Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Lehnt eine Behörde es allgemein ab, ihren Bediensteten die Kosten eines doppelten Haushalts und eines Umzugs bei einer beruflichen Versetzung zu erstatten, so können die durch die Versetzung entstehenden Ausgaben Werbungskosten sein.
Normenkette
EStG §§ 9, 12 Nr. 1; LStDV § 20/2/3
Tatbestand
Der Bg. wohnte mit seiner Familie in einer kleinen Gemeinde, wo er seit dem Jahre 1948 Lehrer war. Durch das Mitteilungsblatt "Amtlicher Schulanzeiger für den Reg.-Bez. Oberpfalz" 1961 Nr. 3 vom 1. März 1961 wurden unter "Dienstnachrichten" Stellen für Lehrer in einer Großstadt des Bezirks ausgeschrieben; die Lehrer sollten Ausbildungsklassen der pädagogischen Hochschule in dieser Stadt übernehmen. Die Bewerber mußten mit der Hauptnote II in beiden Prüfungen und mit "erheblich über Durchschnitt" dienstlich beurteilt sein. Der Bg. bewarb sich um diese Stelle und gab die Erklärung ab, daß er für den Fall der Versetzung auf Umzugskosten-Vergütung und Trennungsentschädigung verzichte. Diese Verzichtserklärung verlangt die Regierung der Oberpfalz allgemein, wenn sich Lehrer "aus persönlichen Gründen" bewerben, gleichgültig, ob die Stelle ausgeschrieben ist oder nicht. Umzugskostenvergütung und Trennungsentschädigung wird nur gewährt bei Versetzungen aus zwingenden persönlichen oder aus dienstlichen Gründen, wobei als dienstliche Gründe nur die Versetzung auf Beförderungsposten oder die zwangsweise Versetzung anerkannt wird. Auf seine Bewerbung hin wurde der Bg. zum 1. August 1961 in die Großstadt versetzt. Am 15. Oktober 1962 verlegte er auch seinen Familienwohnsitz dorthin. Im Jahre 1963 wurde er zum Oberlehrer befördert.
Im Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1962 beantragte der Bg., die Mehraufwendungen für den doppelten Haushalt und die Kosten für 36 Familienheimfahrten mit 4.316 DM als Werbungskosten abzusetzen. Ferner machte er die Kosten des Umzugs in die Großstadt mit 1,929 DM als außergewöhnliche Belastung geltend.
Das Finanzamt erkannte als Werbungskosten nur 749 DM an, und zwar die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Es nahm an, der Bg. habe aus nicht zwingenden persönlichen Gründen einen doppelten Haushalt geführt. Die Ausgaben seien nicht dienstlich veranlaßt gewesen, da der Bg. sie andernfalls von seiner Behörde ersetzt bekommen hätte. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt und führte aus: öffentliche Dienstherren ersetzten zwar im allgemeinen ihren Bediensteten die dienstlich veranlaßten Ausgaben. Einen Grundsatz, daß nicht ersetzte Ausgaben aber ohne weiteres keine Werbungskosten seien, gebe es indessen nicht. Der Umzug des Bg. sei ganz überwiegend durch seinen Beruf veranlaßt worden. Dafür spreche die Ausschreibung der Stelle, die angeordnete Versetzung und die Tatsache, daß der Bg. eine Stelle als Ausbildungsleiter an der pädagogischen Hochschule erhalten habe. Deshalb seien die Kosten des doppelten Haushalts mit 2.593 DM (725 DM Zimmermiete, 1.760 DM Mehraufwand für Verpflegung an 176 Arbeitstagen und 108 DM Kosten für 18 Familienheimfahrten) sowie die Umzugskosten im Rahmen des öffentlichen Umzugskostenrechts mit 715 DM Werbungskosten.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt unrichtige Anwendung der §§ 9 und 12 Ziff. 1 EStG. Er ist der Auffassung, der Bg. habe sich aus persönlichen Gründen um die neue Stelle beworben und habe auf den Ersatz der Kosten verzichtet. Die Behörde und der Bg. seien sich somit einig gewesen, daß der Antrag auf Versetzung aus persönlichen Gründen gestellt sei. Verzichte aber ein Beamter auf die Erstattung seiner Mehraufwendungen durch die Behörde oder mache er geltend, daß ihm dienstliche Ausgaben nicht ersetzt worden seien, so sei anzunehmen, daß die nicht ersetzten Ausgaben Kosten der persönlichen Lebensführung im Sinne des § 12 Ziff. 1 EStG gewesen seien.
Entscheidungsgründe
Die Rb. konnte keinen Erfolg haben.
Zu Recht hat das Finanzgericht die durch die Versetzung entstandenen Kosten des doppelten Haushalts und des Umzugs dem Grunde und der Höhe nach als Werbungskosten anerkannt. Diese Ausgaben waren durch das Dienstverhältnis veranlaßt, wie § 9 EStG (ß 20 Abs. 2 LStDV) voraussetzt. Die dienstliche Veranlassung ergibt sich aus den Feststellungen des Finanzgerichts, daß die Stelle amtlich ausgeschrieben war, der Bewerber besondere Bedingungen erfüllen mußte, der Bg. auf Grund seiner Bewerbung in diese Stelle eingewiesen, und nach kurzer Zeit befördert wurde.
Die dagegen erhobenen Bedenken des Finanzamts greifen nicht durch. Der Senat hat zwar für die Reisekosten der öffentlich-rechtlichen Bediensteten wiederholt ausgesprochen, daß Mehrausgaben keine Werbungskosten sind, wenn der Arbeitnehmer von seiner Behörde keinen Ersatz erhält. Diese Rechtsprechung betrifft aber Fälle, in denen die Behörde auf Grund eines Gesetzes oder einer Tarifordnung Ersatz gewähren kann, und grundsätzlich auch gewähren will, aber nach Prüfung des Falles die Erstattung ablehnt, weil sie die dienstliche Veranlassung der Aufwendungen nicht anerkennt (siehe zuletzt Urteil des Senats VI 264/62 S vom 22. November 1963, BStBl 1964 III S. 141, Slg. Bd. 78 S. 364; ferner Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort: "Werbungskosten" Anm. 5). So liegt aber der Streitfall nicht. Die ausschließlich dienstliche Veranlassung der Ausgaben steht außer Zweifel. Die Behörde hat sich dadurch, daß sie sich im voraus eine Verzichtserklärung geben ließ, allgemein der Prüfung entzogen, inwieweit die Ausgaben dienstlich veranlaßt waren. Der Bg. erhält von seiner Behörde also nur deshalb keinen Ersatz seiner Ausgaben, weil sich die Behörde allgemein zur Erstattung nicht für verpflichtet hält.
Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht zutreffend die ihm bekannte Rechtsprechung des Senats über die Behandlung von Reise- und Umzugskosten bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes hier nicht angewandt, sondern hat ohne Rechtsirrtum anerkannt, daß die dem Bg. entstandenen Ausgaben Werbungskosten waren. Auch gegen die Höhe der abgesetzten Werbungskosten bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Fundstellen
Haufe-Index 411536 |
BStBl III 1965, 228 |
BFHE 1965, 632 |
BFHE 81, 632 |