Leitsatz (amtlich)

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 Alternative 2 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer beim Grunderwerb nach dem Bundesbaugesetz - GrEStBBauG - (GVBl NW 1962, 347) können nur solche Rechtsgeschäfte, die Gegenstand eines förmlichen Umlegungsverfahrens hätten sein können, "zur Vermeidung der Umlegung" i. S. der genannten Vorschrift erfolgt sein.

 

Normenkette

GrEStBBauG-NW § 1 Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Die Klägerin und ihr verstorbener, von ihr allein beerbter Ehemann waren Eigentümer der Grundstücke N. Die Grundstücke lagen in einem Gebiet, für das am 7. April 1964 die Umlegung beschlossen worden war.

Am 19. Oktober 1967 erwarben die Klägerin und deren Ehemann das Grundstück K. Daraufhin erging ein Beschluß des Umlegungsausschusses, worin die Entschädigung für "Verlagerungskosten" festgesetzt wurde. Außerdem wurden die Grundstücke N der Stadt zugewiesen. Der Wert des Grundstücks N wurde nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt durch Beschluß vom 23. November 1968 auf X DM festgesetzt. Der Betrag wurde zunächst auf ein Sperrkonto überwiesen und sodann zur Abdeckung eines Kredits verwendet, der anläßlich des Erwerbs des Grundstücks K aufgenommen worden war.

Die Klägerin und deren Ehemann beantragten beim beklagten FA, den Erwerb des Grundstücks K von der Grunderwerbsteuer freizustellen, da er "der Vermeidung der Umlegung" i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 5 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer beim Grunderwerb nach dem Bundesbaugesetz vom 25. Juni 1962 - GrEStBBauG - (GVBl NW 1962, 347, BStBl II 1962, 140) gedient habe. Das FA lehnte eine Steuerbefreiung ab und setzte die Steuer gegenüber der Klägerin und deren Ehemann fest. Die Einsprüche gegen diese Steuerfestsetzungen blieben ohne Erfolg.

Auf die Klagen hat das FG die Steuerbescheide und Einspruchsentscheidungen aufgehoben (siehe EFG 1975, 29).

Mit der Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 5 Alternative 2 GrEStBBauG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Der Kauf des Grundstücks K durch die Klägerin und deren Ehemann unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.

§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStBBauG greift nicht ein, weil der Erwerb des Grundstücks weder "in Durchführung" noch "zur Vermeidung" einer Umlegung erfolgte.

Daß ein Erwerb "in Durchführung" einer Umlegung vorliegt, hat bereits das FG aus zutreffenden rechtlichen Erwägungen verneint.

Entgegen der vom FG vertretenen Rechtsauffassung kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Grundstück "zur Vermeidung einer Umlegung" i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 5 Alternative 2 GrEStBBauG erworben wurde. Durch diese Vorschrift soll die Durchführung förmlicher Umlegungsverfahren nur um der Steuerbefreiung willen vermieden werden, d. h. Rechtsvorgänge des Grundstücksverkehrs, die im Zuge eines Umlegungsverfahrens grunderwerbsteuerfrei hätten durchgeführt werden können, sollen diese Begünstigung auch dann erfahren, wenn sie ohne ein solches Verfahren auf freiwilliger Grundlage von den Grundstückseigentümern vollzogen werden. Der noch in Art. 6 Nr. 3 der Zweiten Verordnung vom 9. Oktober 1951 zur Durchführung des Gesetzes über Maßnahmen zum Aufbau in den Gemeinden vom 29. April 1950 (II. VO AufbauG) - GVBl NW 1951, 131 - enthaltene Zusatz "soweit diese Rechtsgeschäfte beim Umlegungsverfahren ... grunderwerbsteuerfrei sein würden" ist zwar in § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStBBauG nicht mehr enthalten. Inhaltlich wurde der Befreiungstatbestand dadurch nicht erweitert. Denn als Rechtsgeschäft "zur Vermeidung einer Umlegung" kann schon begrifflich nicht jeder Erwerbsvorgang angesehen werden, der es dem Eigentümer ermöglicht, sein bisheriges, vom Umlegungsverfahren betroffenes Grundstück preiszugeben. Deshalb können auch nach der gesetzlichen Neuregelung nur solche Rechtsgeschäfte, die Gegenstand eines förmlichen Umlegungsverfahrens hätten sein können, als "zur Vermeidung der Umlegung" i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 5 Alternative 2 abgeschlossen angesehen werden (vgl. zum früheren Recht Urteil des Senats vom 29. Mai 1953 II 267/52 U, BFHE 57, 549, BStBl III 1953, 211, und das zu niedersächsischem Recht ergangene Urteil vom 17. Juli 1974 II R 18/67, BFHE 113, 389, BStBl II 1975, 19).

Die Einschränkung der Steuerbefreiung auf solche Rechtsvorgänge, die Gegenstand eines förmlichen Umlegungsverfahrens hätten sein können, ergibt sich auch aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 Alternativen 3 und 4 GrEStBBauG. Die dort genannten nur mittelbar mit dem Umlegungsverfahren in Verbindung stehenden privatrechtlichen Erwerbsvorgänge haben, da sie von einem Bedarfs- oder Erschließungsträger bzw. von einer Gemeinde in Verfolgung der in §§ 55 Abs. 5 und 59 Abs. 3 des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 (BBauG) genannten Zwecke vollzogen werden, einen wesentlich stärkeren und deutlicher erkennbaren Bezug zum Umlegungsverfahren als ein von einem tatsächlichen oder potentiellen Umlegungsbetroffenen abgeschlossenes privatrechtliches Erwerbsgeschäft. Gleichwohl hat der Gesetzgeber diese Vorgänge offensichtlich nicht als "in Durchführung oder zur Vermeidung einer Umlegung" vollzogen angesehen und es deshalb für erforderlich gehalten, sie durch eine besondere Regelung von der Grunderwerbsteuer zu befreien.

Der Erwerb des Grundstücks K hätte nicht Gegenstand des förmlichen Umlegungsverfahrens sein können; denn das Grundstück gehörte werder zum Umlegungsgebiet i. S. des § 52 BBauG noch wurde es von außerhalb des Umlegungsgebiets in die Verteilungsmasse eingebracht (§ 55 Abs. 5 BBauG) noch haben es die Klägerin und deren Ehemann vom Bedarfs- oder Erschließungsträger bzw. der Gemeinde erworben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72215

BStBl II 1977, 254

BFHE 1977, 410

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