Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkunftsart bei Pflegetätigkeit: "Eigenverantwortliche Tätigkeit" eines Krankenpflegers mit acht Angestellten, keine Kompensation einer etwa fehlenden Eigenverantwortlichkeit durch eine stark ausgeprägte Leitungsfunktion, Begriff der "Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte"
Leitsatz (amtlich)
Überläßt ein Krankenpfleger, der häusliche ambulante Pflegedienste anbietet, die Pflege des einzelnen Patienten angesichts des Umfangs der zu erbringenden Pflegeleistungen weitgehend seinen Mitarbeitern und beschränkt sich seine eigene Tätigkeit auf die Vertretung in Urlaubsfällen und Krankheitsfällen, so wird er i.S. von § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG nicht eigenverantwortlich tätig.
Orientierungssatz
1. Im Streitfall: Selbständiger Krankenpfleger, der drei examinierte Krankenschwestern --zwei davon als Aushilfskräfte--, eine examinierte Altenpflegerin sowie vier Krankenpflegehelferinnen beschäftigte.
2. Unter "Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte" ist eine Tätigkeit zu verstehen, die die Arbeit des Berufsträgers jedenfalls in Teilbereichen ersetzt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1995 XI R 85/93). Bei einem Krankenpfleger, der häusliche Krankenpflege erbringt, zählen Krankenschwestern, Krankenpflegehelferinnen sowie Altenpflegerinnen zu den fachlich vorgebildeten Arbeitskräften.
3. Leitendes und eigenverantwortliches Tätigwerden aufgrund eigener Fachkenntnisse als Voraussetzung einer freiberuflichen Tätigkeit: Selbst eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der u.a. die Organisation des Sachbereichs und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung, stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse gehören, vermag die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen. Diese kann nur angenommen werden, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist.
4. Die Anforderungen an eine "eigenverantwortliche Tätigkeit" bei Heilberufen sind unterschiedlich je nach der Art der Betätigung zu bestimmen. Ein Krankenpfleger schuldet eine höchstpersönliche individuelle Arbeitsleistung am Patienten. Sie ist immer dann geleistet, wenn der Pflegedienstbetreiber den wesentlichen Teil der Pflegearbeiten selbst übernimmt oder aber, wenn er aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Pflegetätigkeit der Mitarbeiter bei jedem einzelnen Patienten Einfluß nimmt. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muß dem Berufsträger selbst und nicht den qualifizierten Mitarbeitern, den Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder dem Unternehmen als ganzem zuzurechnen sein. Die Arbeitsleistung muß den "Stempel der Persönlichkeit" des Steuerpflichtigen tragen.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein staatlich geprüfter Krankenpfleger, hat bei der zuständigen Verwaltungsbehörde einen Gewerbebetrieb "Ambulante häusliche Krankenpflege (fahrbar)" angemeldet. Zur Ausübung dieser Tätigkeit hatte er im Streitjahr (1992) drei examinierte Krankenschwestern --zwei davon als Aushilfskräfte--, eine examinierte Altenpflegerin sowie vier Krankenpflegehelferinnen beschäftigt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte die Einkünfte des Klägers aus dieser Tätigkeit als solche aus Gewerbebetrieb und setzte einen einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1992 fest.
Im Einspruchsverfahren bezifferte der Kläger seinen persönlichen Einsatz am Patienten mit durchschnittlich 6,74 Stunden pro Tag. Er errechnete ihn wie folgt:
Täglicher Personaleinsatz
38,5 Stunden ./. 15 v.H. Ausfall
wegen Urlaub und Krankheit 32,73 Stunden täglich
./. Pflegebedarf 39,14 Stunden täglich
eigene Pflegeleistung 6,41 Stunden täglich
zusätzlich Besuch der Neuzugänge 0,33 Stunden täglich
durchschnittlich eigene tägliche
Pflegeleistung 6,74 Stunden täglich.
Den von ihm erledigten Verwaltungsaufwand gab der Kläger bei einer Gesamtarbeitszeit von 8 bis 10 Arbeitsstunden mit 2 bis 3 Stunden pro Tag an.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es kam in seinem in
Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 1098
veröffentlichten Urteil zu dem Ergebnis, daß nach dem vom
Kläger vorgetragenen bzw. vom FA festgestellten Sachverhalt
die nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) erforderliche Eigenverantwortlichkeit des Klägers nicht
vorliege und damit gewerbliche Einkünfte des Klägers gegeben
seien.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen
Revision rügt derKläger die Verletzung formellen und
materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Der Senat sieht insoweit gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer Begründung ab.
2. Das FG hat die Tätigkeit des Klägers im Ergebnis zu Recht als eine gewerbliche beurteilt.
Der Senat kann im Streitfall die Frage dahingestellt sein lassen, ob ein Krankenpfleger, der häusliche ambulante Pflegedienste erbringt, eine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, daß die selbständige Tätigkeit eines Altenpflegers nicht als freiberufliche Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bzw. als "ähnliche heilberufliche Tätigkeit" i.S. von § 4 Nr. 14 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) angesehen werden könne, weil die selbständige Berufsausübung nicht der Erlaubnis bedürfe und nicht vom Gesundheitsamt überwacht wird (Urteile vom 21. Juli 1994 V R 134/92, BFH/NV 1995, 549; vom 17. Oktober 1996 XI B 214/95, BFH/NV 1997, 293). Der Senat läßt offen, ob die Verhältnisse hinsichtlich der selbständigen Tätigkeit als Krankenpfleger gleich liegen. Jedenfalls hat das FG die Tätigkeit des Klägers mangels Vorliegens der erforderlichen Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als Gewerbebetrieb beurteilt.
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist ein Angehöriger eines freien Berufs auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung ist, daß er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Unter Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte ist eine Tätigkeit zu verstehen, die die Arbeit des Berufsträgers jedenfalls in Teilbereichen ersetzt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1995 XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732). Bei einem Krankenpfleger, der häusliche Krankenpflege erbringt, zählen Krankenschwestern, Krankenpflegehelferinnen sowie Altenpflegerinnen zu den fachlich vorgebildeten Arbeitskräften. Sie sind nach den mit den Krankenversicherungen geschlossenen Verträgen geeignete Pflegekräfte für die häusliche Krankenpflege.
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 zweiter Halbsatz EStG ist die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte für die Freiberuflichkeit des Berufsträgers unschädlich, solange er bei der Erledigung der einzelnen Aufträge leitend und eigenverantwortlich aufgrund eigener Fachkenntnisse tätig wird. Selbst eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der u.a. die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung, stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse gehören, vermag allerdings die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen. Diese kann nur angenommen werden, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Dabei sind die Anforderungen an eine eigenverantwortliche Tätigkeit bei Heilberufen unterschiedlich je nach der Art der Betätigung zu bestimmen. Während z.B. bei einem Laborarzt ein Großteil der Praxistätigkeit in technischen Untersuchungsvorgängen und seine Arbeit an jedem einzelnen Auftrag in der geistigen Erfassung und der abschließenden Auswertung des Befundes besteht (vgl. BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732), schuldet ein Krankenpfleger eine höchstpersönliche individuelle Arbeitsleistung am Patienten (vgl. zum Krankengymnasten: Urteil des FG München vom 11. November 1993 13 K 1398/93, EFG 1994, 531). Sie ist immer dann geleistet, wenn der Pflegedienstbetreiber den wesentlichen Teil der Pflegearbeiten selbst übernimmt. Ein eigenverantwortliches Tätigwerden des Pflegedienstbetreibers i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG kann aber auch dann angenommen werden, wenn er aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Pflegetätigkeit der Mitarbeiter bei jedem einzelnen Patienten Einfluß nimmt. Denn die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muß dem Berufsträger selbst und nicht den qualifizierten Mitarbeitern, den Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder dem Unternehmen als ganzem zuzurechnen sein (vgl. BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732). Die Arbeitsleistung muß den "Stempel der Persönlichkeit" des Steuerpflichtigen tragen (vgl. BFH-Entscheidung vom 1. Februar 1990 IV R 140/88, BFHE 159, 535, BStBl II 1990, 507).
Überläßt der Krankenpfleger die Pflege am einzelnen Patienten angesichts des Umfangs der zu erbringenden Leistungen nach einem Erstgespräch weitgehend seinen Mitarbeitern, so wird er i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht eigenverantwortlich tätig. Den den einzelnen Patienten zuzuwendenden Pflegeleistungen kann nicht dadurch der Stempel der persönlichen Arbeit des Pflegedienstbetreibers aufgedrückt werden, daß dieser bei im übrigen organisatorischer Tätigkeit in Urlaubs- und Krankheitsfällen die Pflegearbeiten der Mitarbeiter übernimmt.
Nach diesen Grundsätzen ist die vom FG vorgenommene Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die Vorentscheidung durch Verweis auf die Einspruchsentscheidung zu Recht die Eigenverantwortlichkeit des Klägers mit der Begründung verneint, daß im Streitfall der persönliche Dienst des Klägers am Patienten in den Hintergrund getreten ist. Das FG hat daraus, daß der Kläger angesichts des Umfangs der Pflegeaufträge in besonderem Maße auf seine Mitarbeiter angewiesen war, gefolgert, daß diese und nicht der Kläger die Pflege an den Patienten eigenverantwortlich vorgenommen haben. Es hat die Tätigkeit des Klägers unter Berücksichtigung der organisatorischen Leitung und der lediglich in Urlaubs- und Krankheitsfällen übernommenen Vertretung als nicht mehr eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG beurteilt. Eine persönliche Beziehung des Klägers zu der weitaus überwiegenden Zahl der Patienten hat die Vorinstanz verneint. Der erkennende Senat ist mangels zulässiger Revisionsrügen nach § 118 Abs. 2 FGO an die tatsächlichen Feststellungen und die auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung des FG gebunden.
Fundstellen
Haufe-Index 66194 |
BFH/NV 1998, 107 |
BFH/NV 1998, 107-108 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1997, 681 |
BFHE 183, 424 |
BFHE 1998, 424 |
BB 1997, 2224 (Leitsatz) |
DB 1998, 116 |
DB 1998, 116 (Leitsatz) |
DStR 1997, 1682-1683 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 892 (Leitsatz) |
DStZ 1998, 61-62 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1998, 28 |
StE 1997, 671 (Leitsatz) |