Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Weder die zeitweise (1945/1946) Belegung eines zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Herrenhauses durch die Besatzungsmacht noch die vorübergehende (1947/1949) Vermietung nach erfolgter Freigabe rechtfertigen die Herausnahme des Herrenhauses aus der wirtschaftlichen Einheit des landwirtschaftlichen Betriebs.
Dies gilt auch dann, wenn sich der Gutseigentümer während der Zeit der Besetzung des Herrenhauses in einem Wirtschaftsgebäude eine brauchbare Ersatzwohnung geschaffen hat.
Normenkette
BewG §§ 29, 33, 50, 68
Tatbestand
Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien zweckmäßig, gemäß § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) durch Vorbescheid zu erkennen. Es handelt sich um die Bewertung des Schlosses und landwirtschaftlichen Betriebs des Beschwerdeführers (Bf.) auf den 1. Januar 1948. Der Bf. ist seit dem 1. Juli 1939 Eigentümer von Gut und Schloß X. Die Landwirtschaft umfaßt 220 ha. Bei der Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1935 ist das Schloß als zur wirtschaftlichen Einheit des landwirtschaftlichen Betriebs gehörig angesehen worden. Der Einheitswert für die gesamte wirtschaftliche Einheit wurde damals gemäß § 33 des Bewertungsgesetzes (BewG) auf 342.300 RM festgestellt, wobei der Wohnungswert (Wert des Schlosses) mit 120.000 RM angesetzt worden ist. Die Darstellung des Finanzgerichts im Tatbestand, daß wegen Vorhandenseins des Schlosses ein Zuschlag zum landwirtschaftlichen Betrieb vorgenommen worden sei, ist ungenau. Bis Kriegsende (1945) wohnte der Bf. in dem Schloß, von wo aus die Bewirtschaftung geleitet wurde. Von Mai 1945 bis Juni 1946 war das Schloß von der britischen Besatzungsmacht belegt. Der Bf. richtete sich in den über der Brutanstalt liegenden Räumen, die früher als Unterkunft für die Bediensteten der Brutanstalt gedient hatten, eine Ersatzwohnung ein. Nach Freigabe des Schlosses durch die Besatzungsmacht nahm der Bf. die erforderlich gewordenen, längere Zeit dauernden Instandsetzungen vor. Vom 1. April 1947 bis 1. April 1949 war das Schloß vom Bf. an das Hilfswerk der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche mit halbjährlicher Kündigungsfrist für 20.000 RM jährlich vermietet. Seit Ende 1949 hat der Bf. in dem Schlosse einen Hotel- und Restaurationsbetrieb eingerichtet. Das Finanzamt hat eine Nachfeststellung des Einheitswertes für das Schloß auf den 1. Januar 1948 vorgenommen, wobei es dieses als besondere wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens (Geschäftsgrundstück) mit einem Vielfachen der Jahresrohmiete und einem Zuschlag von 10 v. H. wegen Nichtbelastung mit Hauszinssteuer insgesamt mit 161.200 RM bewertete. Gleichzeitig wurde der Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs des Bf. für den 1. Januar 1948 auf 284.600 RM fortgeschrieben. Der Bf. bekämpft die Herausnahme des Schlosses aus der wirtschaftlichen Einheit mit dem landwirtschaftlichen Betrieb und verlangt Aufhebung des Nachfeststellungsbescheides. Einspruch und Berufung des Bf. sind insoweit erfolglos geblieben. Das Finanzgericht hat lediglich die für das Schloß und die Landwirtschaft festgestellten Einheitswerte ermäßigt, indem es den Zuschlag von 10 v. H. wegen Nichtbelastung des Schlosses mit Hauszinssteuer durch Gewährung eines ebenso hohen Abschlages wegen der Lage im Ergebnis beseitigte und bei der Bewertung der Landwirtschaft einen Abschlag wegen Gebäudeunterbestand (unzureichende Wohnungsverhältnisse) zuließ. In der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird geltend gemacht, daß die Voraussetzungen für eine Nachfeststellung des Einheitswertes des Schlosses und eine Wertfortschreibung des landwirtschaftlichen Betriebs jedenfalls am 1. Januar 1948 noch nicht vorgelegen hätten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Das Finanzgericht stützt seine Auffassung über das Vorhandensein von zwei wirtschaftlichen Einheiten, Gut und Schloß, lediglich darauf, daß sich der Bf. seit 1945 eine nach der Verkehrsauffassung vollkommen ausreichende Wohnung außerhalb des Schlosses geschaffen habe, und daß hieraus auf seinen Willen geschlossen werden müsse, diese Wohnung als Dauerwohnung zu behalten. Die Besetzung des Schlosses durch die Besatzungsmacht und die zu vorübergehender Nutzung an das Evangelische Hilfswerk erfolgte Vermietung sieht das Finanzgericht nicht als genügende Grundlage für die Loslösung des Schlosses aus der wirtschaftlichen Einheit mit dem landwirtschaftlichen Betrieb an. Hiergegen bestehen keine Bedenken. Es fragt sich daher nur, ob die Schaffung der Ersatzwohnung die vom Finanzgericht getroffene Entscheidung zu tragen vermag. Dies ist zu verneinen. Das Finanzgericht verkennt selbst nicht die der Ersatzwohnung anhaftenden Mängel: Lage über der Brutanstalt, niedrige Zimmerhöhe von 2,70 m. Auch hat das Finanzgericht bei der Einheitsbewertung der Landwirtschaft einen Abschlag vom Vergleichswert wegen des Minderwertes der Wohnung zugelassen. Dies steht in gewissem Widerspruch zu der Feststellung, daß die Wohnung nach objektiver Auffassung vollkommen ausreichend sei. Es kommt hinzu, daß der Bf. jedenfalls für den hier in Betracht kommenden Zeitpunkt bestreitet, die Absicht aufgegeben zu haben, das Schloß wieder als Familienwohnung zu beziehen. Wird weiterhin die unbestrittene Tatsache berücksichtigt, daß sich ein wesentlicher Teil der Wasserversorgung des Gutes im Schloß befindet, sowie daß Bodenräume (Räucherkammer) und Kellerraum unzweifelhaft der Landwirtschaft dienen und darum auch von der Vermietung an das Hilfswerk ausgenommen waren, so kann die in den außergewöhnlichen Verhältnissen der Jahre 1945 bis 1947 erfolgte Heraussetzung des Bf. aus seiner Schloßwohnung und die spätere vorübergehende Vermietung an das Hilfswerk noch nicht als eine ausreichende Grundlage für die Herausnahme des Schlosses aus der wirtschaftlichen Einheit des landwirtschaftlichen Betriebs am 1. Januar 1948 angesehen werden. Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, soweit sie sich auf die Nachfeststellung des Einheitswertes für das Schloß bezieht. Die Einspruchsentscheidung des Finanzamts und dessen Nachfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1948 für das Schloß werden aufgehoben. Hingegen hat das Finanzamt infolge dieser Aufhebung eine änderung des Wertfortschreibungsbescheids auf den 1. Januar 1948 für die Landwirtschaft vorzunehmen, indem es den vom Finanzgericht zugelassenen Abschlag wegen unzulänglichen Wohnraums wieder beseitigt und gegebenenfalls einen Zuschlag wegen Gebäudeüberbestandes vornimmt, sofern nicht überhaupt der Wertfortschreibungsbescheid für den 1. Januar 1948 in Wegfall kommt und die ursprüngliche Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1935 für Gut und Schloß wieder herzustellen ist. Zu bemerken ist, daß der Einspruch des Bf. vom 7. Juli 1950 sich ausdrücklich auch gegen den Wertfortschreibungsbescheid für das landwirtschaftliche Gut richtet. Dieses Urteil steht der Annahme der Loslösung des Schlosses aus der wirtschaftlichen Einheit des landwirtschaftlichen Gutes nach der Einrichtung des Schloßhotels und Restaurants durch den Bf. nicht entgegen.
Fundstellen
Haufe-Index 407545 |
BStBl III 1953, 30 |
BFHE 1954, 73 |
BFHE 57, 73 |