Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Werden Teile der Funkausrüstung für ein Schiff durch den Unternehmer (Hersteller) selbst beschafft und die Lieferung von Teilen durch ihn vermittelt, so liegt eine einheitliche Werklieferung vor.
Die Teile der Ausrüstung, deren Beschaffung der Unternehmer (Hersteller) vermittelt hat, hat der Auftraggeber nicht durch den Unternehmer (Hersteller) bearbeiten lassen. Dem Auftraggeber steht daher Ausfuhrhändlervergütung in voller Höhe zu.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 2, § 3/4, § 16; UStDB §§ 12, 70/2/2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) beantragte und erhielt Ausfuhrvergütung (AV) und Ausfuhrhändlervergütung (AHV) für die gesamte Funkausrüstung (Sende-, Peil-, Radar-, Rundfunk- und Kommandoanlagen), die auf mehreren Schiffen montiert worden waren, mit denen sie den Hochseefischfang betreibt (§ 16 UStG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Ziff. 8 UStDB). Anläßlich einer Vergütungsprüfung wurde festgestellt, daß die Lieferung der Funk- und Rundfunkanlage durch die Firma X und der Peilanlage durch die Firma Y von der Firma N vermittelt worden war, die selbst die Kommandoanlage geliefert und sämtliche Anlagen im Auftrag der Stpfl. montiert hatte.
Auf Grund dieses Sachverhalts kam das Finanzamt (FA) zu der Auffassung, daß der Stpfl. AHV nur für die von der Firma N gelieferten Gegenstände (Kommandoanlage) in der beantragten und gezahlten Höhe zustand. Hinsichtlich der übrigen Gegenstände sah das FA den Einbau als eine besonders zugelassene Bearbeitung im Sinne des § 72 Ziff. 4 UStDB an. Es berechnete deshalb die AHV nach dem Einkaufspreis der erworbenen Gegenstände (§ 72 Ziff. 4 UStDB). Außerdem gewährte das FA AV für die Montagekosten. Auf diese Weise errechnete sich die gezahlte AV und AHV um ... DM und um ... DM niedriger, als an die Stpfl. gezahlt worden war. Das FA forderte daher gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 UStDB insgesamt ... DM AV und AHV zurück.
Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Mit der Rb. beantragt die Stpfl., den Rückforderungsbescheid des FA vom 15. August 1962 ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung trägt sie vor, die Firma N habe nach der Bestellung fertig eingebaute nautische Funk- und Peilanlagen zu liefern, also eine Werklieferung auszuführen gehabt. Nach der ständigen Rechtsprechung seien Geschäfte, die nach dem Willen der Vertragsschließenden, dem tatsächlichen Geschehensablauf und ihrem wirtschaftlichen Gehalt Werklieferungen seien, einheitliche Lieferungen, selbst wenn sie künstlich in reine Lieferungen und in sonstige Leistungen aufgespalten worden seien oder erschienen. Die Stpfl. beruft sich auf das Urteil des Senats V 156/61 U vom 20. März 1964 (BStBl 1964 III S. 291, Slg. Bd. 79 S. 166).
Entscheidungsgründe
Die Rb., die nunmehr als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2 Ziff. 1 FGO), führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Stpfl. steht die AHV einschließlich der Montagekosten dann nicht zu, wenn sie die Ausrüstungsgegenstände, deren Beschaffung die Firma N als Unternehmerin (Herstellerin) im Sinne des § 3 Abs. 2 UStG vermittelt hat, selbst bearbeitet hat oder durch die Firma N hat bearbeiten lassen (§ 12 UStDB). Die Frage, inwieweit die Stpfl. die Gegenstände durch die Firma N hat bearbeiten lassen, hängt vom Inhalt und Umfang des Leistungsaustausches zwischen der Stpfl. und der Firma N ab. Nach den insoweit unstreitigen Feststellungen hat die Stpfl. bei der Firma N "komplette Funkausrüstungen (Funkanlage, Rundfunk-, UKW-, Kommandoanlage und Montage)" in Auftrag gegeben. Umsatzsteuerrechtlich handelt es sich insoweit um einen Werklieferungsauftrag im Sinne des § 3 Abs. 2 UStG. Bei der Werklieferung geht das Gesetz davon aus, daß der Liefergegenstand als solcher den wesentlichen Vertragsinhalt ausmacht und der Unternehmer (Hersteller) die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierbei die von ihm selbst beschafften Hauptstoffe verwendet (vgl. Urteil des BFH V 111 und 112/62 U vom 15. Oktober 1964, BStBl 1964 III S. 661, Slg. Bd. 80 S. 521). Wäre nicht der Liefergegenstand wesentlicher Vertragsinhalt, sondern die Be- und Verarbeitung, dann läge eine Werkleistung vor. Eine Werklieferung liegt auch dann vor, wenn der Unternehmer nur einen Teil des Hauptstoffes beschafft und der Auftraggeber den anderen Teil zur Verfügung stellt. Es scheidet jedoch der Teil des Stoffes, den der Auftraggeber zur Verfügung gestellt hat, aus dem Leistungsaustausch aus - sogenannte Materialbeistellung. Hat der Unternehmer (Hersteller) bei der Beschaffung eines Teils des Stoffes als Agent oder sonst in irgendeiner Weise mitgewirkt, so hat der Senat in ständiger Rechtsprechung angenommen, daß auch insoweit der Unternehmer den Stoff selbst beschafft hat. Folgerichtig kann eine Materialbeistellung bezüglich des Teils des Stoffes, dessen Beschaffung durch den Unternehmer vermittelt worden ist, nicht in Betracht kommen. Es kann nur als eine weitere Folge dieser umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung angesehen werden, wenn die Rechtsprechung in einem solchen Falle eine einheitliche Leistung des Unternehmers, und zwar eine Werklieferung, annimmt und eine Aufteilung in eine Vermittlungsleistung und in eine Werklieferung nicht zugelassen hat (vgl. BFH-Entscheidungen V 117/53 S vom 30. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 366, Slg. Bd. 58 S. 196; V 156/61 U vom 20. März 1964, BStBl 1964 III S. 291, Slg. Bd. 79 S. 166).
Das FG hat diese Grundsätze nicht für anwendbar gehalten, weil nach den durch die Rechtsprechung entschiedenen Sachverhalten es sich um Bauunternehmer gehandelt habe, die Baustoffe im Namen und für Rechnung des Bauherrn beschafft haben. Das FG hat dabei allerdings nicht beachtet, daß die Rechtsprechung insoweit einem allgemeinen Grundsatz Ausdruck verliehen hat, der auch auf andere Sachverhalte angewendet werden kann (vgl. BFH-Entscheidung V 156/61 U vom 20. März 1964, a. a. O., und auch schon vorher FG Schleswig-Holstein III 203 - 206/57 vom 17. September 1957, Entscheidungen der Finanzgerichte 1958 S. 72, rechtskräftig hinsichtlich der Beistellung von Motoren bei Bau von Motorschiffen). ...
Die Vorentscheidung war unter diesen Umständen aufzuheben. Nach dem Zusammenhang der Feststellungen des FG hat die Stpfl. bei der Firma N komplette Funkausrüstungen bestellt. Dabei hat sie die einzelnen Anlagen (Funkanlagen, Rundfunk usw.) und auch den Preis dafür im Auftragsschreiben einzeln aufgeführt. Schließlich waren auch im Auftrag die Montage und die dafür in Betracht kommenden Kosten besonders erwähnt. Unter diesen Umständen muß davon ausgegangen werden, daß der Stpfl. wesentlich auf die Lieferung der Ausrüstung, bestehend aus den erwähnten Teilen, angekommen ist. Es liegt demnach eine Werklieferung vor. Eine solche hat die Firma N der Stpfl. gegenüber auch hinsichtlich der Teile erbracht, deren Beschaffung sie vermittelt hat (Funk-, Rundfunk-, Peil- und Radaranlage). Eine Beistellung durch die Stpfl. scheidet deshalb insoweit aus. Hat aber die Stpfl. nicht beigestellt, so kann auch nicht angenommen werden, daß hinsichtlich des Teils der Funkanlage, deren Beschaffung die Firma N vermittelt hat, diese Firma der Stpfl. gegenüber nur eine Werkleistung mit der Folge erbracht hat, daß insoweit die Stpfl. diesen Teil der Funkanlage bei der Firma N im Sinne des § 70 Abs. 2 Ziff. 2 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 UStDB bearbeiten hat lassen.
Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung und der Rückforderungsbescheid waren daher aufzuheben.
Fundstellen
BStBl III 1966, 413 |
BFHE 1966, 184 |
BFHE 86, 184 |
StRK, UStG:3/2 R 51 |