Leitsatz (amtlich)
Führt ein Hausgewerbetreibender für sich selbst die Arbeitnehmer- und die Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung ab und erhält er die Arbeitgeberbeiträge durch entsprechend erhöhte Stückpreise von den Auftraggebern (als den Arbeitgebern gemäß § 162 Abs. 4 und 5 RVO i. d. F. vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl I, 3015) vergütet, so sind diese Beiträge als Betriebsausgaben abzugsfähig (vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Juli 1982 VIII R 143/77).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2; GewStG § 7
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Hausgewerbetreibender. Er führt für sich selbst Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung ab. Mit Kenntnis seiner Auftraggeber kalkuliert er den Arbeitgeberanteil in die ihnen in Rechnung gestellten Stückpreise ein. Während die Arbeitnehmeranteile unstreitig Sonderausgaben sind, ist bei der Einkommensteuer- und bei der Gewerbesteuermeßbetragsveranlagung 1973 streitig, ob die Arbeitgeberanteile Betriebsausgaben des Klägers sind.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) behandelte die Arbeitgeberanteile zusammen mit den Arbeitnehmeranteilen als Sonderausgaben mit der Folge, daß sich durch die für sie geltende Höchstbetragsregelung nur 280 DM einkommensmindernd auswirken. Gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1973 hat der Kläger, gegen den Einkommensteuerbescheid 1973 haben der Kläger und die mit ihm zusammenveranlagte Ehefrau (Klägerin) erfolglos Einspruch eingelegt.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1977, 71 veröffentlichten Urteil aus, daß die Arbeitgeberanteile auch in Fällen der vorliegenden Art Betriebsausgaben seien. Dadurch, daß der Kläger anstelle der Auftraggeber (Arbeitgeber) die Arbeitgeberanteile abgeführt habe, ändere sich nichts an deren Rechtsnatur als eines auf besonderer öffentlich-rechtlicher Leistungspflicht des Arbeitgebers beruhenden Aufwandes, der deshalb auch in diesem Falle Betriebsausgabe sei.
Der erkennende Senat ließ mit Beschluß vom 20. April 1977 I B 65/76 (BFHE 122, 119, BStBl II 1977, 608) die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
In seiner Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung sachlichen Rechts (§ 4 Abs. 4, § 10 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --, § 1398 der Reichsversicherungsordnung -- RVO --). Gerügt werde auch, daß es das FG unterlassen habe, sich mit dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 28. Februar 1972 (Der Betrieb -- DB -- 1972, 705; Steuererlasse in Karteiform -- StEK --, Einkommensteuergesetz, § 10 Abs. 1 Nr. 2b, Nr. 33) auseinanderzusetzen. Diese Verwaltungsanordnung könne über den Gleichheitssatz auch für Gerichte beachtlich sein. Die Vorschrift des § 1398 RVO schaffe keine selbständige Leistungspflicht des Versicherten. Dies ergebe sich auch aus § 1385 Abs. 4 Buchst. a RVO, wo die Zahlungspflicht des Arbeit- oder Auftraggebers auch für den Fall der Versicherungspflicht nach § 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RVO abschließend geregelt sei. Die öffentlich-rechtliche Leistungspflicht bestehe daher auch bei dem von dem Kläger gewählten Verfahren nach § 1398 RVO allein in der Person der Auftraggeber. Nur die von dem Auftraggeber geleisteten Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung seien Betriebsausgaben. Nach dem angeführten Schreiben des BMF seien die für die Hausgewerbetreibenden von deren Auftraggebern erbrachten Leistungen zur Sozialversicherung bei den Hausgewerbetreibenden Betriebseinnahmen und Sonderausgaben. Durch den vom FG zugelassenen Betriebsausgabenabzug würde eine Minderheit von Hausgewerbetreibenden in den Genuß einer Einkommensteuer- und Gewerbesteuerminderung kommen, welcher all denjenigen Hausgewerbetreibenden versagt bleiben müsse, für welche die Auftraggeber selbst die Beiträge entrichteten.
Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Der Kläger war im Streitjahr 1973 Hausgewerbetreibender i. S. des § 162 Abs. 1 und 2 RVO (i. d. F. vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl I, 3015). Er unterlag damit der Rentenversicherung der Arbeiter (§ 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RVO), obschon er im steuerrechtlichen Sinn Gewerbetreibender war. Die Beiträge waren je zur Hälfte zu tragen vom Kläger und von seinen Auftraggebern als den Arbeitgebern (§ 1385 Abs. 4 Buchst. a, § 162 Abs. 4 und 5 RVO). Die gesetzliche Verpflichtung, Beiträge zur Rentenversicherung abzuführen, oblag den Auftraggebern (§ 1396 Abs. 1, § 162 Abs. 4 RVO), und zwar sowohl hinsichtlich des Arbeitgeberanteils als auch des Arbeitnehmeranteils. Die Auftraggeber waren Schuldner des gesamten Betrages und hatten nach § 1385 Abs. 4 RVO den Arbeitgeberanteil auch wirtschaftlich zu tragen. Die Auftraggeber (Arbeitgeber) erfüllen damit eine eigene Verpflichtung (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. August 1968 VI R 124/67, BFHE 93, 304, BStBl II 1968, 800; vom 19. Oktober 1970 GrS 1/70, BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177; sowie das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil vom 20. Juli 1982 VIII R 143/77, m. w. N.). Sie blieben, wie in dem letztgenannten Urteil ausgeführt ist -- und wovon auch das FA in seiner Revisionsbegründung mit Recht ausgeht --, ungeachtet der Abführung von Beiträgen durch den Kläger gegenüber dem Versicherungsträger die gesetzlich Verpflichteten.
2. Zutreffend hat das FG die vom Kläger abgeführten Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen.
a) Für die Entscheidung ist davon auszugehen, daß dem Kläger in Gestalt der den Auftraggebern in Rechnung gestellten, um die Arbeitgeberanteile erhöhten Stückpreise Betriebseinnahmen zugeflossen sind. Durch die Art der Rechnungstellung vermehrte sich das Betriebsvermögen des Klägers entsprechend (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. Oktober 1977 I R 110/76, BFHE 123, 507, 512, BStBl II 1978, 137). Der Eigenschaft als Betriebseinnahme steht nicht entgegen, daß der Kläger nach § 1398 RVO von den Auftraggebern (Arbeitgebern) die Erstattung der Beträge beanspruchen konnte, welche er als Arbeitgeberanteile abgeführt hatte.
b) Die Abführung der Arbeitgeberanteile durch den Hausgewerbetreibenden stellt bei diesem eine Betriebsausgabe dar, weil er mit ihr eine gesetzliche Verpflichtung des Auftraggebers (Arbeitgebers) erfüllt und sich diese Leistung auf seine betrieblichen Rechtsbeziehungen zu dem Auftraggeber gründet. Hätte der Kläger die Arbeitgeberanteile nicht entrichtet und wären die Auftraggeber deshalb von dem Sozialversicherungsträger aufgrund ihrer fortbestehenden gesetzlichen Verpflichtung in Anspruch genommen worden, so hätte der Kläger diese Beträge den Auftraggebern erstatten müssen, und es könnte nicht zweifelhaft sein, daß diese Leistung eine Betriebsausgabe gewesen wäre.
Der Betriebsausgabenabzug kann nicht nach den Grundsätzen abgelehnt werden, welche die Rechtsprechung zur Behandlung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung eines Kommanditisten entwickelt hat (vgl. Beschluß in BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177; Urteile des erkennenden Senats vom 23. Mai 1979 I R 163/77, BFHE 128, 213, BStBl II 1979, 757, und I R 56/77, BFHE 128, 505, BStBl II 1979, 763). Dies hat der VIII. Senat in dem Urteil VIII R 143/77 näher begründet. Auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Die Sache liegt nach alledem auch anders als in den Fällen, in denen ein selbständig tätiger Steuerpflichtiger aufgrund seiner eigenen Rechtsbeziehungen zu einer Versorgungseinrichtung Beiträge an diese zahlt. In diesen Fällen können nach ständiger Rechtsprechung die Beiträge nur als Sonderausgaben abgezogen werden (vgl. BFH-Urteile vom 13. April 1972 IV R 88-89/69, BFHE 106, 32, BStBl II 1972, 730, und IV R 119/67, BFHE 106, 38, BStBl II 1972, 728).
c) Der Senat verkennt nicht, daß bei Sachverhaltsgestaltungen der vorliegenden Art wie auch in den in dem Urteil des VIII. Senats vom 20. Juli 1982 behandelten Fällen das steuerliche Ergebnis für den Hausgewerbetreibenden günstiger ist als nach der Verwaltungsregelung (BMF-Erlaß vom 28. Februar 1972), die den Normalfall betrifft, daß der Auftraggeber die Arbeitgeberanteile unmittelbar an den Sozialversicherungsträger abführt. Das FA weist insofern mit Recht darauf hin, daß die unterschiedliche Besteuerung dieser Sachverhalte unbefriedigend ist. Der Einwand ist jedoch nicht geeignet, die aus den angeführten Gründen bestehende Abzugsfähigkeit der vom Hausgewerbetreibenden abgeführten Arbeitgeberanteile in Frage zu stellen. Vielmehr wäre zu prüfen, ob im Hinblick auf die steuerliche Beurteilung der von dem VIII. Senat und vorliegend von dem erkennenden Senat entschiedenen Sachverhalte an der für den Regelfall -- unmittelbare Abführung der Arbeitgeberanteile durch die Auftraggeber -- von der Finanzverwaltung vertretenen Rechtsansicht festgehalten werden kann, daß die Arbeitgeberbeiträge zwar dem Hausgewerbetreibenden als Betriebseinnahmen zuzurechnen seien, nicht aber als Betriebsausgaben anerkannt werden könnten.
Fundstellen
Haufe-Index 74536 |
BStBl II 1983, 200 |