Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Einführung der Gewerbefreiheit für Apotheken durch die amerik. Militärregierung Anfang 1949 rechtfertigt grundsätzlich noch keine Minderbewertung des Apothekenbetriebsrechts für den 1. Januar 1948 (21. Juni 1948).
Normenkette
BewG §§ 10, 9, 58, 100; BewDV § 50; BewG § 109
Tatbestand
Es handelt sich um die Fortschreibung des Einheitswerts für das veräußerliche und vererbliche Apothekenrealrecht des Beschwerdeführers (Bf.) auf dem Grundstück in A, B-Straße 70, auf den 1. Januar 1948. In diesem Grundstück wurde bis zur Kriegszerstörung des Gebäudes am 6. April 1945 von dem Bf. die C- Apotheke betrieben. Seit dem Wiederaufbau des zerstörten Gebäudes im November 1950 befindet sich die C-Apotheke wieder in dem alten Grundstück. Für den Erwerb der Apotheke im Januar 1941 hatte der Bf. 250.000 RM gezahlt, davon 140.000 RM für das Realrecht. In der Zeit zwischen Zerstörung und Wiederaufbau des Gebäudes hat der Bf. auf Grund einer Sondergenehmigung in Mieträumen des Grundstücks in A, B-Straße 90, eine Notapotheke betrieben. Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1946 wurde das Apothekenrealrecht mit 66.000 RM bewertet (90 v. H. des Durchschnitts der Jahresumsätze der Apotheke von 1937, 1938 und 1945). Der Bf. hat Fortschreibung des Einheitswerts für das Realrecht auf den 1. Januar 1948 auf zunächst 5.000 RM beantragt. Das Finanzamt schrieb den Einheitswert auf den 1. Januar 1948 auf 52.000 RM fort. Dieser Wert ergab sich auf Grund folgender Berechnung:
Umsätze 1937 -------------------------- 80.000,00 RM Umsätze 1938 -------------------------- 95.000,00 RM Umsätze 1945 (anstatt des tatsächlichen Umsatzes mit 0 RM angesetzt) --------------- 0,00 RM zusammen ----------------------------- 175.000,00 RM Durchschnitt 175.000 : 3 = ------------ 58.333,00 RM davon 90 v. H. (583,33 x 90) = -------- 52.499,70 RM abgerundet (Einheitswert) ------------- 52.000,00 RM.In der Sprungberufung erbat der Bf. Bewertung des Apothekenrealrechts mit 0 RM. Er berief sich auf das nichtveröffentlichte Urteil des Bundesfinanzhofs III 136/52 vom 19. Dezember 1952, demzufolge der Umsatz aus der Notapotheke für die Bewertung des Apothekenbetriebsrechts unberücksichtigt bleiben müsse. Das Realrecht sei durch Zerstörung des Apothekengebäudes und der in der nächsten Umgebung gelegenen Gebäude, den dadurch hervorgerufenen Kundenrückgang sowie durch die am 11. Januar 1949 erfolgte Einführung der allgemeinen Gewerbefreiheit durch die amerikanische Militärregierung auch auf dem Gebiete des Apothekenwesens bereits am 1. Januar 1948 wertlos gewesen. Das Finanzgericht hat den Einheitswert für das Apothekenrealrecht auf den 1. Januar 1948 auf 45.000 RM herabgesetzt. Das angefochtene Urteil beruht auf folgenden Erwägungen: Der Bundesfinanzhof habe in dem vom Bf. angeführten Urteil das Urteil des Finanzgerichts lediglich wegen Verletzung des § 11 Ziff. 1 des Soforthilfegesetzes (SHG) aufgehoben. Er habe nicht ausgesprochen, daß das Apothekenrecht wegen Zerstörung des Gebäudes am 21. Juni 1948 wertlos gewesen sei, auch nicht die Ermittlung des gemeinen Werts des Apothekenbetriebsrechts nach den Umsätzen, sondern lediglich in diesem Falle die Einbeziehung des Umsatzes aus der Notapotheke mißbilligt. Maßgebend sei gemäß § 58 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) der gemeine Wert des Apothekenrechts. Zur Ermittlung des gemeinen Werts könne nach allgemeiner Auffassung und übung auf die Umsätze der Apotheke zurückgegangen werden. Zwar seien am Stichtag die Apotheke und viele Gebäude in der Nachbarschaft noch zerstört gewesen. Auch habe die Apotheke des Bf. infolge der Kriegszerstörungen einen Teil ihrer früheren Kundschaft verloren. Andererseits sei jedoch schon am 1. Januar 1948 in der amerikanischen Zone mit einem baldigen wirtschaftlichen Wiederaufstieg sowie mit dem Wiederaufbau des zerstörten Stadtgebiets zu rechnen gewesen. Der Einheitswert des Apothekenrealrechts müsse geschätzt werden. Hierbei könnten die Umsätze vor der Zerstörung der Apotheke als Anhalt dienen. Der letzte Jahresumsatz der C-Apotheke vor dem Bewertungsstichtag (Jahr 1944) habe 178.182 RM betragen. Die Notapotheke habe im Jahre 1950 einen Umsatz von 133.570 DM erzielt. Nach Wiedereröffnung der C-Apotheke auf dem alten Grundstück (1. November 1950) habe sich der Umsatz im Jahre 1951 auf 180.238 DM erhöht. Es könne unbedenklich angenommen werden, daß der Umsatz der C-Apotheke höher liege als der bloße Unterschiedsbetrag zwischen dem Umsatz 1950 (Notapotheke) und 1951 (Wiedereröffnung C-Apotheke in dem alten Grundstück). Aus den Umsätzen der Jahre 1941 bis 1943 errechne sich ein durchschnittlicher Jahresumsatz von 181.650 RM. Danach würde sich bei Anwendung des Hundertsatzes 90 (statt 110) auf den 1. Januar 1944 ein Einheitswert von 162.000 RM für das Apothekenrealrecht ergeben. Der vom Finanzamt auf den 1. Januar 1948 festgestellte Einheitswert von 52.000 RM ergebe rund 32 v. H. von 162.000 RM. Durch die Einführung der allgemeinen Gewerbefreiheit durch die amerikanische Militärregierung im Januar 1949 seien die Apothekenbetriebsrechte in der amerikanischen Zone entwertet worden. Dies habe sich jedoch auf dem Währungsstichtag vom 21. Juni 1948 noch nicht ausgewirkt. Am 1. Januar 1948 sei die eintretende Entwertung des Apothekenrealrechts des Bf. durch die Gewährung der allgemeinen Gewerbefreiheit für Apotheken noch nicht vorauszusehen gewesen. Es habe damals lediglich eine ungeklärte Lage bestanden, da die deutsche und die amerikanische Einstellung zu dem Begriff der Gewerbefreiheit im Gegensatz zueinander gestanden hätten. Diese Tatsache wäre wohl von manchem Käufer eines Apothekenbetriebsrechts bereits zum 1. Januar 1948 als wertmindernder Umstand berücksichtigt worden. Das Apothekenbetriebsrecht sei sonach zwar am 1. Januar 1948 auf Grund der verschiedenen hervorgehobenen Umstände in einem gewissen Umfang entwertet gewesen, immerhin habe es noch einen beachtlichen Wert gehabt. Im Hinblick auf den früheren Geschäftsumfang und die objektive günstige Lage des Grundstücks sei damit zu rechnen gewesen, daß sich die Umsätze der C-Apotheke nach Wiederaufbau des zerstörten Gebäudes und Wiedereinzug in das alte Grundstück wiederum günstig entwickeln würden. Unter Berücksichtigung aller für die Bewertung beachtlichen Umstände sei der angemessene gemeine Wert des Apothekenrealrechts am 1. Januar 1948 auf 45.000 RM zu schätzen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.). Es wird beanstandet, daß das Finanzgericht bei Schätzung des Einheitswerts des Apothekenrealrechts die vom Bf. geltend gemachten wertmindernden Umstände nicht ausreichend berücksichtigt und andererseits Merkmale für die Bewertung zugrunde gelegt habe, die als Maßstab für die Bewertung dieses Rechts ungeeignet gewesen seien. Der Bf. verbleibt dabei, daß der Einheitswert seines Apothekenrealrechts am 1. Januar 1948 auf 0 RM fortzuschreiben sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Die Auslegung des Urteils des Senats vom 19. Dezember 1952 durch das Finanzgericht ist nicht zu beanstanden. Auch sonst läßt das angefochtene Urteil weder Rechtsirrtum noch einen sonstigen Rechtsbeschwerdegrund erkennen. Mit Recht ist das Finanzgericht davon ausgegangen, daß das Apothekenrealrecht gemäß § 58 Abs. 4 BewG mit dem gemeinen Wert (§ 10 a. a. O.) zu bewerten ist. Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß zur Ermittlung des gemeinen Werts dieses Rechts auf die Umsätze der Apotheke zurückgegriffen wird. Dies ist vom Reichsfinanzhof und Bundesfinanzhof wiederholt anerkannt worden, zum Beispiel in dem Urteil des Senats III 78/55 U vom 17. August 1956 (BStBl 1956 III S. 297, Slg. Bd. 63 S. 256). Die Vorinstanzen haben bei Schätzung des gemeinen Werts des Apothekenrealrechts beträchtliche Abschläge wegen der verschiedenen für eine Wertminderung in Betracht kommenden Umstände zugelassen. Von einer Nichtberücksichtigung der vom Bf. vorgebrachten Umstände ist hiernach keine Rede. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht die Einführung der Gewerbefreiheit für Apotheken in der amerikanischen Zone im Januar 1949 noch nicht als bereits am Stichtag bestehend angesehen hat. Im übrigen ist das Finanzgericht zugunsten des Bf. sogar von einer bereits am Stichtag bestehenden, sich wertmindernd auf den gemeinen Wert des Apothekenrechts auswirkenden Ungewißheit über die Weiterentwicklung der Apothekenrechte ausgegangen. Darüber, ob zur Ermittlung der Höhe der Wertminderung ein Sachverständiger beizuziehen war oder nicht, hatte das Finanzgericht nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu befinden. Wenn es von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen und den gemeinen Wert des Apothekenrealrechts für den 1. Januar 1948 nur auf ca. 28 v. H. des nach dem Umsatz errechneten Einheitswerts auf den 1. Januar 1944 von 162.000 RM geschätzt hat, so kann ihm hieraus kein berechtigter Vorwurf gemacht werden. Schließlich ist die Schätzung des gemeinen Werts des Apothekenrealrechts des Bf. im wesentlichen Tatsachenfeststellung, die, sofern sie nicht auf Rechtsirrtum oder sonstigen wesentlichen Mängeln beruht, in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht angreifbar ist. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 1956 (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 4 S. 167 ff.) und des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 betreffend die Verfassungsbeschwerde eines Apothekers wegen Versagung der Erteilung der Betriebserlaubnis zur Eröffnung einer Apotheke (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 7 S. 377) stehen der hier getroffenen Entscheidung über die Bewertung eines Apothekenrealrechts auf den 1. Januar 1948 nicht entgegen.
Fundstellen
Haufe-Index 409299 |
BStBl III 1959, 167 |
BFHE 1959, 436 |
BFHE 68, 436 |