Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält an der Auffassung fest, daß das FA nach § 5 WoPG berechtigt ist, bereits gewährte Wohnungsbau-Prämien zurückzufordern, wenn der Prämienstelle nicht bekannt war, daß die Voraussetzungen des § 1 WoPG von Anfang an nicht erfüllt waren.
2. Die Prämienstelle des FA braucht die Kenntnis von Tatsachen, die bei der Veranlagungsstelle aktenkundig sind, sich in aller Regel nicht zurechnen zu lassen.
Normenkette
WoPG §§ 1, 4-5
Tatbestand
Der Kläger, der seit dem 6. Dezember 1958 verheiratet ist, hat in den Jahren 1959 bis 1962 auf Grund eines im Jahre 1958 abgeschlossenen Bausparvertrages Bausparleistungen erbracht und dafür insgesamt 1 154,30 DM Wohnungsbau-Prämie erhalten. In den Anträgen auf Gewährung der Wohnungsbau-Prämie hat er als Beruf "Diplom-Physiker" angegeben, aber die Frage nach der Beschäftigungsstelle nicht beantwortet; auf die Fragen nach der "jetzigen Wohnung" und der Wohnung am 20. September des Vorjahres hat er für sich und seine Ehefrau stets "G, D.-Str." und als Ort der Unterschriftsleistung ebenfalls "G" angegeben. Die Frage nach einem etwaigen doppelten Wohnsitz eines der beiden Ehegatten ließ er stets unbeantwortet.
Der Kläger reichte dem FA auch Einkommensteuererklärungen ein, in denen er auf die Wohnungsbau-Prämien-Anträge hinwies. Das FA ging für die Veranlagungszeiträume 1959 bis 1961 davon aus, daß der Kläger unbeschränkt steuerpflichtig sei und erließ nv-Verfügungen, die es dem Kläger nicht bekanntgab. In der Einkommensteuererklärung 1962 vom 30. Mai 1963 gab der Kläger - wie schon im Vorjahr - Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Schweden an. Die Veranlagungsstelle des FA behandelte ihn daraufhin als beschränkt Steuerpflichtigen und teilte der Prämienstelle mit, daß der Kläger sich seit Jahren in Schweden aufhalte. Die Prämienstelle des FA forderte den Kläger auf, den Gesamtbetrag der Wohnungsbau-Prämie der Jahre 1959 bis 1962 zurückzuzahlen. Den Einspruch wies es als unbegründet zurück, weil der Kläger es bewußt unterlassen habe, in den Prämienanträgen 1959 bis 1962 anzugeben, daß er im Ausland wohne.
Die Klage war erfolglos.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Auch die Revision hat keinen Erfolg.
Das FG hat den Rückforderungsanspruch des FA zutreffend nach § 5 WoPG in Verbidnung mit § 1 WoPG für begründet gehalten. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich zwar nicht unmittelbar, daß die Wohnungsbau-Prämien auch dann zurückzuzahlen sind, wenn die Voraussetzungen des § 1 WoPG nicht erfüllt sind. § 5 Abs. 1 und 2 WoPG beschränkt sich darauf, die Rückzahlung der Prämien in den Fällen anzuordnen, in denen die tatsächlich erbrachten Aufwendungen von Anfang an nicht begünstigt waren oder der Grund für die Begünstigung nachträglich weggefallen ist. Der Senat hat jedoch bereits in dem Urteil VI 260/64 U vom 26. März 1965 (BFH 82, 522, BStBl III 1965, 435) dargelegt, daß diese beiden Fälle nur als Sonderfälle des übergeordneten Grundsatzes anzusehen seien, daß Wohnungsbau-Prämien, für die von vornherein die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlagen, zurückgezahlt werden müssen. An dieser Auffassung hält der Senat nach erneuter Prüfung fest. Die Vergünstigung des WoPG darf nur den Personen gewährt werden, die objektiv die vom Gesetzgeber gesetzten Bedingungen erfüllen (Urteil des BFH VI 317/65 vom 25. November 1966, BFH 88, 36, BStBl III 1967, 299). Das FA ist deshalb grundsätzlich berechtigt, die Prämien zurückzufordern, wenn schon die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Gesetzes (§ 1 WoPG) nicht vorliegen, es sei denn, daß die Grundsätze von Treu und Glauben oder die gesetzlichen Verjährungsfristen das Rückforderungsrecht beschränken.
Die Finanzverwaltung zahlt die Wohnungsbau-Prämie nicht in ihrer Eigenschaft als Eingriffsverwaltung, sondern im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit (vgl. Entscheidung des BVerfG 1 BvL 12/62 vom 12. Februar 1964, BVerfGE 17, 210, BStBl I 1964, 46). Aus dieser Wesensverschiedenheit von Steuern und Prämien ergeben sich sachliche und verfahrensrechtliche Folgen (BFH-Urteil VI 317/65, a. a. O.). In der Organisation des FA ist eine besondere Dienststelle, die Prämienstelle, mit der Gewährung der Prämien betraut. Sie hat nach § 4 Abs. 3 Satz 2 WoPG ein eigenes Prüfungsrecht der Anträge. Es kommt demnach darauf an, daß dieser Stelle die für die Gewährung erforderlichen Voraussetzungen dargelegt werden. Der Antragsteller hat die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben zu versichern.
Im Streitfall brauchte die Prämienstelle des beklagten FA an der Richtigkeit und Vollständigkeit der mit einer Ausnahme handschriftlich abgefaßten Anträge nicht zu zweifeln, zumal es sich nach der Vorbildung und dem Beruf des Klägers nicht um einen ungewandten und in Behördensachen unerfahrenen Antragsteller handelte. Die in den Formularen vom Kläger jeweils offengelassenen Fragen gaben der Dienststelle keinen Anlaß, weitere Aufklärungen von dem Kläger zu verlangen. Die Herkunft der Mittel für die Bausparleistungen brauchte die Prämienstelle nicht zu prüfen, sofern die Mittel nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredits standen. Die Frage nach einem etwaigen doppelten Wohnsitz diente der Feststellung des Ortes, an dem der Antragsteller sich in dem Kalenderjahr, in das die Aufwendungen zur Förderung des Wohnungsbaus fallen, überwiegend aufgehalten hat. Da der Kläger für die Streitjahre in jedem Antrag viermal denselben inländischen Wohnsitz für sich und seine Ehefrau angegeben hatte und der Ort in der Unterschrift zum fünften Mal erschien, konnte ein Verdacht in bezug auf einen zweiten Wohnsitz nicht auftauchen, wenn die Prämienstelle von anderer Seite auf die Unvollständigkeit der Angaben nicht hingewiesen wurde.
Das FG hat es abgelehnt, eine etwaige bessere Kenntnis der Veranlagungsstelle der Prämienstelle zuzurechnen, weil das infolge der organisatorischen Trennung beider Dienststellen nicht angängig sei. Dieser Auffassung tritt der erkennende Senat bei. Der BFH hat Tatsachen, deren Kenntnis aus den Akten hätte gewonnen werden können, nur dann als neu und rechtserheblich angesehen, wenn Beamte derselben Dienststelle (Sachgebietsleiter oder Sachbearbeiter) die Kenntnis aus den Akten einer von dieser Dienststelle bearbeiteten Steuerart hätten schöpfen können (BFH-Urteil V 166/59 U vom 6. September 1962, BFH 75, 623, BStBl III 1962, 494). Der BFH hat es auch nicht als Verstoß gegen die Aufklärungspflicht des Veranlagungsbeamten gewertet, wenn der Beamte den Inhalt der Einheitswertakten, die sich in seiner Dienststelle befinden, nicht kennt, sofern die Erklärungen des Steuerpflichtigen zur Berücksichtigung dieser Akten keine Veranlassung geben (BFH-Urteil IV 305/63 U vom 14. Dezember 1965, BFH 84, 577, BStBl III 1966, 209). Danach kann in der Regel die Kenntnis oder das Kennenmüssen von Tatsachen nur den Beamten innerhalb derselben Dienststelle zugerechnet werden (vgl. auch die Entscheidung des Senats VI R 135/66 vom 21. Juni 1968, BFH 93, 33, BStBl II 1968, 698).
Zwischen Dienststellen desselben FA, die organisatorisch, personell und nach ihren sachlichen Aufgaben voneinander getrennt arbeiten, ist eine Zurechnung aktenkundiger Tatsachen nur zulässig, wenn ein sachlich begründeter Anlaß bestanden hat, diese Tatsachen einander mitzuteilen. Der Steuerpflichtige, der die Verschiedenheit der Dienststellen, die seine Erklärungen und Anträge bescheiden, kennt, kann sich nicht darauf berufen, daß das FA als eine Einheit anzusehen sei. Der Grundsatz von Treu und Glauben rechtfertigt nicht seine Einlassung, daß eine Erklärung, die er irgendeiner Dienststelle des FA gegenüber abgegeben habe, beim FA als ganzem nunmehr als bekannt gelten müsse.
Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ist die Rüge des Klägers, die tatsächlichen Feststellungen des FG seien unvollständig, nicht begründet.
Die Veranlagungsstelle des beklagten FA hat, wie das FG festgestellt hat, erst durch die am 28. Mai 1962 beim FA eingegangene Einkommensteuererklärung 1961 Angaben darüber erhalten, daß sich der Kläger als Arbeitnehmer in Schweden betätigt hatte. Die für den Veranlagungszeitraum 1961 von der Veranlagungsstelle zur Steuerpflicht des Klägers getroffene Entscheidung war die Ursache dafür, daß die Prämienstelle von diesen Angaben des Klägers nichts erfuhr. Zu einer Nachprüfung der Prämienberechtigung des Klägers hatte die Prämienstelle, als ihr der Prämienantrag für das Jahr 1961 vorlag, aus eigener Wahrnehmung keinen Anlaß. Die bei der Veranlagungsstelle aktenkundige Tatsache, daß der Kläger Einkünfte in Schweden bezogen hatte, kann der Prämienstelle wegen der Trennung beider Dienststellen nicht als bekannt zugerechnet werden.
Der Hinweis auf die Zusammenarbeit beider Dienststellen des FA führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Zurechnung der Kenntnis von Tatsachen wäre nur denkbar, wenn die Dienststellen auch die Grundlagen für ihre Entscheidungen austauschen müßten. Die jährliche Nachricht der Prämienstelle an die Veranlagungsstelle beschränkte sich jedoch auf die Mitteilung über die vollzogene Gewährung der Prämie, während die Veranlagungsstellle bei einer von ihr für unverändert gehaltenen Sachlage anderen Dienststellen nichts mitteilte. Nach den Feststellungen des FG hat die Veranlagungsstelle erst auf Grund der Angaben des Klägers in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1962 die Prämienstelle davon unterrichtet, daß der Kläger sich seit Jahren in Schweden aufgehalten habe.
Der Kläger kann sich gegenüber dem Rückforderungsanspruch des FA nicht darauf berufen, daß er seine Prämienanträge für berechtigt halten durfte, während das FA seine Aufklärungspflicht verletzt habe. Ob sich der Kläger nach dem Abschluß seines Studiums und der Aufnahme einer Beschäftigung in Schweden angesichts der vom FG festgestellten einkommensteuerlichen Vorgänge, die vor den Streitjahren liegen, noch für prämienberechtigt halten konnte, mag dahingestellt bleiben. Durch die ihm angeblich bekanntgewordenen nv-Verfügungen könnte er sich in seiner Auffassung bestätigt gesehen haben. Dadurch wird jedoch die unzureichende und irreführende Ausfüllung seiner Prämienanträge nicht gerechtfertigt. Diese Anträge gingen zeitlich den Einkommensteuererklärungen für dasselbe Kalenderjahr voraus. Der Kläger kann sich demnach nicht darauf berufen, daß er sich auf Grund der jeweiligen Entscheidung der Veranlagungsstelle auch jeweils für prämienberechtigt halten konnte. Die Prämienanträge waren für jedes Jahr so eindeutig ausgefüllt, daß die Prämienstelle - wie oben bereits dargelegt - keine Veranlassung zu Rückfragen hatte. Es wäre eine Überspannung der Aufklärungspflicht, zu fordern, daß die Dienststellen des FA jede Erklärung und jeden Antrag bis aufs letzte prüfen, auch wenn die mitgeteilten oder sonst bekannten Tatsachen nicht eindeutig zu Bedenken Anlaß geben (BFH-Urteile VI R 135/66, a. a. O., und I R 123/67 vom 28. Januar 1970, BFH 98, 171, BStBl II 1970, 296). Eine Pflichtverletzung der Prämienstelle hat das FG deshalb mit Recht verneint.
Fundstellen
Haufe-Index 69508 |
BStBl II 1971, 610 |
BFHE 1971, 343 |