Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbliche Tätigkeit eines Rentenhändlers
Leitsatz (amtlich)
Ein angestellter Rentenhändler, der nachhaltig unter Ausnützung seiner beruflichen Möglichkeiten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Rentenwerte überwiegend taggleich und unter Ausschaltung jeglichen Kursrisikos "durchhandelt", erzielt damit in der Regel Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Orientierungssatz
1. Wertpapiergeschäfte selbst in erheblichem Umfang gehören im allgemeinen noch zur privaten Vermögensverwaltung. Auch Angehörige der Bankbranche können Wertpapiergeschäfte tätigen, die in ihrer Gesamtheit dem von der Verkehrsauffassung geprägten Bild einer privaten Vermögensverwaltung entsprechen. Nicht jede Nutzbarmachung beruflicher Erfahrungen, Kenntnisse und Verbindungen macht private Geschäfte zu gewerblichen. Gewinne aus Wertpapiergeschäften können jedoch dann zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören, wenn besondere Umstände vorliegen, wie z.B. das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, der regelmäßige Besuch von Börsen, Ausnutzen eines bestimmten Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrung oder andere bei einer privaten Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Die Frage, was noch als private Vermögensverwaltung anzusehen ist, läßt sich nur nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilen. Hierbei kommt es u.a. auf die Art der Tätigkeit, bei Kaufgeschäften und Verkaufsgeschäften auch auf den Gegenstand der Verkaufstätigkeit an. In Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob die in Frage stehende Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (vgl. BFH-Urteil vom 25.2.1982 IV R 25/78).
3. Zur privaten Vermögensverwaltung kann auch die Anschaffung und Veräußerung von Vermögensgegenständen gehören; entscheidend für die entsprechende Zuordnung ist, ob Ankauf und Veräußerung lediglich den Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen oder ob die Umschichtung von Vermögenswerten und die Verwertung der Vermögenssubstanz entscheidend in den Vordergrund treten. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die Abgrenzung zwischen privater Grundstücksveräußerung und gewerblichem Grundstückshandel; er ist auch geeignet, beim Ankauf und Verkauf von beweglichen Sachen und Rechten die gewerbliche Tätigkeit von der privaten Vermögensverwaltung abzugrenzen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; GewStDV § 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 26.11.1986; Aktenzeichen IX 339/83) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger ist gelernter Bankkaufmann. Er war als Rentenhändler bei einer Bank tätig. Anläßlich einer Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, daß er von August 1971 bis Oktober 1976 über ein Konto bei der S-Bank insgesamt 51 und von Januar bis September 1971 über ein Konto bei der A-Bank 7 Geschäfte mit festverzinslichen Wertpapieren (Rentenwerten) inländischer Emittenten getätigt hatte. In nahezu sämtlichen Fällen war "taggleich durchgehandelt" worden. Der Nominalwert der mit den insgesamt 58 Geschäften durchgehandelten Wertpapiere betrug … Mio DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ermittelte Einnahmen aus diesen Wertpapiergeschäften in Höhe von 1 201 988 DM.
Das FA unterwarf die Einkünfte aus diesen Wertpapiergeschäften als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Einkommensteuer. Mit der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage machten die Kläger geltend, es handle sich um nach § 23 Abs.2 Nr.1 EStG steuerfreie Spekulationsgewinne. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Einkünfte seien (unter Berücksichtigung einer vom FA noch zu berechnenden Rückstellung für Gewerbesteuer) nach § 15 Abs.1 Nr.1 Satz 1 EStG steuerbar; sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 70.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Der Kläger habe sich nicht am allgemeinen Geschäftsverkehr beteiligt. Er habe sich Dritten gegenüber niemals am An- und Verkauf von Wertpapieren interessiert gezeigt. Seine geschäftlichen Kontakte hätten sich auf die Aufträge an Bankinstitute beschränkt. Die An- und Verkäufe seien wie bei privaten Anlegern üblich im Rahmen privater Vermögensverwaltung getätigt worden. Die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit dürfe entgegen der Auffassung des FG nicht aus dem Umfang der durchgeführten Wertpapiergeschäfte hergeleitet werden. § 22 Nr.3 EStG sei nur anwendbar, wenn die Leistung unter keine andere Einkunftsart falle. Im Streitfall sei § 22 Nr.2 i.V.m. § 23 Abs.1 EStG vorrangig, dies freilich mit der Einschränkung, daß die Spekulation mit sämtlichen Werten nach § 23 Abs.2 Nr.1 EStG außer Ansatz bliebe.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für die Streitjahre 1971 bis 1976 unter Berücksichtigung dessen herabzusetzen, daß die Einkünfte aus den Wertpapiergeschäften als steuerfreie Spekulationsgewinne gewertet werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat revisionsrechtlich einwandfrei angenommen, daß der Kläger mit dem An- und Verkauf von Rentenwerten gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 Abs.1 Nr.1 EStG erzielte.
1. Die Annahme eines Gewerbebetriebs setzt u.a. eine selbständige nachhaltige Tätigkeit voraus, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt; außerdem ist erforderlich, daß die Tätigkeit den Rahmen privater Vermögensverwaltung übersteigt (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 427 f., BStBl II 1984, 751). Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung.
2. Insbesondere war die Tätigkeit des Klägers "nachhaltig" (vgl. hierzu Urteile des BFH vom 21.August 1985 I R 60/80, BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88; vom 31.Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66). Entgegen der Meinung der Revision ist auch das Merkmal einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfüllt. Für die dazu notwendige Beteiligung am allgemeinen Güter- und Leistungsaustausch ist nicht erforderlich, daß die Tätigkeit allgemein für das Publikum erkennbar ist; es genügt bereits die Erkennbarkeit für die beteiligten Kreise (BFH- Urteil vom 2.April 1971 VI R 149/67, BFHE 102, 261, BStBl II 1971, 620). Es ist auch nicht notwendig, daß der Steuerpflichtige seine Leistungen einer Mehrzahl von Interessenten anbietet (Urteil des erkennenden Senats vom 8.März 1989 X R 108/87, BFHE 156, 218, 226, BStBl II 1989, 572 m.w.N.).
3. a) Die Frage, was noch als private Vermögensverwaltung anzusehen ist, läßt sich nur nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilen. Hierbei kommt es u.a. auf die Art der Tätigkeit, bei Kauf- und Verkaufsgeschäften auch auf den Gegenstand der Verkaufstätigkeit an. In Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob die in Frage stehende Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (BFH-Urteil vom 25.Februar 1982 IV R 25/78, BFHE 135, 316, 319, BStBl II 1982, 461). Zur privaten Vermögensverwaltung kann auch die Anschaffung und Veräußerung von Vermögensgegenständen gehören; entscheidend für die entsprechende Zuordnung ist, ob Ankauf und Veräußerung lediglich den Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen oder ob die Umschichtung von Vermögenswerten und die Verwertung der Vermögenssubstanz entscheidend in den Vordergrund treten (BFH-Urteile vom 4.März 1980 VIII R 150/76, BFHE 130, 157, 162, BStBl II 1980, 389; in BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66, unter 7.a). Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die Abgrenzung zwischen privater Grundstücksveräußerung und gewerblichem Grundstückshandel (vgl. BFH-Urteil vom 10.August 1983 I R 120/80, BFHE 139, 386, 390, BStBl II 1984, 137); er ist auch geeignet, beim An- und Verkauf von beweglichen Sachen und Rechten die gewerbliche Tätigkeit von der privaten Vermögensverwaltung abzugrenzen. Der I.Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 7.Februar 1990 I R 173/85 (nicht veröffentlicht ―NV―) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats zum umsatzsteuerrechtlichen Unternehmerbegriff (Urteil vom 29.Juni 1987 X R 23/82, BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744) eine gewerbliche Tätigkeit bejaht, wenn sich ein Steuerpflichtiger dadurch "wie ein Händler" verhalten hat, daß er planmäßig und auf Dauer mit auf Güterumschlag gerichteter Absicht tätig war.
b) Wertpapiergeschäfte selbst in erheblichem Umfang gehören im allgemeinen noch zur privaten Vermögensverwaltung (BFH- Urteil in BFHE 130, 157, 162, BStBl II 1980, 389 m.w.N.). Auch Angehörige der Bankbranche können Wertpapiergeschäfte tätigen, die in ihrer Gesamtheit dem von der Verkehrsauffassung geprägten Bild einer privaten Vermögensverwaltung entsprechen (vgl. BFH-Urteile vom 15.Februar 1966 I 95/63, BFHE 85, 171, BStBl III 1966, 274 - Wertpapiergeschäfte eines Bankiers; vom 11.Juli 1968 IV 139/63, BFHE 93, 281, BStBl II 1968, 775 - Wertpapiergeschäfte eines Börsenmaklers). Nicht jede Nutzbarmachung beruflicher Erfahrungen, Kenntnisse und Verbindungen macht private Geschäfte zu gewerblichen (BFH-Urteil vom 24.Oktober 1969 IV R 139/68, BFHE 98, 494, BStBl II 1970, 411). Gewinne aus Wertpapiergeschäften können jedoch dann zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören, wenn besondere Umstände vorliegen, wie z.B. das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, der regelmäßige Besuch von Börsen, Ausnutzen eines bestimmten Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrung oder andere bei einer privaten Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen (BFH-Urteile in BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 389; vom 6.Dezember 1983 VIII R 172/83, BFHE 140, 82, 86, BStBl II 1984, 132; vom 22.September 1987 IX R 162/83, BFH/NV 1988, 230).
c) Solche besonderen Umstände sind im Streitfall gegeben. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Gewerblichkeit bereits aus dem ungewöhnlichen Umfang der Geschäfte folgt. Das FG hat die Annahme gewerblicher Einkünfte jedoch zu Recht darauf gestützt, daß die Wertpapiergeschäfte des Klägers in einer für die private Vermögensverwaltung ungewöhnlichen Art und Weise abgewickelt worden sind. Das FG hat hierzu festgestellt:
Der Rentenhandel werde überwiegend im Telefonverkehr zwischen den einzelnen Marktteilnehmern abgewickelt. Während der normale Anleger Wertpapiere im Regelfall nur dadurch erwerben könne, daß er seiner Bank einen Kaufauftrag erteile, habe sich der Kläger selbst als Marktteilnehmer betätigen können. Der Kläger habe nach seiner eigenen Einlassung mit Käufern bzw. Verkäufern von Wertpapieren verhandelt und Geschäfte auf eigene Rechnung und im eigenen Namen getätigt. Er habe die Geschäfte unter Ausnützung seiner beruflichen Möglichkeiten überwiegend taggleich und unter Ausschaltung jeglichen Kursrisikos durchgehandelt. Er habe sich damit "bankentypisch" betätigt, wodurch der Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschritten sei.
Diese rechtliche Schlußfolgerung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Wertpapiergeschäfte des Klägers haben nichts mit An- und Verkaufsgeschäften im Rahmen einer privaten Spekulation und/oder Depotpflege gemein. Der Kläger hat nicht vorhandenes Vermögen umgeschichtet, sondern aus An- und Verkaufspreis resultierende Kursdifferenzen realisiert.
Fundstellen
Haufe-Index 64015 |
BFH/NV 1991, 44 |
BStBl II 1991, 631 |
BFHE 164, 53 |
BFHE 1992, 53 |
BB 1991, 1102 |
BB 1991, 1102-1103 (LT) |
DB 1991, 1256-1257 (LT) |
DStR 1991, 709 (KT) |
HFR 1991, 588 (LT) |
StE 1991, 198 (K) |