Einwirkung der Verhandlungsereignisse am 29. Juli 1949 steht. Es ist aber gerade von Bedeutung, ob diese sich in steuerrechtlich anzuerkennender Form abgespielt haben.
Wegen der hiernach möglichen rechtsirrtümlichen Würdigung der Zurücknahmeerklärung in der Verhandlung vom 29. Juli 1949 mußte die Vorentscheidung aufgehoben werden. Das Finanzgericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, hat unter Beachtung der dargelegten Grundsätze eine ergänzende Ermittlung des Sachverhaltes und eine dementsprechende, erneute Prüfung vorzunehmen. Dabei sei jedoch darauf hingewiesen, daß den Ausführungen des Bf. bezüglich der angeblichen Anerkennung von Steuerforderungen in Höhe von 70.000 RM durch den Fahndungsdienst nicht gefolgt werden kann. Selbst wenn die Beamten dahingehende äußerungen getan haben sollten, kann sich der Bf. darauf nicht berufen, da sie in der Niederschrift nicht festgehalten sind. Wenn der Bf. auf ein solches Anerkenntnis Wert legte, und bei der Höhe der in Betracht kommenden Steuerbefreiung wäre das ohne weiteres anzunehmen, dann mußte er auch darauf bestehen, daß es schriftlich festgelegt wurde. Da das nicht geschehen ist, muß er es gegen sich gelten lassen, daß nur über die in der Urkunde niedergeschriebenen Punkte eine Einigung stattgefunden hat. Im Ergebnis sind daher die insoweit erhobenen Vorwürfe des Bf. gegen die Vorentscheidung nicht begründet.
Der Bf. hat mündliche Verhandlung beantragt. Angesichts des für ihn günstigen Ergebnisses hielt es der Senat für zweckmäßig, vorerst ohne eine solche nach § 294 Abs. 2 AO zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 407455 |
BStBl III 1952, 241 |
BFHE 1953, 627 |
BFHE 56, 627 |