Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Werbungskosten eines Gerichtsreferendars, der eine Wahlstation im Ausland ableistet
Leitsatz (NV)
1. Die durch Verwaltungsvorschriften geschaffenen Werbungskostenpauschbeträge sind grundsätzlich auch von den Finanzgerichten zu beachten.
2. Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs, wenn das Finanzgericht davon ausgehen will, daß dem Arbeitnehmer Unterbringungskosten und Verpflegungsmehraufwendungen im Ausland, die er mit den Pauschbeträgen geltend macht, nicht entstanden seien.
Normenkette
FGO § 119 Nr. 3; LStR Abschn. 27
Tatbestand
Im Streitjahr war der damals ledige Kläger und Revisionskläger (Kläger) Gerichtsreferendar. Für die Zeit vom 2. Juli bis zum 1. Oktober war er an einen Rechtsanwalt in den USA zur weiteren Ausbildung in der Wahlstation überwiesen worden. Im Oktober nahm der Kläger seinen Jahresurlaub, den er im Anschluß an die Ausbildungsstation in den USA verbrachte. Am 1. November war er nach Deutschland zurückgeflogen.
Die in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten hatte der Kläger im Rahmen seines Antrages auf Lohnsteuer-Jahresausgleich als Werbungskosten geltend gemacht, und zwar zum Teil in tatsächlicher Höhe, zum Teil in Form von Pauschbeträgen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte in dem darüber ergangenen Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich nur die Taxi- und Flugkosten und die für die beibehaltene Wohnung in Deutschland aufgewendete Miete als Werbungskosten berücksichtigt. Im übrigen hatte das FA das Fehlen von Einzelnachweisen bemängelt und deshalb die darüber hinaus geltend gemachten Werbungskosten nicht anerkannt.
Hiergegen erhob der Kläger Klage und begründete diese wie folgt: Über die im Zusammenhang mit der Hin- und Rückreise in die USA anerkannten Fahrt- bzw. Flugkosten hinaus müßten noch weitere Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt werden, so u.a. diverse Pauschbeträge für die Unterkunft und Verpflegung während der Dauer der Reise und des beruflich bedingten Aufenthaltes in den USA.
Die sich danach ergebenden erhöhten Werbungskosten kürzte der Kläger indessen um den Betrag für die Mietkosten in Deutschland.
Mit dem sich danach ergebenden Antrag auf Berücksichtigung weiterer Werbungskosten von . . . hatte der Kläger vor dem Finanzgericht (FG) indessen keinen Erfolg. Das FG hatte dem Kläger durch Beschluß vom . . . u.a. aufgegeben, die ihm während des beruflich bedingten Aufenthalts in den USA entstandenen Unterbringungskosten zu beziffern und zu belegen, insbesondere die tatsächlich für das gemietete Apartment gezahlte Miete anzugeben und die entsprechenden Quittungen vorzulegen. Der Kläger hatte hierauf u.a. geantwortet, daß er hinsichtlich der während des beruflich bedingten Aufenthalts in den USA entstandenen Unterbringungskosten nicht verpflichtet sei, die tatsächlich entstandenen Kosten zu belegen, sondern die in den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) vorgesehenen Pauschbeträge beanspruchen könne. Dies gelte im übrigen auch für die geltend gemachten Aufwendungen für den Verpflegungsmehraufwand entsprechend. Das FG führt hierzu in der angefochtenen Entscheidung aus: Die Klage sei schon deshalb unbegründet, weil das FA dem Kläger in dem angefochtenen Bescheid bereits höhere Werbungskosten zugestanden habe, als nach dem Vorbringen des Klägers anzuerkennen seien. Im Hinblick auf den im Anschluß an die Ausbildungsstation in den USA genommenen Jahresurlaub hätten die Reisekosten sowohl beruflichen wie privaten Zwecken gedient. Aus dem zeitlichen Verhältnis zwischen beruflich bedingtem und privatem Aufenthalt in den USA folge ferner, daß der private Anteil an den Fahrtkosten nicht nur von völlig untergeordneter Bedeutung sei. Das FA habe deshalb die Flug- und Taxikosten zu Unrecht als Werbungskosten anerkannt. Das gleiche gelte im übrigen auch, wie der Kläger selbst erkannt habe, für die Mietaufwendungen hinsichtlich seiner Wohnung in Deutschland. Deshalb müßten auch die während der Reisezeit geltend gemachten Tage- und Übernachtungsgelder das Schicksal der Reisekosten teilen und könnten nicht als Werbungskosten anerkannt werden. Was die Kosten für die Wohnung am Beschäftigungsort in den USA betreffe, so könne in diesem Falle nicht auf einen entsprechenden Nachweis verzichtet werden. Das gelte um so mehr, als im Streitfalle nicht ausgeschlossen werden könne, daß dem Kläger tatsächlich keine Unterkunftskosten entstanden seien, etwa weil er Gast seines dortigen Ausbilders gewesen sei. Zu Unrecht meine auch der Kläger, er könne ohne weiteres gemäß Abschn. 27 Abs. 5 LStR die seinem Einkommen entsprechenden Auslandstagegelder ansetzen, und zwar für den entstandenen Verpflegungsmehraufwand . . .
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Darüber hinaus macht er als formelle Mängel des angefochtenen Urteils geltend, daß das FG einmal den angefochtenen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid zu seinem, des Klägers, Nachteil geändert habe und darüber hinaus keine Anregung zu weiteren Beweiserhebungen gegeben habe. So habe das FG allein aus der Tatsache, daß er über seine Unterkunft in den USA keine Belege vorgelegt habe, den mehr als abwegigen Schluß gezogen, er habe dort umsonst in einem Apartment gelebt. Wenn ihn das Gericht darauf hingewiesen hätte, daß es zu einem derartigen Schluß kommen würde, nämlich daß ein Ausbilder einem unbekannten Ausländer kostenlos eine Wohnung zur Verfügung gestellt habe, so hätte er, der Kläger, den erforderlichen Gegenbeweis erbringen können, und zwar unter Benennung dieses Ausbilders selbst als Zeugen. Im übrigen habe er darauf vertrauen können, daß die Finanzverwaltung die in ihren eigenen Richtlinien vorgesehenen Pauschbeträge der Besteuerung zugrunde legen würde. Denn die Anwendung der Pauschbeträge führe in seinem Falle nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung . . .
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nach § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG.
Das angefochtene Urteil des FG beruht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. § 96 Abs. 2 FGO). Die Vorinstanz hat hier auf Grund der Tatsache, daß der Kläger der ihm durch Beschluß vom . . . gemachten Auflage, die beruflich bedingten Unterbringungskosten zu beziffern und zu belegen, nicht nachgekommen war, unterstellt, daß ihm weder solche noch Verpflegungsmehraufwendungen entstanden seien. Damit ist das FG von Tatsachen ausgegangen, zu denen sich der Kläger zuvor nicht hat äußern können. Denn dieser ging - wie sich bereits aus seiner Stellungnahme zu der genannten Auflagenverfügung ergibt - davon aus, daß das FG bei Nichtvorlage von Belegen die in den LStR vorgesehenen, einschlägigen Pauschbeträge ansetzen würde.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind die durch Verwaltungsvorschriften geschaffenen Werbungskostenpauschbeträge grundsätzlich auch von den FG zu beachten. Der BFH hat seine Auffassung auf die nach außen hin publizierte Selbstbindung der Verwaltung und den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gestützt (vgl. z. B. Urteile vom 14. August 1981 VI R 115/78, BFHE 134, 139, BStBl II 1982, 24, und vom 2. April 1982 VI R 48/80, BFHE 135, 509, BStBl II 1982, 498). Er hat im Urteil in BFHE 134, 139, BStBl II 1982, 24 u.a. darauf hingewiesen, daß der Steuerpflichtige grundsätzlich davon ausgehen dürfe, daß die von der obersten Finanzbehörden der Länder festgesetzten und allgemein bekanntgegebenen Pauschbeträge auch auf ihn Anwendung finden, die Sammlung von Einzelbelegen deshalb unterbleiben kann. Würden die Gerichte die von der Verwaltung zulässigerweise erlassenen Pauschbetragsregelungen nicht respektieren, so könnte der damit verfolgte Vereinfachungszweck nicht erreicht werden, weil die Steuerpflichtigen schon im Hinblick auf ein mögliches Klageverfahren Einzelnachweise sammeln müßten.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH die Anwendung der Richtlinien dann nicht gerechtfertigt, wenn sie im Einzelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Von der Annahme einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung ist jedoch - dem Vereinfachungszweck der Pauschbetragsregelung entsprechend - zurückhaltend Gebrauch zu machen.
Jedenfalls durfte nach alledem das FG nicht allein aus der Tatsache, daß der Kläger auf einer Anwendung der einschlägigen Pauschbeträge bestanden hatte, die Folgerung ziehen, daß er keinerlei Werbungskosten für Unterkunft und Verpflegung während seiner Tätigkeit in den USA gehabt hat.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da sie den vorstehenden Rechtsgrundsätzen nicht entspricht. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Sie muß deshalb gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 414171 |
BFH/NV 1987, 117 |