Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Abschlag wegen hoher Rendite bei der Anteilsbewertung im Stuttgarter Verfahren
Leitsatz (NV)
Bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes im Stuttgarter Verfahren ist ein Abschlag nach Abschn. 78 Abs. 2 VStR (bis 1989) -- ab VStR 1993 Abschn. 7 Abs. 2 -- nicht schon dadurch gerechtfertigt, daß die Kapitalgesellschaft hohe Erträge erwirtschaftet. Vielmehr muß feststehen, daß die Erträge ausschließlich und unmittelbar von der persönlichen Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängig sind. Das ist nicht der Fall, wenn eine Gesellschaft, die Beratung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung betreibt, auch andere weitgehend hochqualifizierte Fachkräfte beschäftigt.
Normenkette
BewG § 11 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit einem Stammkapital von 20 000 DM, von dem am Bewertungsstichtag 31. Dezember 1979 5 000 DM eingezahlt waren. Die Klägerin betreibt Beratung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung (DV). Sie entwickelt und vertreibt DV- Trainingskonzepte, stellt DV-Publikationen her und vertreibt diese, konzipiert und organisiert Seminare, Tagungen und Kongresse auf dem Gebiet der angewandten Informatik und betreibt DV-Personalberatung und Marktbeobachtung. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin war am 31. Dezember 1979 der Beigeladene X; Prokuristin war dessen Ehefrau.
Nach einer Betriebsprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) den aufgrund der Erklärung der Klägerin zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts der Anteile auf den 31. Dezember 1979 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgestellten Anteilswert von 1 134 DM je 100 DM Stammkapital durch Änderungsbescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FA folgte den Feststellungen des Prüfers, der im sog. Stuttgarter Verfahren gemäß Abschn. 76 f. der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1980 -- ausgehend von einem Betriebsvermögen von ... DM und einem Vermögenswert von 1 780 v. H. sowie einem Durchschnitts ertrag der Jahre 1977 bis 1979 von ... DM und einem Ertragshundertsatz von 1 243 v. H. -- den gemeinen Wert je 100 DM Stammkapital auf 5 199 DM errechnet hatte. Dabei vertrat das FA die Auffassung, daß bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes kein Abschlag nach Abschn. 78 Abs. 2 VStR gewährt werden könne, da ein größeres Betriebskapital eingesetzt sei und die Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers angemessen vergütet werde.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage beantragte die Klägerin, bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes lediglich einen Durchschnittsertrag von 10 v. H. des Einheitswerts ihres Betriebsvermögens zugrunde zu legen und den gemeinen Wert ihrer Anteile dementsprechend in Höhe von 1 635 DM je 100 DM Stammkapital festzustellen.
Das Finanzgericht (FG), das den Gesellschafter X zum Verfahren beigeladen hat, wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 712 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes kein Abschlag nach Abschn. 78 Abs. 2 VStR gerechtfertigt. Einen freien Beruf oder eine ausschließlich auf die persönliche Leistung des Inhabers abgestellte Tätigkeit in der Art eines freien Berufes übe die Klägerin nicht aus, auch wenn die Klägerin teilweise auf dem Gebiet der Unternehmensberatung tätig sei. Im Geschäftsbetrieb der Klägerin seien neben dem Alleingesellschafter auch mehrere andere, weitgehend hochqualifizierte Fachkräfte beschäftigt. Der Geschäftsbetrieb der Klägerin hänge folglich nicht ausschließlich vom persönlichen Arbeitseinsatz und der Qualifikation des Gesellschafter-Geschäftsführers ab. Im übrigen seien dessen Leistungen durch die vereinbarten, angemessenen Vergütungen bereits abgegolten.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes -- BewG --). Zur Begründung trägt die Klägerin im wesentlichen vor, daß es -- entgegen der Auffassung des FG -- nahezu ausgeschlossen sei, die vom Gesellschafter-Geschäftsführer geleistete Tätigkeit durch einen entsprechend qualifizierten fremden Geschäftsführer mit gleichem Erfolg ausführen zu lassen. Ein gedachter Erwerber werde die von ihm zu erbringende persönliche Leistung bei der Anteilsbewertung wertmindernd berücksichtigen. Nur die auf objektiven Größen, wie z. B. der Organisation, beruhende Ertragskraft könne in den Unternehmenswert einfließen. Die Bewertung der Anteile auf den 31. Dezember 1979 ohne einen Abschlag nach Abschn. 78 Abs. 2 VStR für den persönlichen Leistungsanteil würde dazu führen, daß der Vermögensteuer Werte unterlägen, die von einem möglichen Erwerber der Anteile nicht gezahlt würden.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den gemeinen Wert der Anteile mit 1 635 DM je 100 DM Stammkapital festzusetzen. Hilfsweise beantragt sie, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit dieses unter Berücksichtigung eines Abschlages von 30 v. H. vom Jahresertrag den Ertragshundertsatz und damit den gemeinen Wert der Anteile auf den 31. Dezember 1979 anderweitig feststellt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin durch den vom FA auf den 31. Dezember 1979 festgestellten gemeinen Wert der Anteile nicht in ihren Rechten verletzt ist.
Die Anteile an der Klägerin, für die, da es sich um eine GmbH handelt, kein Kurswert vorliegt, sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Gesetzliche Grundlage für die Feststellung des gemeinen Werts zum Bewertungsstichtag 31. Dezember 1979 ist § 11 Abs. 2 BewG i. d. F. der Bekanntmachung vom 26. September 1974 (BGBl I 1974, 2369, BStBl I 1974, 862). Danach ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen, wenn -- wie im Streitfall -- zeitnahe Verkäufe fehlen, aus denen der gemeine Wert abgeleitet werden könnte. Diese Schätzung erfolgt im Interesse einer möglichst gleichmäßigen und praktikablen Wertermittlung nach dem in Abschn. 76 f. VStR -- hier VStR 1980 -- geregelten Stuttgarter Verfahren. Nach dieser Bewertungsmethode ist maßgebende Größe der Vermögenswert (Abschn. 77 VStR), der aufgrund der Ertragsaussichten (Abschn. 78 VStR) korrigiert wird. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in ständiger Rechtsprechung das Stuttgarter Verfahren (vgl. Abschn. 76 f. bis einschließlich VStR 1989) als ein geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt, von dem mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur abgewichen werden könne, wenn es im Ausnahmefall zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (s. Senatsurteil vom 13. April 1994 II R 57/90, BFHE 174, 177, BStBl II 1994, 505, 507 m. w. N.). Gründe für eine vom Regelverfahren abweichende Schätzung des gemeinen Werts liegen im Streitfall nicht vor.
a) Der vom FG der Schätzung nach Abschn. 77 VStR zugrunde gelegte, auf den Feststellungen des Betriebsprüfers beruhende Vermögenswert ist zwischen den Beteiligten unstreitig und läßt keine Fehler erkennen. Aber auch soweit das FG den vom FA nach Abschn. 78 VStR ermittelten Ertragshundertsatz als rechtmäßig bestätigt hat, verstößt die angefochtene Entscheidung nicht gegen § 11 Abs. 2 BewG. Der vom FG der Schätzung des voraussichtlichen künftigen Jahresertrags zugrunde gelegte, in den Jahren 1977 bis 1979 tatsächlich erzielte Durchschnittsertrag beruht auf dem von der Klägerin im Klageverfahren nicht detailliert angegriffenen Zahlenmaterial nach Maßgabe der Feststellungen und Berechnungen im Betriebsprüfungsbericht; auch im Revisionsverfahren hat die Klägerin gegen die Berechnung des Durchschnittsertrags als solche keine revisionsrechtlich erheblichen Rügen erhoben.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen keine Gründe vor, die es rechtfertigen, bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes nicht -- wie es Abschn. 78 Abs. 1 VStR vorsieht -- von den Betriebsergebnissen der letzten drei Jahre vor dem Stichtag auszugehen, sondern statt dessen lediglich einen Durchschnittsertrag in Höhe von 10 v. H. des Einheitswerts des Betriebsvermögens zugrunde zu legen. Denn Ziel der Anteilsbewertung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG im Wege der Schätzung ist es nicht, einen fiktiven Wert aufgrund einer als angemessen angesehenen Verzinsung des Vermögens der Gesellschaft zu ermitteln, sondern den gemeinen Wert der Anteile der Gesellschaft unter Berücksichtigung der tatsächlichen Ertragsaussichten dieser Gesellschaft zu finden. Anderenfalls diente die individuelle Ertragssituation nicht mehr in dem vom Stuttgarter Verfahren vorgegebenen Maße der Korrektur des Vermögenswerts.
c) Zu Recht hat es die Vorinstanz daher auch abgelehnt, von dem gemäß Abschn. 78 Abs. 1 VStR geschätzten Jahresertrag einen Abschlag bis zu dem von der Klägerin geltend gemachten Durchschnittsertrag in Höhe von 10 v. H. des Einheitswerts des Betriebsvermögens zu gewähren.
Von dem zur Ermittlung des Ertragshundertsatzes zu schätzenden nachhaltig erzielbaren Jahresertrag kann nach Abschn. 78 Abs. 2 VStR 1980 "ein Abschlag bei Kapitalgesellschaften gemacht werden, bei denen ohne Einsatz eines größeren Betriebskapitals ... der Ertrag ausschließlich und unmittelbar von der persönlichen Tätigkeit der Gesellschafter-Geschäftsführer abhängig ist".
Zu Unrecht geht die Klägerin davon aus, daß die Voraussetzungen für einen derartigen Abschlag im Streitfall erfüllt seien. Ein Abschlag ist nicht schon dadurch gerechtfertigt, daß die Klägerin hohe Erträge erwirtschaftet. Denn eine allgemeine Korrektur besonders hoher Ertragsaussichten entspricht nicht dem System des Stuttgarter Verfahrens (s. Senatsurteil vom 23. April 1986 II R 215/83, BFHE 146, 467, BStBl II 1986, 594). Vielmehr muß vor allem feststehen, daß diese Erträge "ausschließlich und unmittelbar" von der persönlichen Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängig sind (vgl. hierzu Senatsurteil vom 18. August 1993 II R 102/90, BFHE 172, 219, BStBl II 1994, 9).
Soweit die Vorinstanz diese Voraussetzungen für den Streitfall verneint hat, weil die Klägerin keine ausschließlich auf die persönliche Leistung des Gesellschafter-Geschäftsführers abgestellte Tätigkeit in der Art eines freien Berufs erbracht habe, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vom FG gezogene Schlußfolgerung tatsächlicher Art, es lasse sich nicht feststellen, daß die von der Klägerin erzielten Erträge ähnlich wie bei einem freien Beruf allein von der Person des Gesellschafter-Geschäftsführers abgehangen habe, da die Klägerin auch mehrere andere, weitgehend hochqualifizierte Fachkräfte beschäftigt habe, begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken. Der Senat ist an die Würdigung der festgestellten Tatsachen durch das FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO); die Klägerin hat insoweit keine Revisionsgründe vorgebracht.
Auch soweit die Vorinstanz einen Abschlag vom Jahresertrag nach Abschn. 78 Abs. 2 VStR deshalb versagt hat, weil die Leistungen des Gesellschafter-Geschäftsführers für die Klägerin durch die vereinbarten und ausgezahlten hohen Vergütungen angemessen abgegolten seien, so daß die Ergebnisse der Klägerin bereits entsprechend gemindert wurden, ist die angegriffene Entscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Wie das FG zutreffend dargelegt hat, gilt dies unabhängig davon, daß der Wortlaut des Abschn. 78 Abs. 2 Satz 1 VStR insoweit erst durch die VStR 1983 entsprechend klargestellt wurde. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf es deshalb wegen der persönlichen Leistung des Gesellschafter-Geschäftsführers keiner zusätzlichen Korrektur des Ertragswertes.
Fundstellen
Haufe-Index 420684 |
BFH/NV 1995, 864 |