Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis einer Personenhandelsgesellschaft in Gewinnfeststellungssachen; notwendige Beiladung
Leitsatz (NV)
1. Das Klagerecht nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a. F. wird durch die Personengesellschaft wahrgenommen, die hierbei durch ihre vertretungsberechtigten Gesellschafter handelt. An dieser Rechtslage hat sich durch die Neufassung des § 48 FGO mit Gesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl I 1403) nichts geändert.
2. In einem Rechtsstreit darüber, ob bestimmten KG-Gesellschaftern Gewinnanteile zuzurechnen sind, ist die KG notwendig beizuladen.
Normenkette
FGO §§ 48, 60 Abs. 3, § 123
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren im Streitjahr 1984 Gesellschafter der W-KG, die seit dem Jahre 1985 in der Rechtsform der GmbH & Co. KG betrieben wird.
Persönlich haftende Gesellschafter waren im Streitjahr der Kläger zu 1 und sein im Streitjahr verstorbener Vater W. Kommanditisten waren die minderjährigen Kinder des Klägers zu 1, die Kläger zu 2 und 3.
In § 6 des Gesellschaftsvertrages vom 1. Oktober 1983 war bestimmt, daß in allen Angelegenheiten der KG Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit zulässig sind, abzustimmen war nach Kapitalanteilen. Gemäß § 9 des Gesellschaftsvertrages war das Entnahmerecht der persönlich haftenden Gesellschafter nicht beschränkt, während die Kommanditisten Entnahmen nur zu Unterhalts- und Ausbildungszwecken tätigen durften. Nach § 12 des Vertrages war im Auseinandersetzungsfall die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters nach dem buchmäßigen Kapitalkonto bzw. der Kommanditeinlage zu bemessen.
Im Jahre 1985 wurde der Gesellschaftsvertrag geändert; alleinige persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin der KG ist seit 1985 die W-GmbH, Kommanditisten sind die Kläger zu 1 bis 3.
In der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns 1984 wurde der Gewinn der KG auf die persönlich haftenden Gesellschafter und die Kommanditisten entsprechend dem im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel aufgeteilt. In dem unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid 1984 vom 8. Oktober 1986 folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) zunächst den Angaben in der Erklärung.
Im Anschluß an eine Außenprüfung, die im Jahre 1990 bei der KG durchgeführt wurde, vertrat das FA die Ansicht, daß die Kläger zu 2 und 3 im Streitjahr nicht Mitunternehmer der KG gewesen seien und ihnen deshalb keine Gewinnanteile zugerechnet werden könnten.
Das FA erließ am 3. Mai 1991 einen entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid und rechnete den Gewinn des Streitjahres ausschließlich dem Kläger zu 1 und seinem Vater zu; für die Kläger zu 2 und 3 wurden Gewinnanteile von 0 DM angesetzt.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kläger zu 2 und 3 seien im Streitjahr keine Mitunternehmer gewesen, weil ihre Rechtsstellung nach dem Gesellschaftsvertrag erheblich hinter der eines Kommanditisten nach dem Regelstatut des Handelsgesetzbuchs zurückbleibe. Der Gesellschaftsvertrag enthalte keine Einschränkungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach Kapitalanteilen. Die Kläger zu 2 und 3 könnten deshalb auch bei wesentlichen Entscheidungen, wie z. B. der Änderung des Gesellschaftsvertrages, überstimmt werden.
Im Falle einer Auseinandersetzung hätten die Kläger zu 2 und 3 lediglich Anspruch auf Auszahlung ihrer Kommanditeinlage und der Gewinngutschrift nach Maßgabe der letzten festgestellten Jahresbilanz. Eine Beteiligung an den stillen Reserven des Gesellschaftsvermögens und an einem etwaigen Geschäftswert sei ausgeschlossen. Hinzu komme, daß die Kläger zu 2 und 3 wegen des begrenzten Entnahmerechts nicht einmal frei über ihre Gewinnanteile verfügen könnten. Nach dem Gesamtbild könnten die Kläger zu 2 und 3 deshalb nicht als Mitunternehmer beurteilt werden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die im Gesellschaftsvertrag zuungunsten der Kläger zu 2 und 3 getroffenen Vereinbarungen zeitlich nicht beschränkt seien.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 15 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das angefochtene Urteil hätte nicht ohne vorherige Beiladung der KG ergehen dürfen (§ 60 Abs. 3 i. V. m. § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO).
Gemäß § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. In Angelegenheiten, die einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid betreffen, kommt eine Beiladung nur in Betracht, wenn die Mitberechtigten nach § 48 Abs. 1 FGO klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob den Klägern zu 2 und 3 als Mitunternehmern der KG im Streitjahr Gewinnanteile zuzurechnen oder ob lediglich für die persönlich haftenden Gesellschafter Gewinnanteile festzustellen sind.
In einem Rechtsstreit über die Mitunternehmerstellung eines Gesellschafters sind nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO außer den Gesellschaftern, deren Mitunternehmereigenschaft vom FA bestritten wird, auch diejenigen Gesellschafter klagebefugt, deren Mitunternehmerstellung nicht im Streit ist, die aber gleichwohl von der Feststellung über die Beteiligung weiterer Gesellschafter am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft berührt werden. Berührt wird ein Gesellschafter durch die Feststellung zur Mitunternehmerschaft eines Dritten dann, wenn sich durch die Bejahung oder Verneinung der Frage sein Anteil am Gewinn ändern würde (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Mai 1987 IV R 283/84, BFHE 149, 523, BStBl II 1987, 601).
Im Streitfall ändert sich durch die Verneinung der Mitunternehmereigenschaft der Kläger zu 2 und 3 die Höhe des Gewinnanteils der persönlich haftenden Gesellschafter. Das FG hat deshalb zu Recht die Klagebefugnis des Klägers zu 1 bejaht.
Außer den Klägern zu 1 bis 3 ist aber auch die KG nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klagebefugt. Die Rechtsprechung hat diese Bestimmung in dem Sinne ausgelegt, daß das Klagerecht von der Personengesellschaft wahrgenommen wird, die hierbei durch ihre nach Gesellschaftsrecht vertretungsberechtigten Gesellschafter handelt (BFH-Urteil vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672, ständige Rechtsprechung). Sie wird dabei in Prozeßstandschaft für ihre Gesellschafter tätig (BFH- Beschluß vom 31. Januar 1992 VIII B 33/90, BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung besteht eine Klagebefugnis der Gesellschaft darüber hinaus auch in den Fällen, in denen die Gesellschafter ein eigenes Klagerecht nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 FGO in Anspruch nehmen können (BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559 m. w. N.). An dieser Rechtslage hat sich durch die Neufassung des § 48 FGO mit Gesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl I, 1403) nichts geändert (ebenso: Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, 17. Aufl., § 352 AO 1977 n. F. Anm. 2; a. A. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 48 FGO, Tz. 4). Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO n. F. sind bei einheitlichen Feststellungsbescheiden grundsätzlich die "zur Vertretung berufenen Geschäftsführer" klagebefugt. Aus diesem Hinweis auf die Vertretungsbefugnis wird deutlich, daß die geschäftsführenden Gesellschafter bei der Wahrnehmung der prozessualen Befugnisse nach § 48 Abs. 1 FGO als Organe der Personengesellschaft tätig werden. Es kann deshalb im Streitfall dahinstehen, ob das Gesetz in seiner geänderten Fassung in allen anhängigen Verfahren ab 1. Januar 1996 zu beachten ist, oder ob für den zeitlichen Geltungsbereich der Neufassung des § 48 FGO die Überleitungsvorschrift des Art. 97 § 18 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i. d. F. des Gesetzes vom 24. Juni 1994 (betreffend die im wesentlichen gleichlautende Neufassung des § 352 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) entsprechend gilt (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., Tz. 1).
Wer klagebefugt ist, aber nicht selbst Klage erhoben hat, ist zum Verfahren notwendig beizuladen (§ 60 Abs. 3 FGO). Deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch bei der Klage eines Gesellschafters zu Fragen, die nur ihn selbst berühren, die Gesellschaft beizuladen (Beschluß in BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559 m. w. N.).
Von einer an sich gebotenen Beiladung der Gesellschaft kann nur dann abgesehen werden, wenn diese handelsrechtlich vollbeendet ist (Beschluß in BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559 m. w. N.). Im Streitfall sind nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils und nach dem Inhalt der Akten keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die KG nicht mehr besteht. Die im Jahre 1985 erfolgte formwechselnde Umwandlung in eine GmbH & Co. KG berührt ihre Identität nicht.
Die notwendige Beiladung betrifft die Grundordnung des Verfahrens. Das Unterlassen der notwendigen Beiladung ist ein Verfahrensmangel, den das Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat. Da die Beiladung in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden kann (§ 123 FGO), muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 421154 |
BFH/NV 1996, 485 |