Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertungswahlrecht bei einer Verschmelzung
Leitsatz (amtlich)
Im Falle einer Verschmelzung darf die übertragende Kapitalgesellschaft das übergehende Betriebsvermögen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 mit seinem Buchwert oder mit einem höheren Wert ansetzen (entgegen BMF-Schreiben vom 25. März 1998, BStBl I 1998, 268 Tz. 03.01, 11.01).
Normenkette
UmwStG 1995 § 11 Abs. 1 S. 2; UmwG 1995 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Nr. 1; EStG § 5 Abs. 1 S. 2; HGB § 238
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, auf die durch Vertrag vom 6. August 1999 eine andere GmbH, die K-GmbH, zum 30. Dezember 1998 im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme gemäß § 2 Nr. 1 und §§ 46 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG 1995) übergegangen ist. Der Verschmelzung wurde die Schlussbilanz der K-GmbH zum Verschmelzungsstichtag zugrunde gelegt. In dieser wurde dabei das Betriebsgrundstück mit einem höheren Wert (3 100 556,32 DM) als dem in der Handelsbilanz ausgewiesenen Buchwert (1 133 123,32 DM) angesetzt und wurden damit in Höhe des Unterschiedsbetrages stille Reserven aufgedeckt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. März 1998 (BStBl I 1998, 268, Tz. 03.01 und 11.01) nicht. Er verminderte dementsprechend den Steuerbilanzgewinn der K-GmbH. Zugleich berichtigte er die Wertansätze in der Bilanz der Klägerin als übernehmende Rechtsträgerin und setzte dieser gegenüber die Körperschaftsteuer für das Streitjahr 1998 hiernach unter Erhöhung des nach § 12 Abs. 2 des Umwandlungsteuergesetzes (UmwStG 1995) nicht abzugsfähigen Übernahmeverlustes fest.
Die anschließende Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) Köln gab ihr durch Urteil vom 20. September 2006 13 K 6307/02 statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 309 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Das Vermögen der K-GmbH ist mit der Eintragung der Verschmelzung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 UmwG 1995) im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers auf die Klägerin als übernehmende Rechtsträgerin übergegangen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG 1995). Für die der Anmeldung der Verschmelzung zum Handelsregister beizufügende Schlussbilanz (§ 16, § 17 Abs. 2 Satz 1 UmwG 1995) gelten nach § 17 Abs. 2 Satz 2 UmwG 1995 die Vorschriften über die Jahresbilanz und deren Prüfung entsprechend. Nach den damit angesprochenen Regeln der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) sind die handelsrechtlichen Buchwerte grundsätzlich fortzuführen. Stille Reserven können handelsrechtlich nur aufgedeckt werden, wenn ein Gewinnrealisierungstatbestand vorliegt. Ein über dem Buchwert liegender Wertansatz ist im Übrigen nur im Rahmen der Wertaufholung gemäß § 280 HGB möglich. Ein Wahlrecht für den Ansatz der Buch-, Zwischen- oder Teilwerte besteht daher handelsrechtlich nicht. Ob der Anmeldung der Verschmelzung zum Handelsregister eine diesen Voraussetzungen genügende handelsrechtliche Umwandlungsbilanz beigefügt war, ist für den Eintritt der zivilrechtlichen Wirkungen der Eintragung ohne Belang (Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwG Rz 159; siehe dort auch Vossius, § 20 UmwG Rz 373 f.).
2. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 und 3 UmwStG 1995 können demgegenüber in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft die übergegangenen Wirtschaftsgüter mit einem über dem Buchwert liegenden Wert angesetzt werden, soweit der Teilwert nicht überschritten wird. In diesem Rahmen halten sich nach den Feststellungen des FG die in der steuerlichen Schlussbilanz der K-GmbH zum 30. Dezember 1998 ausgewiesenen Zwischenwertansätze, die insoweit von den in der Handelsbilanz zum 31. Dezember 1998 angesetzten Buchwerten abweichen. Damit hat die K-GmbH als Rechtsvorgängerin der Klägerin zulässigerweise das ihr in § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 eingeräumte Wahlrecht ausgeübt. Die Frage der einheitlichen Ausübung des Bewertungswahlrechts in Bezug auf alle stille Reserven enthaltenden Wirtschaftsgüter (vgl. dazu Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/ Witt, Die Körperschaftsteuer, § 11 UmwStG Rz 10) ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da sich hieraus nur von der Höhe der Absetzungen für Abnutzung abhängige Einkommensauswirkungen bei der Besteuerung der übernehmenden Gesellschaft ergeben können.
3. a) Dass die Ausübung des umwandlungssteuerrechtlichen Wahlrechts nicht in Übereinstimmung mit den handelsrechtlichen Vorgaben ausgeübt wird, ist unbeachtlich. Zwar bestimmt § 5 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997), dass steuerrechtliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Bilanz auszuüben sind. Dieser Grundsatz der Maßgeblichkeit gilt aber für die hier streitbefangene steuerliche Umwandlungsbilanz gerade nicht. Vielmehr enthält das in § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 der übertragenden Körperschaft eingeräumte Bewertungswahlrecht eine Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes in Gestalt einer speziellen und damit jenem Grundsatz vorgehenden gesetzlichen Regelung.
Der Senat folgt insoweit der ganz überwiegend herrschenden Auffassung (vgl. z.B. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. März 2004 6 K 103/99, EFG 2004, 858; Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/ Witt, a.a.O., § 3 UmwStG Rz 27, und § 11 UmwStG Rz 4 f.; Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 3 UmwStG Rz 304, und § 11 UmwStG Rz 13; Gosch, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung 2006, 171; Kilger/Mathias, Der Konzern 2006, 230; Kempermann, Finanz-Rundschau 2006, 475; Breuninger, GmbH-Rundschau 2006, 325; Kußmaul/Zabel, Zeitschrift für Steuern und Recht 2006, 92; Blumers, Neue Wirtschafts-Briefe Fach 18, 4327; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, UmwStG, § 2 UmwStG Rz 12 f., und § 11 UmwStG Rz 23; Klingberg in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 11 UmwStG Rz 30; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 5 Rz 46, jeweils m.w.N.) und gelangt damit zu einem mit der Regelungslage bei der formwechselnden Umwandlung nach § 25 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 übereinstimmenden Ergebnis (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2005 I R 38/04, BFHE 211, 472, BStBl II 2006, 568; s. dazu BMF-Schreiben vom 4. Juli 2006, BStBl I 2006, 445).
b) Der gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 268, Tz 03.01 und 11.01) ist zwar zuzugeben, dass die in § 3 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 enthaltenen Ausnahmen, wonach der Buchwertansatz auch zulässig ist, wenn in der Handelsbilanz das eingebrachte Betriebsvermögen nach handelsrechtlichen Vorschriften mit einem höheren Wert angesetzt werden muss, dafür sprechen könnten, dem Maßgeblichkeitsgrundsatz im Übrigen Geltungsvorrang einzuräumen. Die Vorinstanz hat dem jedoch zu Recht die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des Gesetzes entgegengestellt:
§ 3 Satz 1 und § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 und damit die Einräumung der steuerlichen Wahlrechte einerseits und § 17 Abs. 2 Satz 2 UmwG 1995 andererseits wurden vom Gesetzgeber zeitgleich beschlossen. Wenn der Gesetzgeber aber ein steuerliches Wahlrecht für einen Ansatz über dem Buchwert vorsieht, gleichzeitig jedoch für die handelsrechtliche Schlussbilanz die Aufdeckung der stillen Reserven bis auf den Ausnahmefall der Wertaufholung verbietet, kann dies in der Gesamtschau nur so verstanden werden, dass ein Ansatz oberhalb der steuerlichen Buchwerte von handelsrechtlichen Vorgaben unbeeinflusst sein soll. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber gleichzeitig sich gegenseitig ausschließende Regelungen beschlossen (Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 3 UmwStG Rz 304). Das FG weist ebenso zutreffend darauf hin, dass ein solches Regelungsverständnis sinnwidrig wäre, weil die steuerlich explizit eröffneten Wahlrechte in § 3 Satz 1 und § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 andernfalls faktisch leerliefen. Wäre dies beabsichtigt gewesen, hätte es näher gelegen, darauf zu verzichten, auf die Bestimmung der steuerlichen Wahlrechte Bezug zu nehmen. Es spricht nichts dafür, diese Wahlrechte allein auf die Ausnahme der Wertaufholung zu beziehen. Das FG weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf das steuerliche Wertaufholungsgebot in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG 1997 hin, das durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 geschaffen wurde, ohne die in Rede stehenden Bewertungswahlrechte des Umwandlungssteuergesetzes entfallen zu lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 1803561 |
BFH/NV 2007, 2220 |
BStBl II 2008, 650 |
BFHE 2008, 226 |
BFHE 218, 226 |
BB 2007, 2228 |
DB 2007, 2177 |
DStR 2007, 1767 |
DStRE 2007, 1346 |
DStZ 2007, 683 |
HFR 2007, 1141 |