Leitsatz (amtlich)
1. Die steuerlichen Differenzierungen des Branntweinmonopolgesetzes verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz.
2. Die Diskriminierungsverbote des EWG-Vertrages sind auf rein innerstaatliche Tatbestände nicht anwendbar.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; EWGV Art. 8; EWGV Art. 30; EWGV Art. 34; EWGV Art. 37; EWGV Art. 40; BranntwMonG i.d.F. vom 18. März 1976 § 58; BranntwMonG i.d.F. vom 18. März 1976 § 76; BranntwMonG i.d.F. vom 18. März 1976 § 79 Abs. 2; BranntwMonG i.d.F. vom 18. März 1976 § 79 a
Tatbestand
Der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Branntweineigenlager bewilligt, in dem sie u. a. Weinbrand herstellt. Aufgrund ihrer Anmeldung fertigte eine dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt – HZA –) unterstehende Zollstelle am 2. September 1976 Weinbrand aus inländischem Weindestillat zum freien Verkehr ab. Für die in der Ware enthaltene Weingeistmenge setzte die Zollstelle 63 752,70 DM Branntweinsteuer (Branntweinaufschlag) fest (= 1 650 DM/hl Weingeist – W –).
Gegen diesen Steuerbescheid wendet sich die Klägerin mit der Begründung, die Erhöhung der Branntweinsteuer und damit des Branntweinaufschlags um 150 DM/hl W ab 18. März 1976 durch das Gesetz zur Änderung des Branntweinmonopolgesetzes vom 2. Mai 1976 (BGBl I 1976, 1145) sei rechtswidrig, da ablieferungsfreier Branntwein dadurch gegenüber dem ablieferungspflichtigen Branntwein diskriminiert sei.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus:
Art. 37 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag – EWGV –) komme als Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids nicht in Betracht Diese Vorschrift betreffe nicht Diskriminierungen, die ausschließlich die Angehörigen ein und desselben Mitgliedstaates beträfen. Sie regle nur den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten. Das ergebe sich aus seiner systematischen Stellung und aus dem Wortlaut des Absatzes 1 Unterabsatz 2.
Der angefochtene Steuerbescheid sei auch im Hinblick auf Art. 37 Abs. 2 EWGV rechtlich nicht zu beanstanden. Die Erhöhung des Branntweinaufschlags um 150 DM/hl W sei keine neue Maßnahme, die den in Art. 37 Abs. 1 EWGV genannten Grundsätzen widerspreche, da sie von dieser Vorschrift nicht erfaßt werde. Sie sei auch keine neue Maßnahme, welche die Tragweite der Artikel über die Abschaffung der Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten einenge.
Auch Art. 40 Abs. 3 Unterabsatz 2 EWGV sei nicht verletzt Diese Bestimmung erstrecke sich nur auf Diskriminierungen bei der Erzeugung und dem Verbrauch solcher Waren, die in Anh. II zum EWG-Vertrag aufgeführt seien. Weinbrand aus Weindestillat sei dort nicht genannt.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der Art. 8, 37 Abs. 1 und 2, 30, 34 und 40 EWGV, des allgemeinen Diskriminierungsverbots und des Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Ergänzend beruft sich die Klägerin auf den Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 25. Februar 1976, der, da er für gleichliegende Fälle allgemeingültige Regeln konkretisieren und das Ermessen der Verwaltung binden wolle, dem revisiblen Recht i. S. des § 118 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gleichgesetzt werden müsse.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß für das von der Klägerin hergestellte Weindestillat bei seiner Auslagerung aus dem Branntweineigenlager der Klägerin grundsätzlich die Branntweinsteuer (Branntweinaufschlag) in Höhe von 1 650 DM/hl W zu erheben war (§§ 84 Abs. 2 Nr. 1, 79 Abs. 1, 91 BranntwMonG i. d. F. des Gesetzes zu seiner Änderung vom 2. Mai 1976, BGBl I 1976, 1145, §§ 63, 64 der Branntweinverwertungsordnung). Das ist durch den angefochtenen Steuerbescheid geschehen. Über diese Rechtsgrundlagen herrscht unter den Beteiligten kein Streit.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt der angefochtene Steuerbescheid nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Dieser Grundsatz ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden läßt, wenn die gesetzliche Regelung mithin als willkürlich zu bezeichnen ist (vgl. z. B. Beschluß vom 11. März 1975 2 BvR 135–139/75, BVerfGE 39, 156, 162). Eine Verletzung dieses Grundsatzes setzt voraus, daß der Gesetzgeber versäumt hat, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu regelnden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müßten (Entscheidung des BVerfG vom 7. April 1964 1 BvL 12/63, BVerfGE 17, 306, 330). Dabei ist freilich nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat, vielmehr, ob die äußersten Grenzen gewahrt sind (Entscheidung des BVerfG vom 17. März 1959 1 BvL 39, 44/56, BVerfGE 9, 201, 206). Der Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber zwar, an vergleichbare Sachverhalte grundsätzlich die gleiche Rechtsfolge zu knüpfen. Es ist aber in erster Linie seine Aufgabe, darüber zu befinden, ob zwei Lebensbereiche einander so gleich sind, daß eine Gleichbehandlung zwingend geboten ist, oder welche Merkmale es rechtfertigen, unterschiedliche Regelungen zu treffen. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG muß dem Gesetzgeber bei der Beurteilung dieser Fragen ein breiter Spielraum eingeräumt werden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 5. September 1978 VII R 50/77, BFHE 126, 346, 353, BStBl II 1979, 202, mit weiteren Nachweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG).
Die Klägerin rügt im wesentlichen die unterschiedliche Behandlung des inländischen ablieferungsfreien Branntweins (§ 76 BranntwMonG) – zu dem die Ware gehört, die Gegenstand des angefochtenen Bescheids ist – gegenüber inländischem ablieferungspflichtigem Branntwein (§ 58 BranntwMonG), die Gewährung der besonderen Steuervergünstigungen der §§ 79 Abs. 2, 79 a BranntwMonG nur für die dort genannten Erzeuger, die Besserstellung importierten Branntweins gegenüber dem einheimischen und der inländischen, durch Steuervergünstigungen oder Subventionen verbilligten ausgeführten Branntweine auf den Exportmärkten gegenüber sonstigen inländischen ausgeführten Branntweinen. Es kann hier dahingestellt bleiben, inwieweit diese Tatbestände, die sich zumindest teilweise nicht unmittelbar auf die Besteuerung beziehen, im vorliegenden Verfahren überhaupt relevant sein können. Es bedarf auch keines Eingehens auf die Gründe, die in den einzelnen Fällen den Gesetzgeber zu seiner unterschiedlichen Behandlung bewogen haben mögen. Jedenfalls hat die Klägerin allenfalls Argumente vorgetragen, die die Frage aufwerfen könnten, ob es zweckmäßig und sinnvoll war, daß der Gesetzgeber auf diese Unterschiede abstellte. Nichts im Vortrag der Klägerin läßt aber darauf schließen, der Gesetzgeber habe insoweit willkürlich gehandelt.
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf den BdF-Erlaß vom 25. Februar 1976. Er ist nicht einschlägig, da er vor Erlaß des Änderungsgesetzes vom 2. Mai 1976, also zu einer anderen Rechtslage ergangen ist. Überdies wäre er für den Senat nicht verbindlich, falls er, wie die Klägerin behauptet, die abgabenrechtliche Gleichbehandlung verschiedener Branntweinerzeugnisse abweichend vom Gesetz geregelt haben sollte. Eine Verbindlichkeit für den Senat wäre allenfalls gegeben, wenn der Erlaß allgemeine Regeln für die Ermessensausübung der Verwaltung enthielte. Daran aber fehlt es hier.
Eine Verletzung der Art. 8, 30, 34, 37 und 40 EWGV oder des von der Klägerin behaupteten ungeschriebenen allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots liegt nicht vor, weil diese Bestimmungen, welche Tragweite sie im einzelnen auch immer haben mögen, jedenfalls nicht anwendbar sind für rein innerstaatliche Tatbestände. Um einen solchen handelt es sich hier, weil die Besteuerung des im Inland von der Klägerin hergestellten Weindestillats in Frage steht. Das FG hat zu Recht in diesem Zusammenhang auf die systematische Stellung der genannten Vorschriften und auf ihren Wortlaut verwiesen. Daraus ergibt sich mit einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit, daß sie nur den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten regeln. Sinn und Zweck des EWG-Vertrages ist die Errichtung eines gemeinsamen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 1 EWGV), nicht aber die Regelung innerstaatlicher Tatbestände, die keinen Bezug zum gemeinsamen Markt haben.
Die Richtigkeit dieser Auffassung wird belegt durch das EGH-Urteil vom 13. März 1979 Rs. 86/78 (EGHE 1979, 897). Dort hat der EGH entschieden, eine Ungleichbehandlung in der Weise, daß einheimische Erzeugnisse höher als eingeführte belastet werden, falle nicht unter Art. 95 EWGV, sondern sie folge vielmehr aus Besonderheiten der nationalen, nicht angeglichenen Rechtsvorschriften auf Gebieten, für die die Mitgliedstaaten zuständig seien. Ferner hat der EGH in diesem Urteil erkannt, aus Art. 37 EWGV folge nicht, daß es den Mitgliedstaaten verboten wäre, einheimische Erzeugnisse, mögen sie dem Monopol unterliegen oder nicht, höher zu belasten als gleichartige eingeführte Erzeugnisse. Zwar hat der EGH in diesem Urteil lediglich die Diskriminierung einheimischer Erzeugnisse gegenüber eingeführten als von Art. 37, 95 EWGV nicht betroffen bezeichnet. Aber seine Schlußfolgerungen müssen sogar in erhöhtem Maße gelten, wenn – wie hier – nur eine Diskriminierung bestimmter einheimischer Produkte gegenüber gleichartiger ebenfalls einheimischer Erzeugnisse in Frage steht. Nichts anderes kann gelten bei einem etwaigen allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot, so daß dahingestellt bleiben kann, ob ein solches über die in den einzelnen Bestimmungen des EWG-Vertrages geregelten speziellen Diskriminierungsverbote hinaus überhaupt besteht.
Die Klägerin meint, eine gegen die Vorschriften des EWG-Vertrags verstoßende rechtliche Diskriminierungsmöglichkeit liege auf den Exportmärkten vor. Sie verkennt dabei, daß eine solche Diskriminierung – läge sie überhaupt vor – ausschließlich auf außersteuerlichem Gebiet liegen kann, also für die Höhe der durch den angefochtenen Bescheid erhobenen Steuer ohne Belang ist. Denn bei einer möglichen Ausfuhr – auch die Klägerin hat nicht behauptet, die betreffende Ware sei ausgeführt worden – wäre die Ware, wie die Klägerin selbst darlegt, von der Branntweinsteuer befreit worden.
Fundstellen
Haufe-Index 510567 |
BFHE 1981, 414 |