Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wiederkehrende Erbschaftsteuerzahlungen im Sinn von § 33 ErbStG in der Fassung vom 30. Juni 1951 für eine durch ein Vermächtnis erworbene lebenslängliche Leibrente sind für den Vermächtnisnehmer dauernde Lasten gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG.
Solche Zahlungen sind auch nach der einkommensteuerrechtlichen Neuregelung der Rentenbesteuerung im Jahre 1955 in voller Höhe als Sonderausgaben abzugsfähig.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1
Tatbestand
Die im Jahre 1887 geborene Bfin. bezieht seit dem 1. Oktober 1958 auf Grund eines Vermächtnisses eine Rente von jährlich 13.422 DM. Sie hat von der Möglichkeit des § 33 ErbStG in der Fassung vom 30. Juni 1951 Gebrauch gemacht, die Erbschaftsteuer statt nach dem Kapitalwert der Rente für jedes Jahr nach den jährlichen Rentenleistungen zu entrichten. Sie hat danach jährlich 2.013,30 DM an Erbschaftsteuer zu zahlen. Im Jahre 1959 hat sie den für 1958 rückständigen und den für 1959 geschuldeten Betrag entrichtet, insgesamt also 4.026,60 DM. Das Finanzamt hat bei der Einkommensteuerveranlagung der Bfin. für 1959 den Ertragsanteil der Vermächtnisrente nach dem Alter der Bfin. mit 15 v. H. als Einkünfte gemäß § 22 EStG zugrunde gelegt und entsprechend auch nur 15 v. H. der gezahlten Erbschaftsteuer (604 DM) als Sonderausgaben abgezogen. Der Einspruch und die Berufung der Bfin. hiergegen hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht hat ausgeführt: Die nach § 33 ErbStG 1951 verteilte Erbschaftsteuer sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 79/55 U vom 15. November 1957 (BStBl 1958 III S. 103, Slg. Bd. 56 S. 262) eine dauernde Last im Sinne von § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG. Dieses Urteil habe aber für den Streitfall keine Bedeutung. Es betreffe nämlich keine Rente, sondern einen durch Vermächtnis angeordneten Nießbrauch. Außerdem komme infolge der änderung der Rentenbesteuerung seit 1955 eine doppelte Belastung der durch Erbgang erworbenen Renten mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer nicht mehr vor. Für die Zeit nach der änderung der Rentenbesteuerung sei dem angeführten Urteil VI 79/55 U (a. a. O.) daher nicht mehr zu folgen. Seitdem bei der Einkommensteuer nur noch der Ertragsanteil der Renten besteuert werde, sei es auch nicht mehr möglich, daß die Einkommensteuer und die Erbschaftsteuer zusammen höher seien als die Rente, wie es in dem damals entschiedenen Fall gewesen sei. Außerdem treffe es nicht zu, wie in jenem Urteil ausgeführt sei, daß die nach § 33 ErbStG entrichtete Erbschaftsteuer nicht auf den Kapitalwert der Erbmasse gezahlt werde, und daß sie dadurch zu einer dauernden Last im Sinne von § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG werde. Auch die nach § 33 ErbStG geleisteten Zahlungen seien Erbschaftsteuer. Schließlich komme der Abzug einer dauernden Last nur in Betracht, soweit sie nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehe, die bei der Einkommensbesteuerung außer Betracht blieben. Der in der Vermächtnisrente enthaltene Kapitalzufluß unterliege aber nicht der Einkommensteuer.
Die Bfin. wendet sich mit ihrer Rb. gegen die rechtliche Beurteilung des Finanzgerichts, insbesondere dagegen, daß der Anteil der Erbschaftsteuerzahlung, der auf das bei der Einkommensteuer nicht erfaßte Rentenstammrecht entfalle, bei der Einkommensteuer nicht abzugsfähig sei. Das Finanzgericht habe nicht beachtet, daß die wörtliche Anwendung des Gesetzes zu einem unbefriedigenden Ergebnis führe. Dauernde Lasten seien unbeschränkt abzugsfähig. Die verrentete Erbschaftsteuer habe durch die Neuregelung der Rentenbesteuerung seit 1955 den Charakter der dauernden Last nicht verloren. Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1 EStG seien auch dauernde Lasten nur abzugsfähig, soweit sie nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang ständen, die bei der Einkommensteuerveranlagung außer Betracht blieben. Der nicht zur Einkommensteuer herangezogene Betrag der Rente sei ein Vermögensrückfluß, der kein Einkommen darstelle und deshalb bei der Einkommensteuer auch nicht erfaßt werde. Derartige Vermögensrückflüsse gehörten nicht zu den Einkünften der in § 2 EStG aufgeführten sieben Einkunftsarten. Der Gesetzeswortlaut sei so eindeutig, daß die einschränkende Auslegung des Finanzgerichts unzulässig sei und gegen die in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entwickelten Grundsätze der Auslegung von Gesetzen verstoße.
Entscheidungsgründe
Die Rb. gegen das in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1964 S. 167 veröffentlichte Urteil des Finanzgerichts führt zu dessen Aufhebung und auch zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung.
Der Reichsfinanzhof hat im Urteil VI A 582/35 vom 14. August 1935 (RStBl 1935 S. 1946, Slg. Bd. 38 S. 159) bei einer Vermächtnisrente die nach § 33 ErbStG entrichteten jährlichen Erbschaftsteuerzahlungen als Sonderausgaben anerkannt. Der Senat hat sich dieser Auffassung im Urteil VI 79/55 U (a. a. O.) angeschlossen. Daß die nach § 33 ErbStG geleisteten Erbschaftsteuerzahlungen damals einen durch Todesfall erworbenen lebenslänglichen Nießbrauch betrafen, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Dem Finanzgericht ist darin zu folgen, daß die jenem Urteil zugrunde liegenden Erwägungen wegen der Neuregelung der Besteuerung von Renten nicht mehr ohne weiteres maßgebend sind. Während damals die wiederkehrenden Bezüge in voller Höhe nach Abzug der Werbungskosten der Einkommensteuer unterlagen, ist nach der seit 1955 geltenden Regelung der Rentenbesteuerung nach § 22 Ziff. 1 EStG nur noch der Ertragsanteil der Renten zur Einkommensteuer heranzuziehen. Dadurch können die Erbschaftsteuer und die Einkommensteuer zusammen nicht mehr höher sein als die der Erbschaftsteuer unterliegenden Einnahmen.
Wenn danach die damals angestellten wirtschaftlichen überlegungen also nicht mehr herangezogen werden können, so hat doch die änderung der Rentenbesteuerung am Sonderausgabencharakter der nach § 33 ErbStG entrichteten Erbschaftsteuerzahlungen nichts geändert. Wie im Urteil VI 79/55 U (a. a. O.) ausgeführt wurde, ist die nach § 33 ErbStG entrichtete Erbschaftsteuer keine Teilzahlung der ursprünglichen Erbschaftsteuerschuld, sondern eine weitgehend auf die jährlichen Zahlungen abgestellte Steuerleistung. Auf diese Weise wird die Zahlung der Erbschaftsteuer eng an die jährlich anfallenden Rentenleistungen geknüpft. Die nach § 33 ErbStG geleisteten Beträge erscheinen dadurch nicht mehr ausschließlich als Vermögensabgabe, sondern rücken in den Bereich des Einkommens, da sie wirtschaftlich als Minderung der aus der Erbschaft fließenden Renteneinnahmen scheinen. Es handelt sich dabei um Geldaufwendungen, die die Bfin. für längere Zeit gegenüber dem Finanzamt zu erbringen hat, ohne daß sie Früchte eines einheitlichen Stammrechts sind (Urteil des Senats VI 105/61 U vom 29. März 1962, BStBl 1961 III S. 304, Slg. Bd. 75 S. 96); denn die durch den Erbfall entstandene Verpflichtung der Bfin. zur Bezahlung von Erbschaftsteuer ist kein Stammrecht in diesem Sinn.
Der Senat hält daher daran fest, daß Erbschaftsteuerzahlungen, die nach § 33 ErbStG für im Erbwege erworbene Renten entrichtet werden, eine dauernde Last im Sinn von § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG sind. Zweifelhaft ist jedoch nach der Neuregelung der Rentenbesteuerung seit 1955 , ob diese Erbschaftsteuerzahlungen in voller Höhe oder nur teilweise als Sonderausgaben abzugsfähig sind, weil nur noch ein Teil der Renten der Einkommensteuer unterliegt.
Das Finanzgericht ist in der Vorentscheidung dem Finanzamt gefolgt und hat nur einen Teil zum Abzug zugelassen. Der Senat tritt dieser Beurteilung nicht bei. Seit dem Jahre 1955 sind Leibrenten bei dem Empfänger nach § 22 Ziff. 1 EStG aufzuteilen in den der Einkommensteuer unterliegenden Ertragsanteil und die nicht steuerpflichtige Kapitalzahlung, wobei die Höhe beider Teile von der voraussichtlichen Laufzeit der Rente abhängt. Die Regelung beruht auf der Erwägung, daß die auf Grund eines Rentenstammrechts geleisteten Beträge sich zusammensetzen aus einer Kapitalzahlung durch die das Rentenstammrecht allmählich verbraucht wird, und einem Zinsanteil. Nach dem Wortlaut des § 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG 1955 ff. gehört nur der Ertragsanteil zu den Einkünften im Sinn dieser Vorschrift. Die aus dem Kapital des Rentenstammrechts zufließenden Zahlungen unterliegen, wenn es sich um eine Rente nach § 22 Ziff. 1 EStG handelt, nicht der Einkommensteuer, da sie weder nach dieser noch nach einer anderen Vorschrift des EStG zu den Einkünften im Sinn von § 2 Abs. 3 EStG gehören.
Der Gesetzgeber ist bei der Neuregelung der Rentenbesteuerung ab 1955 offenbar von entgeltlich erworbenen Leibrenten ausgegangen. Da in § 22 Ziff. 1 EStG jedoch zwischen entgeltlich und unentgeltlich erworbenen Leibrenten nicht unterschieden wird, können unentgeltlich erworbene Leibrenten, wie die der Bfin. durch Vermächtnis zugewendete, nicht anders behandelt werden, als es § 22 Ziff. 1 EStG für Leibrenten schlechthin anordnet (Urteil des Senats VI 284/58 U vom 7. August 1959, BStBl 1959 III S. 463, Slg. Bd. 69 S. 542). Auch bei ihnen ist daher hinsichtlich des Teils des Rentenabzugs, der nicht Ertragsanteil ist, eine auf dem Gebiet des Vermögens liegende Zuwendung zu unterstellen.
Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß für den Teil der Erbschaftsteuerzahlungen, der auf diesen Kapitalanteil der Rente entfällt, § 10 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG eingreift, der den Abzug von dauernden Lasten als Sonderausgaben dann ausschließt, wenn es sich um solche Aufwendungen handelt, die mit Einkünften in wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, die bei der Einkommensteuerveranlagung außer Betracht bleiben. Der Senat hat im Grundsatzurteil VI 26/62 S vom 27. November 1964 (BStBl 1965 III S. 164) entschieden, daß Einkünfte in diesem Sinn nur solche sind, die zu einer der sieben Einkunftsarten in § 2 Abs. 3 EStG gehören. Das ist nicht der Fall bei dem Kapitalanteil der Rentenbezüge der Bfin., die nach den obigen Ausführungen dem Bereich des Vermögens zuzurechnen sind. Die Einschränkung des Sonderausgabenabzugs in § 10 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1 EStG greift demnach nicht ein. Da auch hinsichtlich des auf den Ertragsanteil der Rente entfallenden Teilbetrags der nach § 33 ErbStG entrichteten Erbschaftsteuerzahlungen die Voraussetzungen für den Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG erfüllt sind - wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben -, kann die Bfin. die von ihr gezahlte Erbschaftsteuer in vollem Umfang als Sonderausgabe abziehen.
Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß im Streitjahr außer dem für 1959 geschuldeten Erbschaftsteuerbetrag auch der für 1958 gezahlte nach § 11 EStG berücksichtigt wird, das diese Zahlung ebenfalls im Jahre 1959 geleistet wurde.
Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung, die den Sachverhalt rechtlich anders gewürdigt haben, werden aufgehoben und die Sache zur Steuerberechnung an das Finanzamt zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 411607 |
BStBl III 1965, 360 |
BFHE 1965, 315 |
BFHE 82, 315 |