Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug; Bestimmung des leistenden Unternehmers
Leitsatz (NV)
- Ob eine Leistung umsatzsteuerrechtlich dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde bei Ausführung der Leistung gegenüber dem Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen aufgetreten ist.
- Dazu sind vom FA bzw. vom FG die dem Leistungsaustausch zugrunde liegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen und das Auftreten des Handelnden nach außen festzustellen.
- Von Bedeutung ist auch, ob und von wem die Leistung umsatzversteuert worden ist.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 14 Abs. 5 S. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; BGB § 164
Verfahrensgang
FG des Saarlandes (EFG 2000, 331) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist ein Dienstleistungsbetrieb für Ausbein- und Zerlegearbeiten. Sie erhält ihre Aufträge von Fleischwarenfabriken, Zerlegebetrieben, privaten und kommunalen Schlachthöfen sowie von Ausbeinern bzw. Ausbeinerkolonnen.
Die Klägerin arbeitete in den Streitjahren 1989 bis 1991 mit einer Vielzahl von Ausbeinern und Zerlegern zusammen. Diese wurden von der Klägerin als selbständige Unternehmer behandelt, wenn sie eine Gewerbeanmeldung bzw. einen Gewerbeschein der jeweils örtlich zuständigen Kommune und eine Bescheinigung des örtlich zuständigen Finanzamts über ihre steuerliche Erfassung vorlegten. Ausnahmsweise wurden auch Arbeitnehmer beschäftigt. Die Arbeiten wurden in Kolonnen ausgeführt, denen jeweils ein Kolonnenführer vorstand. Die Vergütung der Ausbeiner und Zerleger erfolgte leistungsbezogen nach Gewicht bzw. Stückzahl. Der Kolonnenführer erhielt in der Regel zudem eine umsatzbezogene Vergütung.
Über die ausgeführten Leistungen rechnete die Klägerin wöchentlich im Gutschriftsverfahren ab. Empfänger der Gutschriften und der Zahlungen waren in 12 Fällen nicht die Ausbeiner und Zerleger selbst, sondern andere Personen (Ehefrauen, Freundinnen oder Bekannte). Dies geschah nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG), "weil die Ausbeiner und Zerleger selbst aus unterschiedlichen Gründen abrechnungstechnisch nicht in Erscheinung treten wollten".
In diesen Fällen versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) im Anschluss an eine Außenprüfung den Vorsteuerabzug, weil die Gutschriftenempfänger keine Leistungen an die Klägerin erbracht hätten.
Der Einspruch der Klägerin gegen die entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide für 1989 bis 1991 vom 17. November 1995 blieb erfolglos. Dagegen hatte die Klage der Klägerin Erfolg.
Das FG kam zu dem Ergebnis, der Vorsteuerabzug sei berechtigt. Die Leistungsverhältnisse stellten sich wie folgt dar: Die Klägerin habe als Unternehmer die Ausbein- und Zerlegearbeiten gegenüber ihren Auftraggebern erbracht, indem sie die Gutschriftenempfänger als Subunternehmer eingeschaltet habe, die ihrerseits die fraglichen Leistungen durch den jeweiligen Ausbeiner bzw. Zerleger (ggf. als Subunternehmer oder Arbeitnehmer) erbracht hätten.
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 331 veröffentlicht.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Im Streitfall seien die streitigen Leistungen an die Klägerin ausschließlich von den Ausbeinern und Zerlegern erbracht worden, nicht von den Gutschriftenempfängern.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin tritt dem Revisionsvorbringen entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG hat keine hinreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen, um beurteilen zu können, wer im Streitfall umsatzsteuerrechtlich Leistender war.
1. Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980/1991 (UStG) die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Als Rechnung gilt auch eine Gutschrift, mit der ein Unternehmer über eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, die an ihn ausgeführt wird (§ 14 Abs. 5 Satz 1 UStG). Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche, d.h. nachhaltige Umsatztätigkeit selbständig ausübt (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 10. April 1997 V R 17/94, BFH/NV 1997, 719).
a) Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen grundsätzlich identisch sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628, m.w.N.). Bei Abrechnungen durch Gutschrift ―wie im Streitfall― muss diese dem leistenden Unternehmen als Empfänger zugeleitet werden.
b) Regelmäßig ergibt sich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628; vom 30. September 1999 V R 8/99, BFH/NV 2000, 353; BFH-Beschluss vom 9. November 1999 V B 16/99, BFH/NV 2000, 611).
2. Das FG hat seine Auffassung, die Gutschriftenempfänger hätten die streitigen Leistungen an die Klägerin erbracht, wie folgt begründet:
Im Entscheidungsfall hätten die Ausbeiner und Zerleger, die jeweils in den Schlachthöfen und sonstigen Produktionsstätten in eigener Person tätig geworden seien, ihre Leistungen über die Gutschriftenempfänger abrechnen lassen.
Der Senat habe keine Zweifel, dass es zivilrechtlich möglich sei, die vertraglichen Verhältnisse so zu gestalten, dass Vertragspartner der Klägerin die jeweilige Empfängerin der Gutschrift sei, die die geschuldete Ausbeiner- und Zerlegungsleistung durch ihren Lebensgefährten ―sei es als Subunternehmer, sei es als Arbeitnehmer― erbringe. Davon gehe auch das Amtsgericht X mit Urteil vom … aus, auf das sich die Klägerin zu Recht berufe. Dies bedeute, dass das von der Klägerin jeweils geschuldete Entgelt den Gutschriftenempfängern zustehe und dass sie beispielsweise auch für eine mögliche Schlechterfüllung einzustehen hätten.
Von daher gesehen sei auch wenig zweifelhaft, dass diese Gutschriftenempfänger umsatzsteuerlich Unternehmer seien. Sie hätten ein Gewerbe angemeldet und seien bei dem zuständigen Finanzamt als Unternehmer erfasst. Selbst wenn sie jeweils nur mit einer Person (nämlich ihrem Lebensgefährten) zusammenarbeiteten und sie damit nur in relativ geringem Umfang in dieser Hinsicht tätig seien, so habe ihre Tätigkeit allein wegen ihres Inhalts eindeutig eher unternehmerischen als privaten Charakter. Privatleute träten üblicherweise nicht als Leistende im Fleischerhandwerk in Erscheinung - auch nicht in geringem Umfang.
3. Das FG hat sich mithin auf allgemeine Erwägungen ("zivilrechtlich möglich", "wenig zweifelhaft") beschränkt statt ―wie geboten― den konkreten abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen und dem jeweiligen Auftreten nach außen in jedem der 12 Fälle nachzugehen, in denen das FA den Vorsteuerabzug versagt hat.
Die Klägerin hat in ihrer Revisionserwiderung zwar u.a. vorgetragen, die Gutschriftenempfänger hätten für die Ausbeiner und Zerleger Werkaufträge gesucht, nicht etwa die Ausbeiner und Zerleger selbst; Geschäftsbeziehungen hätten ausschließlich mit den Gutschriftenempfängern bestanden; diese hätten das Unternehmerrisiko getragen. Dahin gehende (konkrete) Feststellungen enthält die Vorentscheidung aber nicht.
Sie sind nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin in 11 der 12 Fälle sog. Unternehmerbescheinigungen vorgelegt hat, in denen das jeweils zuständige Finanzamt dem Gutschriftenempfänger bescheinigt, er sei unter einer bestimmten Steuernummer erfasst und unterliege den allgemeinen Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes. Auch die ―zudem nur für einige der Gutschriftenempfänger― vorliegenden Gewerbeanmeldungen allein belegen nicht, dass diese Personen Leistungen gegenüber der Klägerin erbracht haben.
4. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
Dabei wird auch aufzuklären sein, aus welchen Gründen die Ausbeiner und Zerleger selbst "abrechnungstechnisch nicht in Erscheinung treten wollten". Ferner kommt dem Umstand Bedeutung zu, ob die Gutschriftenempfänger die streitigen Leistungen ordnungsgemäß umsatzversteuert haben (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 353).
Fundstellen