Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob eine durch Gesetz für eine bestimmte Gruppe freier Berufe geschaffene Versorgungseinrichtung des öffentlichen Rechts als Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts der Körperschaftsteuer unterliegt.
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 Nr. 10; KStDV § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 6
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde durch Landesgesetz als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Satzungsbefugnis und Selbstverwaltungsrecht errichtet. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) ist streitig, ob die Klägerin als Betrieb gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) anzusehen und damit unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist.
Die Klägerin hat die Aufgabe, ihren Teilnehmern und deren Hinterbliebenen Versorgung zu gewähren. Teilnehmer (Pflichtmitglieder) waren in den Streitjahren eine bestimmte Gruppe freier Berufe, die bestimmte berufsrechtliche Voraussetzungen erfüllten und ihren Beruf ausübten, soweit sie nicht als Beamte einen Anspruch auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung hatten. Die Satzung konnte die Voraussetzungen festlegen, unter denen Berufsangehörige als freiwillige Teilnehmer beitreten konnten. Die Teilnehmer waren zur Zahlung der satzungsmäßigen Beiträge verpflichtet. Die Beiträge berechneten sich grundsätzlich nach einem Vomhundertsatz der Berufseinnahmen, durften jedoch einen bestimmten Betrag nicht unterschreiten (Mindestabgabe) und einen bestimmten Betrag nicht überschreiten (Höchstabgabe). Die Teilnehmer hatten einen Rechtsanspruch auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit, ihre Hinterbliebenen auf Hinterbliebenenversorgung. Die Höhe der Versorgungsleistungen war nicht betragsmäßig festgelegt, sondern errechnete sich aus dem Anteil, der den Berechtigten an den für die Versorgung zur Verfügung stehenden Einnahmen zustand. Für die Errechnung dieses Anteils war in der Satzung 1969 ein bestimmtes Punktsystem vorgeschrieben. Neben dem Punktwert bestimmte sich die Höhe der Versorgungsleistungen - mit Ausnahme des Sterbegeldes - durch die Leistungszahl im Versorgungsfall, über die der einzelne Teilnehmer mit den von ihm aufgebrachten Versorgungsabgaben (Jahres- und Gesamtleistungszahl), mit der Dauer seiner Teilnahme (Zurechnungsjahre, Zeitzuschlag), und mit den bei ihm vorhandenen Risiken (Ledigenzuschlag) die ihm oder seinen Hinterbliebenen zustehenden Versorgungsleistungen beeinflußte. Waren beim Tod des Teilnehmers keine Versorgungsberechtigten vorhanden, so erhielten die Erben eine Rückerstattung in Höhe eines Teils der geleisteten Versorgungsabgaben. Teilnehmer, deren Teilnahme erlosch, erhielten einen Rechtsanspruch auf Rückerstattung geleisteter Versorgungsabgaben; sie konnten jedoch die Teilnahme freiwillig fortsetzen. Für Berufsangehörige, die bei Eintritt der Voraussetzungen für die Pflichtteilnahme älter als 45 Jahre waren, entfiel die Pflichtteilnahme. Nur in Einzelfällen ("unbillige Härte") konnten solche Angehörige als freiwillige Teilnehmer aufgenommen werden. Die Zahlung von Ruhegeld hing davon ab, daß der Teilnehmer seinen Beruf wegen Berufsunfähigkeit aufgab. Ruhegeld wurde ferner gewährt, wenn der Teilnehmer eine bestimmte Altersgrenze erreicht hatte und seine Tätigkeit nur persönlich und in einem Umfang ausübte, die sich mit seiner (unterstellten) Berufsunfähigkeit vereinbaren ließ. Die Rechtsverhältnisse zwischen den Teilnehmern und der Versorgungsanstalt waren öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Regelungen im Einzelfall wurden durch Verwaltungsakt getroffen. Die Anstalt besaß die Befugnis, rückständige Beiträge wie Gemeindeabgaben beizutreiben.
Das FA hat die Klägerin für die Streitjahre 1965 bis 1970 zur Körperschaftsteuer herangezogen. Die unmittelbar zum FG erhobene Klage der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das FG sah die Klägerin nicht als Hoheitsbetrieb (§ 4 Satz 1 KStDV) an. Es führte zur Begründung u. a. aus, der der Klägerin zugeteilte Aufgabenbereich sei grundsätzlich nicht dem Staat oder einer öffentlichrechtlichen Körperschaft eigentümlich und vorbehalten (wird im einzelnen ausgeführt). Allerdings enthalte das Finanzierungsverfahren der Klägerin Merkmale, die für das Vorliegen eines Hoheitsbetriebs sprächen. Die Versorgungsleistungen der Klägerin seien dynamisiert, d. h. die Versorgungsempfänger nähmen am Wachstum des Gesamteinkommens der in der Versorgungseinrichtung erfaßten Berufsangehörigen teil. Dieses Finanzierungsverfahren enthalte eine starke Sicherung gegen Geldwertverlust. Die notwendige Verknüpfung des Finanzierungsverfahrens mit der Zwangsmitgliedschaft sei bei einem privaten Versicherungsunternehmen nur schwer vorstellbar. Ein weiteres Anzeichen für das Vorliegen eines Hoheitsbetriebs sei auch die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen der Klägerin zu den Teilnehmern. Es komme demnach darauf an, welche Merkmale (Vergleichbarkeit mit privaten Versorgungsunternehmen oder Anzeichen für das Vorliegen eines Hoheitsbetriebs) überwögen. Der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG, eingefügt durch Art. 2 Nr. 1 StÄndG 1965 (BStBl I S. 217), sei hierzu die gesetzgeberische Entscheidung zu entnehmen, zumindest für solche öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die - wie die Klägerin - nicht eindeutig durch die Ausübung öffentlicher Gewalt geprägt seien, die Körperschaftsteuerpflicht zu bejahen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 1 Abs. 1 KStG, insbesondere in Verbindung mit § 1 und § 4 KStDV, und des § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG, ferner die Verletzung des durch Art. 3 Abs. 1, Art. 30 und Art. 105 Abs. 2 GG geprägten Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung. Auch habe das FG Satzungsbestimmungen und den Teil der Steuerakten, der die rückwirkende Veranlagung als eine Verletzung des Vertrauensschutzes erscheinen ließe, nicht erschöpfend berücksichtigt und dadurch gegen § 76 Abs. 1 FGO verstoßen. Eine Aufgabe sei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts schon dann eigentümlich und auch vorbehalten, wenn sie ihr vom Gesetzgeber zugewiesen worden sei und nur sie diese Aufgabe erfüllen könne. In einem solchen Fall schalte sie sich auch nicht - wie ein privates Unternehmen - in den wirtschaftlichen Verkehr ein. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG könne daran, daß sie ein Hoheitsbetrieb sei und daher schon nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG falle, nichts ändern. Durch § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG könnten nur solche Versorgungseinrichtungen erfaßt werden, die von den Berufskammern als "erlaubte" Betätigung unterhalten würden. Anders verhalte es sich mit einer dem Typus der Klägerin entsprechenden rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Anstalt, die auf unmittelbare Willensbildung des Gesetzgebers beruhe, eine landesunmittelbare Einrichtung sei und eine dem obersten Hoheitsträger obliegende, von ihm aber weiter übertragene staatliche Aufgabe zu erfüllen habe. - Vorsorglich müsse auch die Frage aufgeworfen werden, ob es überhaupt zulässig sei, durch eine bundesgesetzliche Regelung einen durch Landesgesetz eingerichteten Hoheitsbetrieb einer für Hoheitsbetriebe generell nicht geltenden Besteuerung zu unterwerfen (Hinweis auf das Urteil des BVerfG vom 27. Juli 1971 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68, BVerfGE 31, 314). - Überdies habe das FA mit der rückwirkenden Besteuerung den jedem Steuerpflichtigen zuzubilligenden Vertrauensschutz verletzt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es teilt die Rechtsauffassung des FG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat die Klägerin zu Recht als Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) angesehen.
1. a) Unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind u. a. Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG). Von dem Begriff Körperschaft des öffentlichen Rechts werden auch die Anstalten des öffentlichen Rechts mitumfaßt. Der Senat hat dies im Urteil des BFH vom 13. März 1974 I R 7/71 (BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391) im einzelnen dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Entscheidung verwiesen.
b) Zu den Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts gehören alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen dienen. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich (§ 1 Abs. 1 KStDV). Der Annahme eines Betriebes gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts steht nicht entgegen, daß der Betrieb gewerblicher Art selbst eine Körperschaft (Anstalt) des öffentlichen Rechts ist (§ 5 Abs. 1 KStDV). Öffentlichrechtliche Versicherungsanstalten sind auch dann unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie mit Zwangs- und Monopolrechten ausgestattet sind (§ 6 KStDV). Nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG sind öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von Berufsgruppen, deren Angehörige aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder dieser Einrichtung sind, unter bestimmten Voraussetzungen von der Körperschaftsteuer befreit.
c) Dagegen sind Betriebe des öffentlichen Rechts, die überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), keine Betriebe gewerblicher Art. Sie fallen nicht unter die Begriffsbestimmung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG. Dies ergibt sich bereits aus der Begründung zum KStG 1934 (RStBl 1935, 81 [82]), wo ausgeführt wird, die bisherige Ausnahmevorschrift für Betriebe, die der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienten (die sogenannten Hoheitsverwaltungen), sei überflüssig geworden, da die Ausübung der öffentlichen Gewalt nicht unter die Gruppe "Betriebe gewerblicher Art" fiele. Insofern hat die Bestimmung des § 4 Satz 1 KStDV, die dies ausdrücklich ausspricht, nur klarstellende Bedeutung.
2. Im Gesetz ist nicht geregelt, was unter einer den Hoheitsbetrieb kennzeichnenden Ausübung öffentlicher Gewalt zu verstehen ist. Der Sinnzusammenhang, in dem die Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes und die Bestimmungen der Verordung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes zueinander stehen, ermöglicht jedoch eine nähere Auslegung dieses Merkmals.
a) Da öffentlich-rechtliche Versicherungsanstalten, zu denen die Klägerin gehört, auch dann unbeschränkt steuerpflichtig sind, wenn sie mit Zwangs- und Monopolrechten ausgestattet sind, kann die Ausübung öffentlicher Gewalt durch eine Versicherungsanstalt des öffentlichen Rechts nicht entscheidend daraus hergeleitet werden, daß die Versicherungsanstalt für ein räumlich abgegrenztes Gebiet mit der ausschließlichen Wahrnehmung von Aufgaben betraut wurde und ihr zur Durchführung dieser Aufgaben das Recht eingeräumt ist, verwaltungsrechtliche Zwangsmittel zu ergreifen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18. Februar 1970 I R 157/67, BFHE 99, 42, BStBl II 1970, 519). Die Abgrenzung zwischen den in § 6 KStDV genannten Versicherungsanstalten des öffentlichen Rechts mit Zwangs- und Monopolrechten von denen, die Hoheitsbetriebe sind, kann nur nach dem rechtlichen Gehalt der Aufgaben bestimmt werden, die die Versicherungsanstalt wahrnimmt. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsauffassung ist es zu verstehen, daß die Ausübung öffentlicher Gewalt nach der Rechtsprechung des BFH eine Tätigkeit sein muß, die einer öffentlichrechtlichen Körperschaft eigentümlich und vorbehalten ist (vgl. BFH-Urteil I R 157/67 und vom 15. März 1972 I R 232/71, BFHE 105, 27, BStBl II 1972, 500).
b) Im Urteil I R 157/67 hat der erkennende Senat bei einer Gebäudebrandversicherung im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalles die Ausübung öffentlicher Gewalt bejaht. Des weiteren anerkennt die Finanzverwaltung seit Jahrzehnten, daß die öffentlich-rechtlichen Träger der gesetzlichen Sozialversicherung - mindestens unter bestimmten Voraussetzungen - als Hoheitsbetriebe anzusehen sind (vgl. schon Veranlagungs-Richtlinien für 1934, RStBl 1935, 377, [407] unter G 1 Abs. 5; ferner Abschn. 8 Abs. 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1969). Jedoch ist die Aufgabenstellung der Klägerin anders gelagert und insbesondere - trotz gewisser Ähnlichkeiten - in wesentlichen Ausprägungen mit der gesetzlichen Sozialversicherung nicht vergleichbar. Die Sozialversicherung im herkömmlichen Sinne, die vor allem die große Masse des unselbständig tätigen und daher sozial abhängigen Teils der Bevölkerung umfaßt, ist dadurch gekennzeichnet, daß sie eine Sicherung besonderer Art darstellt, bei der neben dem Sicherungsgedanken der Sozialausgleich unter Einbeziehung der von den Arbeitgebern zu leistenden Beiträge von wesentlicher Bedeutung ist. Darum sind Beiträge und Leistungen nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelt (Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Dezember 1957 7 RK g 4/56, BSGE 6, 213, 227). Mit Recht hat das FG hervorgehoben, daß sich diese Leitgedanken u. a. in den Beitragspflichten der Arbeitgeber (z. B. § 1382 der Reichsversicherungsordnung - RVO -), den Bundeszuschüssen (z. B. §§ 1382 und 1389 RVO), der Bundesgarantie (z. B. § 1384 RVO), in den Regelungen über Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten (z. B. §§ 1250 ff., 1258-1260 RVO), den eingeschränkten Möglichkeiten der Beitragserstattung (z. B. §§ 1303 ff. RVO) und dem vollen Verlust der Versorgungsanwartschaft im Fall des Todes vor dem Eintritt des Versorgungsfalls ohne Hinterlassung von Hinterbliebenen ausdrücken. Eine Aufgabe dieser Art war von jeher Körperschaften des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten.
Gleiches gilt nicht ohne weiteres in den Fällen, in denen der Gesetzgeber für bestimmte Gruppen freier Berufe öffentlich-rechtliche Versorgungseinrichtungen geschaffen hat. Für die körperschaftsteuerrechtliche Frage, ob der Träger der Versorgungseinrichtung eine Aufgabe wahrnimmt, die einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft vorbehalten und eigentümlich ist, kann zunächst nicht außer acht bleiben, daß der Gesetzgeber in solchen Fällen bisher nur zum Teil Initiativen ergriffen und durch Gesetz Versorgungseinrichtungen unter Anordnung einer Mitgliedschaft geschaffen hat. Für andere freie Berufe fehlen entsprechende Versorgungseinrichtungen, so daß die Angehörigen dieser Berufsgruppen darauf angewiesen sind, Gefährdungen ihrer Existenz durch Vertragsabschlüsse mit privaten Versicherungsanstalten abzusichern. Wesentlich ist auch, daß die durch Gesetz geschaffenen Versorgungseinrichtungen für bestimmte freie Berufe als Gefahrengemeinschaften, beschränkt auf die Angehörigen der jeweiligen Berufsgruppe, organisiert sind, was nach den tatsächlichen Feststellungen des FG auch bei der Klägerin zutrifft. Dadurch weisen die Aufgaben der Klägerin eine gewisse Ähnlichkeit mit privaten Versicherungsunternehmungen auf (vgl. Urteil des BSG 7 RK g 4/56). Schließlich sind die Versorgungsleistungen der Klägerin - jedenfalls ihrem wesentlichen Grundgedanken nach - nicht nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelt, sondern u. a. von den vom Teilnehmer aufgebrachten Versorgungsabgaben und der Dauer der Teilnahme abhängig, die sich in der sogenannten Leistungszahl niederschlagen.
c) Angesichts dieser Stellung der Klägerin zwischen einem Hoheitsbetrieb und einem privaten Versicherungsunternehmen gibt es den Ausschlag, daß der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG selbst von der grundsätzlichen Steuerpflicht öffentlich-rechtlicher Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen von Berufsgruppen, deren Angehörige aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder dieser Einrichtungen sind, ausgeht. Das ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift. Wäre die von der Klägerin wahrgenommene Aufgabe Ausübung öffentlicher Gewalt, so wäre die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG gegenstandslos, da sie die Steuerbefreiung gerade solcher öffentlich-rechtlicher Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von Berufsgruppen regelt, deren Angehörige aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder dieser Einrichtungen sind. Die Auffassung der Klägerin, § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG erfasse nur die gesetzlich erlaubte Wahrnehmung von Versorgungsaufgaben durch Berufskammern, nicht aber die gesetzlich gebotene Wahrnehmung der Versicherung und Versorgung, findet mithin im Gesetz keine Stütze. Diese Auslegung wird im übrigen auch durch die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG bestätigt. Zu der Neuschaffung dieser Vorschrift durch das Steueränderungsgesetz 1965 hat die Abgeordnete Frau Funke als Berichterstatterin des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags ausgeführt, dieser Ausschuß halte die Befreiungsvorschrift für gerechtfertigt, weil diese Pflichtversicherungseinrichtungen "weitgehend" Aufgaben der nicht der Körperschaftsteuer unterworfenen Sozialversicherungsträger (Hoheitsbetriebe) wahrnähmen (vgl. dazu BT-Drucksache IV 3189, 10). Die Gesetzgebungsorgane haben demnach zwar die Ähnlichkeiten in der Aufgabenstellung der Pflichtversicherungseinrichtungen mit den Sozialversicherungsträgern, aber auch ihre unterschiedliche körperschaftsteuerrechtliche Beurteilung klar erkannt. Auch bei der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze (StÄndG 1969) wurde an dieser Auffassung im Grundsatz festgehalten (vgl. BT-Drucksache V 3017, 6).
d) Da die Klägerin die in § 1 Abs. 1 KStDV für den Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts genannten Voraussetzungen erfüllt und die Befreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG unstreitig nicht in Betracht kommt, ist die Klägerin als Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts körperschaftsteuerpflichtig. Die Rüge der Klägerin, das FG habe Satzungsbestimmungen, in denen der Gedanke des sozialen Ausgleichs zum Ausdruck komme, nicht hinreichend gewürdigt, geht fehl. Entscheidend ist, wie dargelegt, der Grundgedanke, nach dem sich die Versorungsleistungen der Klägerin richten. Da die Klägerin nicht als Hoheitsbetrieb anzusehen ist, kommt es auch auf die vom BVerfG im Urteil 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 entschiedene Frage, ob ein Hoheitsbetrieb einer für Hoheitsbetriebe generell nicht geltenden Besteuerung unterworfen werden dürfe, nicht an. Daß das FG den Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung verletzt habe, ist nicht ersichtlich.
3. Der Klägerin kann schließlich auch nicht darin gefolgt werden, daß das FG durch ihre "rückwirkende Heranziehung" zur Körperschaftsteuer in den Streitjahren den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt habe. Einmal verstößt die rückwirkende Belastung mit einer Steuer noch nicht ohne weiteres gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Zum anderen konnte die Klägerin aus dem früheren Verhalten des FA deutlich erkennen, daß dieses ihre Körperschaftsteuerpflicht dem Grunde nach bejaht hat und bei Vorliegen eines entsprechenden Einkommens die gesetzlich geschuldete Körperschaftsteuer festsetzen werde. Denn die Klägerin trägt im Revisionsverfahren selbst vor, sie habe auch schon für frühere Jahre Körperschaftsteuererklärungen abgegeben; in diesen Jahren sei die Körperschaftsteuerschuld auf null festgesetzt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 71810 |
BStBl II 1976, 355 |
BFHE 1976, 31 |