Leitsatz (amtlich)
Zinsgutschriften aus Bausparguthaben gehören auch dann zu den begünstigten Bausparleistungen, wenn der Bausparer die Rechte aus dem Bausparvertrag sicherungshalber an ein Kreditinstitut abgetreten hatte, das ihm einen sogenannten Auffüllungskredit gewährt hatte, um eine schnellere Zuteilung der Bausparsumme zu erreichen.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtigen) erwarben im Februar 1962 ein Mietwohngrundstück. Sie hatten zur Finanzierung der Anschaffungskosten und Umbaukosten Darlehen aufgenommen. Außerdem schlossen sie mit einer Bausparkasse Bausparverträge ab. Die erforderlichen Beitragszahlungen für diese Verträge leisteten sie mit Hilfe sogenannter Auffüllungskredite. Gegen Abtretung ihrer Ansprüche aus den Bausparverträgen erhielten sie von dem Kreditinstitut 50 v. H. der Bausparsummen ausbezahlt; die Beträge wurden nach ihren unbestrittenen Angaben zu wohnwirtschaftlichen Zwecken verwendet.
Von der Bausparkasse wurden den Steuerpflichtigen an Zinsen gutgeschrieben 9 213 DM für das Jahr 1962, 8 114 DM für 1963 und 3 165 DM für 1964. In den Einkommensteuererklärungen für diese Jahre beantragten die Steuerpflichtigen die steuerliche Berücksichtigung dieser Zinsen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG als Sonderausgaben im Rahmen der zulässigen Höchstbeträge.
Das FA erkannte bei der Veranlagung diese Zinsgutschriften nicht als Bausparleistungen an, weil sie in einem mittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den aufgenommenen Krediten gestanden hätten.
Die Klage der Steuerpflichtigen wurde vom FG abgewiesen. Das FG führte in dem in EFG 1969, 343 veröffentlichten Urteil insbesondere aus, der Abzug der Zinsbeträge setze nach § 10 Abs. 1 vorletzter Satz EStG voraus, daß diese weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten seien und weder unmittelbar noch mittelbar in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredits stehen. An dieser Voraussetzung scheitere ihr Begehren. Die Zinsen seien der Ertrag des auf die Bausparverträge eingezahlten, von den Steuerpflichtigen aufgenommenen Darlehnsbetrages, also eines Kredits. Sie verblieben auf die Laufzeit der Verträge der Bausparkasse. Die Frage, ob die Zinsgutschriften als echte, aus dem Einkommen oder Vermögen des Sparenden herrührende, Sparleistungen zu behandeln seien, sei nicht losgelöst von den ihnen zugrunde liegenden Bausparbeiträgen zu entscheiden.
Die Revision der Steuerpflichtigen rügt als Verletzung geltenden Rechts, daß das FG auch die Zinsen aus mit fremden Mitteln angesparten Bausparverträgen als eigene, nicht als fremde Mittel hätte beurteilen müssen. Auch hätte das FG aus ihrem Klagevortrag entnehmen müssen, daß sie bei dem für die Streitjahre veranlagten Einkommen die Bausparzinsen aus eigenem Einkommen hätten leisten können. Darin, daß das FG dies nicht beurteilt habe, liege ein wesentlicher Verfahrensmangel.
Das FA hält die Revision unter Hinweis auf das Urteil des Senats VI R 49/67 vom 22. März 1968 (BFH 91, 507, BStBl II 1968, 404) für unbegründet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Beurteilung des FG, daß die streitigen Sparleistungen in der Form der Zinsgutschriften durch die Bausparkasse deshalb nicht als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürften, weil sie in einem mittelbaren Zusammenhang mit der Aufnahme der Auffüllungskredite gestanden hätten, vermag der Senat nicht zu folgen. Zu den als Sonderausgaben zu berücksichtigenden Sparleistungen gehören grundsätzlich neben den eigenen Einzahlungen auch die von der Bausparkasse auf das Sparguthaben verbuchten Zinsen (vgl. EStR 1965/1969 Abschn. 92 Abs. 5). Daß der Bausparer über die gutgeschriebenen Zinsen nicht frei verfügen kann, erscheint dem Senat für die Frage, ob sie zu den "verfügbaren Mitteln" gehören, nicht wesentlich. Wirtschaftlich bedeutsam erscheint vielmehr, daß der Sparer in Höhe der Zinsgutschriften mit diesen Sparbeiträge erbringen und insoweit von dem Einsatz sonstiger eigener Mittel absehen kann. Geht man mit dem Urteil des Senats VI 78/55 U vom 1. Februar 1957 (BFH 64, 268, BStBl III 1957, 103) davon aus, daß im Bereich des Einkommensteuerrechts von dem wirtschaftlichen Gehalt des jeweiligen Sachverhalts ausgegangen werden muß, so kommt es für die Frage, ob eine Sparleistung aus eigenen oder aus fremden Mitteln erbracht worden ist, wesentlich auf den Zusammenhang zwischen der Sparleistung und der Herkunft der für diese verwendeten Mittel an. Von fremden Mitteln kann nach dem Urteil des BFH IV 155/53 U vom 17. September 1953 (BFH 58, 48, BStBl III 1953, 310) nur dann die Rede sein, wenn die erbrachte Sparleistung auch bei wirtschaftlicher Betrachtung aus dem Vermögen eines Dritten stammt.
Der Senat hat bereits in den Urteilen VI R 49/67 (a. a. O.) und VI R 305/66 vom 22. März 1968 (BFH 92, 82, BStBl II 1968, 510) dargelegt, daß begünstigte Bausparleistungen nicht im Wege der Auffüllung von Sparguthaben durch Aufnahme eines Kredits unter Abtretung der Rechte aus dem Bausparvertrag erbracht werden können. Die Grenzen des mittelbaren Zusammenhanges einer Sparleistung mit einer Kreditaufnahme können nicht allein im Hinblick auf einen kausalen Zusammenhang gezogen werden. Unter der Voraussetzung, daß andere Guthaben zur freien Verfügung gestanden haben, können deshalb auch die aus einem debitorischen Kontokorrentkonto gezahlten Sparleistungen in der Regel bei der Steuerbegünstigung des Sonderausgabenabzugs nicht ausgeschlossen bleiben. Dem Senat erscheint es deshalb auch gerechtfertigt, ebensowenig die Zinsen aus Bausparguthaben vom Sonderausgabenabzug auszuschließen, wenn das Sparguthaben selbst mit Kreditmitteln aufgebracht worden war. Für die Beurteilung des Sachverhalts erscheint es dem Senat dabei wesentlich, daß auch die aus derartigen Sparguthaben erzielten Zinsen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören und beim Sparer als Zinsertrag der Einkommensteuer unterworfen werden. Im Rahmen der Einnahmen-Überschußrechnung des § 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG gehören in der Regel vereinnahmte Zinsen zu den Kapitalerträgen und verausgabte Zinsen zu den Sonderausgaben des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind. Im Streitfall erscheint der Zusammenhang der Bausparzinsen mit der Kreditaufnahme zu lose, um diese Zinsen als mittelbar und damit als in einem schädlichen Zusammenhang mit dem Auffüllungskredit stehend zu beurteilen.
Nach der von ihm getroffenen Sachbeurteilung konnte es das FG dahingestellt sein lassen, ob die Steuerpflichtigen Ansprüche aus den Bausparverträgen im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 3 EStDV steuerschädlich abgetreten haben. Da der Senat im Gegensatz zum FG den mittelbaren Zusammenhang der Zinsgutschriften mit einem Kredit verneint, muß der Senat zu dieser Frage Stellung nehmen. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG ist die Beleihung von Ansprüchen aus Bausparverträgen unschädlich, wenn die empfangenen Beträge unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwandt werden. Die durch die Beleihung erlangten Mittel sind nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Steuerpflichtigen haben hier aber nicht nur die Ansprüche aus den Bausparverträgen beliehen, sondern diese auch an das Kreditinstitut abgetreten. In dieser Abtretung kann aber nach Auffassung des Senats nur eine Sicherungsvereinbarung gesehen werden (vgl. dazu das Urteil des Senats VI R 293/66 vom 22. März 1968, BFH 91, 504, BStBl II 1968, 402). Das Kreditinstitut sollte nicht unter Abtretung der Rechte aus dem Vertrag in den Bausparvertrag eintreten. Dafür spricht auch der Umstand, daß das Kreditinstitut die Bausparsumme mit 50 v. H. beliehen hat. Verpflichtete aus den Verträgen sind die Steuerpflichtigen geblieben. Sie hatten weiterhin die mit der Bausparkasse vereinbarten Sparbeiträge zu erbringen. Nach § 11 Nr. 1 StAnpG sind zum Zweck der Sicherung übereignete Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen. Demgemäß hat auch die Bausparkasse die Zinsen den Steuerpflichtigen zugerechnet. Schließlich erschien es dem Senat wesentlich, daß die Zinsgutschriften auch für das Streitjahr 1962 einen das Jahresende betreffenden wirtschaftlichen Vorgang betreffen. Sie können deshalb nicht anders behandelt werden, als andere Sparleistungen zu beurteilen wären, die zu einem späteren, mit der schädlichen Beleihung wirtschaftlich nicht mehr zusammenhängenden Zeitpunkt erbracht werden. Als steuerschädliche Handlungen im Sinne des § 10 Abs. 2 EStG kommen insbesondere in Betracht die Rückzahlung von Bausparleistungen innerhalb der im Gesetz vorgesehenen Sperrfrist und die Beleihung eines Bausparvertrages. Diese führen, wenn zuvor Steuervergünstigungen bereits gewährt worden waren, zu einer Nachversteuerung, wenn die so erlangten Beträge nicht unmittelbar und unverzüglich zum Wohnungsbau verwendet werden. War die Vergünstigung noch nicht gewährt, so mußte dementsprechend die steuerschädliche Verwendung zur Versagung der Begünstigung führen. Eine vorangegangene steuerschädliche Verwendung früherer Sparleistungen schließt aber den Anspruch auf den steuerbegünstigten Abzug bei den Sonderausgaben des § 10 EStG für spätere Sparleistungen auf den Bausparvertrag nicht aus.
Das Urteil des FG hat somit rechtsirrig den Sonderausgabenabzug für die Bausparzinsen versagt; es war deshalb wegen Verletzung des sich aus § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG ergebenden Rechts aufzuheben. Da die Revision bereits im Hinblick auf die Verletzung materiellen Rechts begründet ist, bedurfte es eines Eingehens auf die von den Steuerpflichtigen erhobene Verfahrensrüge nicht mehr. Ebenso wie das Urteil des FG war auch die Einspruchsentscheidung des FA, die auf den gleichen Erwägungen beruhte, aus den vorgenannten Gründen aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Der Senat sieht sich in der Lage, gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO selbst zu entscheiden und dem Klagebegehren entsprechend die Steuer für die Streitjahre im Wege der Abänderung der angefochtenen Bescheide festzusetzen (§§ 100 Abs. 2 Satz 1, 121 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 413240 |
BStBl II 1972, 732 |
BFHE 1972, 64 |