Leitsatz (amtlich)
Wer ein Wohngebäude in der Absicht erwirbt, es alsbald unter Aufgabe erheblicher Bausubstanz grundlegend umzubauen, und dieses dann innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb abreißen und einen Neubau errichten läßt, kann weder Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung noch die Aufwendungen für den Abbruch als Werbungskosten abziehen.
Normenkette
EStG 1974 § 7 Abs. 1 S. 4, Abs. 41 S. 3, §§ 9, 21, 21a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), die bei der Einkommensteuer zusammenveranlagt werden, erwarben mit Kaufvertrag vom 29. August 1973 ein 28,82 ar großes bebautes Grundstück am Ortsrand eines Dorfes außerhalb der Bebauungsgrenze. Das Grundstück war mit einem landwirtschaftlichen Gebäude, bestehend aus Wohnteil (1/3 - 2/5 des Gesamtgebäudes) und Stall, Scheune sowie einem freistehenden sog. Schopf bebaut. Der Kaufpreis betrug 147 796 DM, wovon 67 967 DM auf den Gebäudeteil entfielen. Nach Erteilung einer Abbruchgenehmigung im Juni 1974 ließen die Kläger das Anwesen nahezu völlig abreißen und dann an seiner Stelle ein Einfamilienhaus errichten, das im Jahre 1975 bezugsfertig wurde. Die Kläger hatten zunächst die Baugenehmigung für einen Umbau beantragt. In der beigefügten Baubeschreibung waren die Baukosten mit 320 000 DM angegeben. Auch die Baugenehmigung des Neubaus nennt als reine Baukosten einen Betrag von 320 000 DM. In den Akten der Baubehörde ist vielfach die Rede davon, daß der geplante Umbau nach Art und Umfang einem Neubau gleichkomme.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1974 machten die Kläger Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) in Höhe von 50 v. H. des Gebäuderestwerts (33 214 DM) sowie die Hälfte der Abbruchkosten in Höhe von 3 477 DM geltend. Das lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ab. Mit der Sprungklage beantragten die Kläger nunmehr den Abzug des gesamten Restwerts des Gebäudes und der Abbruchkosten von insgesamt 73 382 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach Zuziehung der Bauakten und Zeugenvernehmung ab. Ausgehend vom Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 ) gelangte es zum Ergebnis, die Kläger hätten beabsichtigt, die Gebäulichkeiten im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten nach ihren Bedürfnissen so wesentlich umzugestalten, daß dies einem Totalabriß gleichzusetzen sei. Hierfür spreche, daß die Kläger bei ihren Planungen für den Umbau wie den Neubau von der gleichen Höhe der reinen Baukosten ausgegangen seien und daß für den zunächst geplanten Umbau der Schopf, die Scheune, die Stallung, das Treppenhaus sowie der gesamte Dachaufbau hätte abgenommen werden müssen. Ferner sei es erforderlich gewesen, sämtliche Decken und Zwischenwände sowie wesentliche Teile der Außenmauer zu entfernen, so daß nur wenige geringwertige Teile der drei Außenwände des Wohnteils verblieben wären. Lediglich in den Außenmaßen hätte der in sich veränderte Baukörper noch dem alten Gebäude entsprochen.
Hiergegen richtet sich die Revision, welche die Verletzung materiellen Rechts, § 21 Abs. 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 7, § 7 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG), rügt. Mit dem Hauptvorbringen wird bemängelt, daß die Vorinstanz zu Unrecht von einer Abbruchabsicht der Kläger ausgegangen sei. Denn die Absicht, ein Gebäude abzureißen oder es umzubauen, schlösse sich denknotwendig aus. Die Kläger hätten, wie das FG selbst festgestellt habe, nur den Umbau des Gebäudes beabsichtigt. Der Umbau eines Gebäudes könne jedoch steuerrechtlich nicht einem Abbruch mit anschließendem Neubau gleichgesetzt werden. Auch die Abstellung des FG auf die geplanten Umbaukosten in Höhe von 320 000 DM (während die Neubaukosten in Wirklichkeit wesentlich mehr, nämlich 500 000 DM betragen hätten) sei nicht stichhaltig, weil die Erneuerung und Umgestaltung eines Gebäudes oft teurer sei als ein Abbruch mit anschließendem Neubau. Außerdem gebe es keine klaren Grenzen dafür, wann die Umgestaltung wirtschaftlich dem Abbruch eines Gebäudes gleichzusetzen sei. Auch ein Vergleich der Umgestaltungskosten mit dem Restwert des Gebäudes führe nicht weiter, weil z. B. die Kosten des Einbaus einer aufwendigen Heizungs- und Warmwasseranlage in ein altes Gebäude häufig dessen Restwert um ein Vielfaches überstiegen. Dasselbe gelte, wenn ein altes Ladengeschäft durch Anbau weiterer Verkaufsräume vergrößert und zugleich wesentlich modernisiert werde.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung den geänderten Einkommensteuerbescheid 1974 dahin gehend zu ändern, daß der zu versteuernde Einkommensbetrag von 143 297 DM auf 69 915 DM herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt es seit dem Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 für den Ansatz von AfaA und den Abzug der Abbruchkosten als sofort abziehbare Werbungskosten bei einem im Zeitpunkt des Erwerbs technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäude darauf an, daß dieses ohne Abbruchabsicht erworben wurde. Der Große Senat des BFH hat diese Rechtsansicht damit begründet, daß bei dem Erwerb eines Gebäudes ohne Abbruchabsicht Anschaffung und Herstellung allein dem Ziel der Nutzung durch den Betrieb oder durch Vermietung und Verpachtung dienten und deshalb bei dessen Anschaffung oder Herstellung noch kein Zusammenhang mit dem späteren Abbruch und dem damit verfolgten Zweck, nämlich der Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes, bestehe (Ausführungen unter D. II. 1. b). Demgegenüber werde bei einer bereits beim Erwerb des Gebäudes bestehenden Abbruchabsicht ein weiterreichendes Ziel, nämlich die Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes, verfolgt, woraus sich schon bei der Anschaffung ein unmittelbarer Zusammenhang der Anschaffungskosten mit den später beabsichtigten Maßnahmen ergebe (Ausführungen unter D. II. 2.), was zur Folge habe, den Restwert des Gebäudes und die Abbruchkosten den Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsgutes zuzurechnen.
Der erkennende Senat hält diese Rechtsgrundsätze auch auf die Fälle für anwendbar, bei denen beim Erwerb eines technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäudes nicht die Absicht einer Nutzung, sondern der Umgestaltung des Gebäudes unter nahezu völliger Aufgabe der vorhandenen Bausubstanz besteht. Denn auch hier besteht ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Aufgabe der wesentlichen Bausubstanz des erworbenen Gebäudes als Voraussetzung für die Errichtung des neuen Gebäudes.
Nach dem BFH-Urteil vom 28. Juni 1977 VIII R 115/73 (BFHE 122, 512, BStBl II 1977, 725 ) kann ein Umbau aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise einem Neubau gleichstehen, wenn das vorhandene Gebäude durch die Baumaßnahmen in seiner wesentlichen Substanz beeinträchtigt wird.
Daß hier beim Erwerb des Gebäudes die Absicht einer völligen Umgestaltung des Gebäudes unter der Aufgabe der wesentlichen Bausubstanz gegeben war, hat das FG festgestellt. Insoweit liegen auch keine durchgreifenden Verfahrensrügen vor. Das FG konnte daher aus der beabsichtigten Entfernung sämtlicher Decken und Zwischenwände sowie von Teilen der Außenwände bis auf geringwertige Teile der drei Außenwände sowie der Abnahme des angebauten Schopfes, der Scheune, der Stallung, des Treppenhauses sowie des gesamten Dachaufbaus zu dem Ergebnis gelangen, daß diese Veränderungen des Gebäudes einem Totalabriß gleichzusetzen seien.
Mit dieser Rechtsansicht stimmt der erkennende Senat mit der früheren Rechtsprechung überein, die eine Abbruchabsicht beim Erwerb eines Gebäudes auch dann bejaht hat, wenn der Erwerber den schlechten baulichen Zustand des Gebäudes kannte und für den Fall der Undurchführbarkeit des geplanten Umbaus den Abbruch des Gebäudes billigend in Kauf genommen hatte (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 1965 IV 61/62 U, BFHE 82, 207, BStBl III 1965, 320 , das durch die neuere Rechtsprechung insoweit nicht überholt ist).
Den Entscheidungsgründen des FG-Urteils läßt sich die Feststellung entnehmen, daß die Kläger mit dem Abriß des Gebäudes von vornherein gerechnet haben und auch mit dieser Maßnahme einverstanden waren.
Zum gleichen Ergebnis führt die Überlegung, daß auch die Aufwendungen der Kläger für den zunächst geplanten Umbau nicht zu sofort abziehbaren Werbungskosten, sondern zu Herstellungskosten geführt hätten. Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22. August 1966 GrS 2/66 (BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672 ) liegt in der Regel Herstellungsaufwand jedenfalls dann vor, wenn nach dem Erwerb eines Gebäudes im Verhältnis zum Kaufpreis hohe Aufwendungen auf das Gebäude gemacht werden, durch die das Wesen des Gebäudes verändert, der Nutzungswert erheblich erhöht oder die Nutzungsdauer erheblich verlängert wird. Diese Voraussetzungen wären, wie auch die Kläger einräumen, erfüllt gewesen, falls es zu dem beabsichtigten Umbau gekommen wäre. Die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der Bauaufwendungen kann aber nicht deshalb anders ausfallen, weil anstelle des beabsichtigten Umbaus die Errichtung eines Neubaus nach Abbruch des erworbenen Gebäudes möglich wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 426096 |
BStBl II 1985, 208 |
BFHE 1985, 477 |