Leitsatz (amtlich)
Eigene Anteile einer Kapitalgesellschaft sind bewertungsfähige Wirtschaftsgüter, wenn sie weder zur Einziehung bestimmt noch nach den Verhältnissen vom Bewertungsstichtag unveräußerlich sind.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 13
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH, hat ein Stammkapital von 70 000 DM. Davon hält sie selbst Anteile mit einem Nennwert von 5 000 DM. Anteile im Nennwert von 50 000 DM und 15 000 DM befinden sich im Besitz zweier Gesellschafter. Die eigenen Anteile hat die Klägerin im Jahre 1954 von einem Mitgründer zum Nennbetrag erworben. Das FA stellte den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zum 31. Dezember 1962 durch Bescheid vom 31. Dezember 1964 im Wege der Schätzung nach Abschnitt 76 ff. VStR 1963 auf 1 000 DM für 100 DM Stammkapital fest. Dabei ließ es nach Abschn. 87 Abs. 1 VStR 1963 sowohl bei der Ermittlung des Vermögenswertes als auch bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes die eigenen Anteile der Klägerin unberücksichtigt. Bei der Feststellung des Einheitswerts für das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Januar 1963 durch Bescheid vom 4. Januar 1965 setzte es die eigenen Anteile unter Hinweis auf Abschn. 87 Abs. 2 VStR 1963 mit diesem festgestellten gemeinen Wert, also mit 50 000 DM, an. Die Klägerin legte durch Schreiben vom 18. Januar 1965 "gegen den Einheitswert- und Vermögensteuerbescheid zum 1.1.1963" Einspruch ein, "wegen der Bewertung der eigenen Anteile". Sie war der Auffassung, daß die eigenen Anteile praktisch wertlos seien.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auch die Klage war erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus: Eigene Anteile dienten nur dann nicht mehr dem gewerblichen Betrieb, wenn sie offensichtlich zur Einziehung bestimmt oder nicht mehr verkäuflich und damit wertlos seien. Ein Eigenanteil sei aber nicht schon deswegen wertlos, weil die Absicht fehle, ihn in Geld umzusetzen. Diese Grundsätze habe bereits der RFH entwickelt. Auch der BFH halte an ihnen fest. Die eigenen Anteile der Klägerin seien am 1. Januar 1963 nicht zur Einziehung bestimmt gewesen. Es habe am Bewertungsstichtag weder ein entsprechender Beschluß der Gesellschafterversammlung vorgelegen, noch könne aus sonstigen Umständen hergeleitet werden, daß die Anteile offensichtlich eingezogen werden sollten. Die Anteile könnten auch nicht als unverkäuflich und damit als wertlos angesehen werden. Ihr Ausweis in der Ertragsteuerbilanz mit den Anschaffungskosten zeige, daß ihnen von der Klägerin ein entsprechender Wert beigemessen worden sei. Für die Veräußerungsmöglichkeit sei es ohne Bedeutung, daß die Gesellschaftsrechte aus eigenen Anteilen ruhten. Denn im Falle des Verkaufs lebten diese Rechte wieder auf. Die Unverkäuflichkeit der eigenen Anteile könne auch nicht damit begründet werden, daß in absehbarer Zeit keine Erträge ausgeschüttet würden und infolge des prozentual geringen Stammanteils kein Einfluß auf die Geschäftsführung genommen werden könne. Sie könne auch nicht mit dem erfolglosen Anbieten von Anteilen der Gesellschaft im Rahmen eines Erbrechtsstreits begründet werden. Denn sonst müßte das gleiche auch für die in den Händen eines Gesellschafters befindlichen Anteile im Nennwert von 15 000 DM gelten. Zum anderen handele es sich um ein Unternehmen, das im Hinblick auf die Kapitalausstattung nicht unerhebliche Erträge erwirtschafte und dessen reiner Vermögenswert nicht außer acht gelassen werden könnte. Die Nichtausschüttung der Erträge sei eine Frage der Gesellschaftspolitik; sie müsse ohne Einfluß auf die steuerliche Behandlung der Anteile bleiben. Es sei für die Bewertung der eigenen Anteile nicht erforderlich, daß sie vor der eigenen Gesellschaft bereits mindestens ein Erwerber von einem Gründer erworben habe. Auch der Erwerb durch die Gesellschaft von einem Gründer stelle einen Verkehrsvorgang dar. Die eigenen Anteile der Klägerin seien deshalb Wirtschaftsgüter, die dem gewerblichen Betrieb dienten. Sie seien mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Dieser Wert sei aber bereits gesondert und einheitlich mit 1 000 DM je 100 DM Stammkapital auch der Klägerin gegenüber verbindlich und rechtskräftig festgestellt worden, zumal ihr ein entsprechender Bescheid als Anteilseignerin zugegangen sei. Die Bindungswirkung für die eigenen Anteile ergebe sich daraus, daß die §§ 64 ff. BewDV, insbesondere § 72 BewDV, keinen Unterschied zwischen eigenen Anteilen und Fremdanteilen machten. Hinsichtlich des Wertes der Anteile sei kein Unterschied zwischen eigenen Anteilen und Fremdanteilen zu machen.
Mit der vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassenen Revision beantragt die Klägerin, unter Aufhebung des FG-Urteils die eigenen Anteile mit Null DM zu bewerten. Sie rügt unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Die vom FG angezogenen BFH-Urteile seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Im Urteil III 451/58 U vom 22. April 1960 (BFH 71, 304, BStBl III 1960, 364) verweise der BFH ausdrücklich auf das RFH-Urteil III 42/41 vom 26. Februar 1942, (RStBl 1942, 586), in dem gesagt werde, daß eigene Anteile einer Gesellschaft wie Fremdanteile zu bewerten seien, "wenn sie jederzeit veräußert werden können". In der Schlußbegründung sage der BFH: Die Anteile "sind zutreffend mit den aufgewendeten Kaufpreisen bewertet worden". Die Klägerin pflichte diesem Urteil ausdrücklich bei. Denn wenn vor absehbarer Zeit eine Gesellschaft eigene Anteile erworben habe, dann sei der dabei gezahlte Kaufpreis ein Maßstab für die Bewertung aller Anteile, der eigenen und der im Fremdbesitz befindlichen. Auch im Urteil III 258/61 U vom 30. Oktober 1964 (BFH 81, 109, BStBl III 1965, 40) heiße es ausdrücklich, daß "die Anteile als bewertungsfähige Wirtschaftsgüter anzusehen sind, wenn sie jederzeit veräußert werden können". Im anstehenden Fall gehe es gar nicht um die Frage, ob die Anteile jederzeit veräußert werden könnten oder nicht. Hier gehe es um die Frage, ob das Stuttgarter Verfahren ein geeignetes Verfahren sei, um auf dem Schätzungsweg, praktisch auf dem Rechnungsweg, den Wert eigener Anteile zu ermitteln. Denn bei der Ermittlung des gemeinen Werts nach diesem Verfahren kämen nur die Fremdanteile, nicht die eigenen Anteile in Ansatz. Der gemeine Wert stelle daher eine Bezugsgröße für die Fremdanteile und nicht für die Eigenanteile dar. Eine Bewertung der Eigenanteile mit dem gemeinen Wert, der ohne Ansatz eigener Anteile gewonnen worden sei, verbiete sich daher. Hierzu zwinge keine gesetzliche Vorschrift. Der Auffassung des FG, die Bindungswirkung ergebe sich daraus, daß die §§ 64 ff. BewDV keine Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdanteilen machten, stimme die Klägerin nicht zu. Im vorliegenden Fall sei in den letzten 15 Jahren weder versucht worden, die eigenen GmbH-Anteile zu veräußern, noch lägen vergleichbare Veräußerungswerte vor. Die nominell 5 000 DM seien im Stuttgarter Verfahren nicht bewertet, und es bestehe kein Anlaß, den eigenen Anteilen einen höheren Wert beizumessen als den Anschaffungswert, mit dem sie in der Ertragsteuerbilanz aktiviert seien. Nach Auffassung der Klägerin sei der Anschaffungswert sogar gleich Null.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß im vorliegenden Verfahren, das die Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Januar 1963 durch den Bescheid vom 4. Januar 1965 betrifft, Einwendungen gegen die Höhe des durch den Bescheid vom 31. Dezember 1964 festgestellten gemeinen Werts der Anteile an der GmbH nicht mehr zulässig sind, weil dieser Bescheid unanfechtbar geworden ist, und entgegen der Auffassung der Klägerin auch die eigenen Anteile der Klägerin betrifft. Wie der Senat bereits in dem Urteil III 258/61 U (a. a. O.) entschieden hat, ist der unanfechtbar festgestellte gemeine Wert für die Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Gesellschaft hinsichtlich der von ihr gehaltenen eigenen Anteile deswegen bindend, weil weder § 220 Nrn. 2 und 4 AO noch die auf dieser Vorschrift beruhenden §§ 64 ff. BewDV zwischen Eigenanteilen und Fremdanteilen unterscheiden und der einheitliche Feststellungsbescheid nach § 72 Abs. 1, 1. Halbsatz BewDV in der am 1. Januar 1963 geltenden Fassung für und gegen alle Personen wirkt, die Inhaber der Anteile sind. Es braucht dabei nicht auf die Frage eingegangen zu werden, ob die Bestimmung des § 72 Abs. 1, 1. Halbsatz BewDV in der damaligen Fassung auch insoweit anzuwenden war, als dort die Bindungswirkungen eines Feststellungsbescheids auch hinsichtlich solcher Personen angenommen wurden, gegen die der Bescheid nicht gerichtet war. Ausweislich der Akten war im Streitfall der Feststellungsbescheid gegen die Klägerin auch als Inhaberin der eigenen Anteile gerichtet. Es wäre dabei unerheblich, wenn die Klägerin irrtümlich angenommen hätte, daß sich der Feststellungsbescheid nicht auf die eigenen Anteile beziehe. Der Senat kann also zu den grundsätzlichen Einwendungen gegen die Behandlung der eigenen Anteile als bewertungsfähige Wirtschaftsgüter und gegen die Feststellung desselben gemeinen Werts der eigenen Anteile, wie er für die Anteile im Fremdbesitz ermittelt wurde, nicht Stellung nehmen.
2. Dem FG ist auch darin zuzustimmen, daß ein Ansatz der eigenen Anteile im Betriebsvermögen der Klägerin dann entfallen würde, wenn die Anteile zur Einziehung bestimmt oder wenn sie nach den Verhältnissen vom Stichtag unverkäuflich wären. Der Senat hat in dem Urteil III 258/61 U (a. a. O.) ausdrücklich entschieden, daß die Frage, ob Eigenanteile zur Einziehung bestimmt sind, im Verfahren über die Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Gesellschaft zu entscheiden sei. Dasselbe muß auch für die Frage gelten, ob die Eigenanteile nach den Verhältnissen am Stichtag unverkäuflich waren. Die Feststellung des FG, daß am 1. Januar 1963 die Eigenanteile der Klägerin nicht zur Einziehung bestimmt waren, liegt auf tatsächlichem Gebiet. An sie ist der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Die Klägerin hat gegen diese Feststellung keine zulässigen und begründeten Einwendungen erhoben. Auch die Feststellung des FG, daß die Eigenanteile am 1. Januar 1963 nicht unverkäuflich waren, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist trotz der Einwendungen der Klägerin nicht zu beanstanden. Sie wird zutreffend darauf gestützt, daß die Klägerin selbst durch den Ausweis dieser Anteile in der Ertragsteuerbilanz mit den Anschaffungskosten ihnen einen Wert beigemessen habe. Auch der Hinweis darauf, daß es für die Veräußerungsmöglichkeit der Anteile ohne Bedeutung sei, daß die Gesellschaftsrechte aus eigenen Anteilen ruhen, ist zutreffend. Der Senat hat sich bereits im Urteil III 258/61 U (a. a. O.) der Auffassung des RFH im Urteil III 92/41 vom 26. Februar 1942 (RStBl 1942, 610) angeschlossen, daß ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut nicht dadurch wertlos werde, daß die Absicht fehle, es in Geld umzusetzen. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Er schließt sich nicht der teilweise im Schrifttum (vgl. z. B. Thiel, Die steuerliche Behandlung eigener Anteile von Kapitalgesellschaften S. 102 ff.) vertretenen Auffassung an, daß eigene Anteile nur dann als bewertungsfähige Wirtschaftsgüter angesehen werden könnten, wenn sich am Stichtag die Möglichkeit, sie wieder in den Verkehr zu bringen, soweit konkretisiert habe, daß ihr bereits ein gegenwärtiger wirtschaftlicher Wert innewohne. Diese Ansicht beruht auf der Vorstellung, daß die Möglichkeit, sich durch die Ausgabe der Anteile Vermögen zu verschaffen, "gewöhnlich nicht mehr als eine vage Chance" sei. Nach Auffassung des Senats ist diese Möglichkeit eine den Anteilen innewohnende Eigenschaft, die erst dann verlorengeht, wenn nach den Verhältnissen am Stichtag die Unveräußerlichkeit feststeht. Schließlich kann die Unverkäuflichkeit auch nicht damit begründet werden, ein Erwerber könne wegen eines prozentual geringen Anteils am Stammkapital keinen Einfluß auf die Gesellschaft ausüben und müsse es deshalb hinnehmen, daß in absehbarer Zeit keine Gewinne ausgeschüttet würden. Das FG hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Ertragslage der Klägerin gut ist. Wenn die Gewinne nicht ausgeschüttet werden, so wirken sie sich doch mindestens vermögenserhöhend aus. Auch das könnte einen Anreiz zum Erwerb der Anteile bieten. Der Hinweis des FG, daß dann alle Anteile als unveräußerlich angesehen werden müßten, die den Gesellschaftern keinen Einfluß auf die Geschäftsführung böten, ist grundsätzlich richtig. Es ist allerdings einzuräumen, daß diese Frage im Streitfall bei dem Gesellschafter mit Anteilen im Nennwert von 15 000 DM nicht aufgeworfen werden kann. Wenn nach diesen Darlegungen aus der verhältnismäßig geringen Beteiligung, die die eigenen Anteile verkörpern, auch nicht auf die Unveräußerlichkeit der eigenen Anteile geschlossen werden kann, so könnte dieser Umstand allerdings einen Einfluß auf den Wert dieser Anteile haben. Es könnte dann für diese Anteile eine Wertermittlung nach Abschn. 80 VStR 1963 in Betracht kommen (vgl. dazu das BFH-Urteil III R 12/67 vom 5. Juli 1968, BFH 93, 243, BStBl II 1968, 734). Eine solche Sonderbewertung könnte jedoch auch nur im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach den §§ 64 ff. BewDV vorgenommen werden. Sie scheitert hier an der Unanfechtbarkeit des in diesem Verfahren ergangenen Feststellungsbescheids, so daß der Senat nicht dazu Stellung nehmen kann, ob die Voraussetzungen für sie vorliegen.
Fundstellen
Haufe-Index 69078 |
BStBl II 1970, 658 |
BFHE 1970, 389 |