Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Beim Warenbestand eines Juweliergeschäftes kann eine Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG nur in der Höhe anerkannt werden, in der unter Berücksichtigung der Verschiedenartigkeit der einzelnen Waren oder Warengattungen entsprechende Wertminderungen wegen langer Lagerung, Unmodernwerdens, Beschädigung u. ä. nachgewiesen werden. Pauschalabschläge müssen in den Verhältnissen des einzelnen Betriebes ihre Rechtfertigung finden.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2
Tatbestand
Der Bf. hat als Juwelier seine Waren am 31. Dezember 1950 mit den aus den Verkaufspreisen ermittelten Einkaufspreisen unter Vornahme von Abschlägen angesetzt, die er pauschal im wesentlichen nach der Lagerdauer der Waren bemessen hat. Die zugrunde gelegten Abschläge belaufen sich zwischen 10 v. H. bei neuen und weniger als 12 Monate lagernden Waren und 90 v. H. bei Waren mit einer Lagerdauer von über 24 Monaten.
Das Finanzgericht hat durch Einholung von Sachverständigengutachten und durch Zeugeneinvernahme in der mündlichen Verhandlung festgestellt, daß das vom Bf. verwendete Bewertungsschema nicht branchenüblich ist. Es hat deswegen die Schätzungsberechtigung des Finanzamts anerkannt. Es ist auch der Schätzungsmethode des Finanzamts gefolgt. Nach den Feststellungen des Betriebsprüfers konnte nicht von den Einkaufsrechnungen ausgegangen werden, da diese bei der Prüfung nicht beigebracht werden konnten. Der Prüfer hat deshalb für Ende 1953 - nach seinen Angaben in mühevoller Kleinarbeit - die Verkaufspreise der ausgewiesenen Bestände errechnet und unter Vornahme eines aus der Gewinn- und Verlustrechnung entnommenen Abschlags auch für schwer verkäufliche Ware berechnet, daß der Ausweis des Warenbestandes 1953 um 65 675 DM zu niedrig war. Diesen Betrag hat er gleichmäßig auf die Vorjahre verteilt, da keine wesentlichen Schwankungen im Geschäftsumfang eingetreten seien. Hierdurch gelangte er zur Erhöhung des Warenbestandes 1950 um 1/4 von 65 675 DM = 16 419 DM. Das Finanzgericht nahm einen weiteren Pauschalabschlag von 5 000 DM für 1953 vor, den es ebenfalls mit je 1/4 auf die Jahre 1950 bis 1953 verteilte, wodurch sich der Warenansatz 1950 gegenüber dem des Finanzamts noch um 1 250 DM ermäßigte.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Bf. ist unbegründet. Das Finanzgericht konnte zu dem Ergebnis kommen, daß eine ordnungsgemäße Feststellung des Warenwerts an Hand des vom Bf. verwendeten Bewertungsschemas nicht möglich und die Schätzung daher berechtigt war. Dem widerspricht der Bf. auch nicht.
Dem Finanzgericht ist auch darin zu folgen, daß keine andere brauchbare Möglichkeit gegeben war, als an Hand von Verkaufspreisen unter Abzug der Rohgewinnspanne und eines Pauschalabschlags am Gesamtwarenbestand wegen schlechter Verkäuflichkeit länger liegender Ware die Einkaufspreise und die gegebenenfalls niedrigeren Teilwerte zu schätzen.
Zum Einwand des Bf., das Finanzgericht habe mit dem in dieser Weise vorgenommenen Pauschalabschlag seinen Vortrag über die unterschiedliche Lagerdauer der Warenbestände und die dadurch zwangsläufig erforderlich werdenden Unterschiede bei den Abschlägen wegen langer Lagerung in willkürlicher Weise unbeachtet gelassen, ist folgendes zu sagen. Warenbestände sind als Umlaufvermögen mit den Anschaffungskosten anzusetzen, statt dessen kann der niedrigere Teilwert angesetzt werden (§ 6 Ziff. 2 EStG). Voraussetzung dafür ist, daß der Steuerpflichtige auf Verlangen des Finanzamts Unterlagen vorlegt, aus denen Grund und Höhe der Teilwertabschreibung zuverlässig und leicht nachgeprüft werden können (vgl. hierzu insbesondere Urteil des Bundesfinanzhofs I 137/59 U vom 29. November 1960, BStBl 1961 III S. 154, Slg. Bd. 72 S. 416). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Es genügt nicht, daß der Bf. auf die unterschiedliche Lagerdauer hinweist und Abschlagssätze anwendet, die angeblich betriebswirtschaftlichen Grundsätze entsprechen. Es fehlt bei dem vom Bf. angewendeten Schema an der Nachprüfbarkeit der Bewertung. Es müßte bei der Ordnung der Warenbestände nach Lagerdauer eine weitere Aufgliederung nach Warenarten vorgenommen werden, da der Einfluß der Lagerdauer bei den einzelnen Warengattungen naturgemäß unterschiedlich ist. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, daß die vom Bf. gewählten Abschläge von z. B. 50 v. H. vom Einkaufspreis bei Waren, die länger als 12 Monate bis 24 Monate lagern, und von 90 v. H. bei noch länger liegenden Waren tatsächlich aus den Erfahrungen seines Betriebs gewonnen worden sind. Hierauf kommt es aber entscheidend an. Der Steuerpflichtige kann sich nicht auf willkürlich gewählte Sätze berufen, die nicht einmal branchenüblich sind, wie das Finanzgericht unangreifbar festgestellt hat.
Bei der Würdigung längerer Lagerdauer als Grundlage einer Teilwertabschreibung auf die Anschaffungskosten ist zu beachten, daß man bei Waren, die nach längerer Lagerzeit noch zu Normalpreisen angeboten und ohne ins Gewicht fallende Preisabschläge veräußert werden, davon ausgehen kann, daß sie nicht minderwertig waren. Ein Kaufmann, der nur gegenüber dem Finanzamt von seiner Ware behauptet, sie sei wegen langer Lagerung und ähnlicher Umstände minderwertig und daher abzuschreiben, der die gleiche Ware aber seinen Kunden zum ursprünglich kalkulierten Verkaufspreis anbietet und in einzelnen Fällen auch tatsächlich verkauft, wie es der Bf. unbestritten in erheblichem Umfang getan hat, kann nicht verlangen, daß die Ware in der Bilanz unter dem Einkaufspreis angesetzt wird. Wenn die Vorinstanzen trotzdem einen verhältnismäßig geringen Abschlag vom Wert des Warenlagers anerkannten, so kann das insoweit unbeanstandet bleiben, als gewisse Unterlagen für diese Schätzung eines Pauschalabschlages aus den Verhältnissen des Betriebes gewonnen werden konnten. Der vom Prüfer unter Heranziehung der Verlust- und Gewinnrechnungen des Bf. ermittelte Pauschalabschlag von 3. v. H., gegen den auch das Finanzamt keine Einwendungen erhebt, kann deshalb in diesem Verfahren zugebilligt werden.
Dagegen konnte das Finanzgericht keine aus dem Verhältnis des Betriebes des Bf. hergeleitete Umstände dafür anführen, die die Erhöhung des Pauschalabschlags von 3. v. H. auf 7 v. H. rechtfertigten. Ein so hoher Abschlag kann nur dann zugelassen werden, wenn der Kaufmann einwandfrei Unterlagen und Nachweis aus der Vergangenheit dafür vorlegt, daß er im Durchschnitt so hohe Verluste gegenüber den Einstandspreisen tatsächlich erlitten hat.
Der Bf. kann sich für seine Auffassung auch nicht auf die vom Finanzgericht eingeholten Gutachten der Industrie- und Handelskammer und des Fachprüfers der Oberfinanzdirektion berufen. Denn der Kaufmann hat keinen Anspruch darauf, die gleichen Abschläge auf seine Einstandspreise vornehmen zu dürfen, die bei anderen ähnlichen Betrieben anerkannt wurden, wenn er nicht wenigstens in zumutbarem Umfang die Berechtigung solcher Abschläge an den tatsächlichen Verhältnissen seines Betriebes glaubhaft machen kann. Das gilt besonders für das aus zahlreichen unterschiedlichen Warengattungen und wertvollen Einzelstücken bestehende Warenlager eines Juweliers. Hier können Pauschalabschläge im allgemeinen nur anerkannt werden, wenn sie auf Grund der Verhältnisse des Betriebes sachgerecht und überzeugend ermittelt wurden. Diese Voraussetzungen hat der Bf. für die von ihm verlangten Pauschalabschläge nicht dartun können.
Fundstellen
Haufe-Index 410962 |
BStBl III 1964, 7 |
BFHE 1964, 14 |
BFHE 78, 14 |
BB 1964, 71 |
DB 1964, 55 |
DStR 1964, 67 |