Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung: Übernahme von Reisekosten des Gesellschafter-Geschäftsführers
Leitsatz (amtlich)
Trägt eine Kapitalgesellschaft Aufwendungen für Reisen ihres Gesellschafter-Geschäftsführers, so liegt darin eine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn die Reise durch private Interessen des Gesellschafter-Geschäftsführers veranlasst oder in nicht nur untergeordnetem Maße mitveranlasst ist. Eine schädliche private Mitveranlassung liegt regelmäßig vor, wenn bei einer entsprechenden Reise eines Einzelunternehmers oder eines Personengesellschafters das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG eingreifen würde.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2; EStG § 12 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Aufwendungen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Zusammenhang mit Reisen ihres Gesellschafter-Geschäftsführers.
Die Klägerin ist eine GmbH, die das Gebäudemanagement in Form der technischen Betreuung von Gebäuden betreibt und zudem gelegentlich Einkünfte aus Vermittlungstätigkeiten erzielt. An ihrem Stammkapital waren in den Streitjahren (1995, 1996 und 1998) S zu 80 v.H. und dessen Ehefrau zu 20 v.H. beteiligt; S war zugleich Geschäftsführer der Klägerin. Die Klägerin war u.a. für die H-GmbH tätig und erzielte daraus Einnahmen in Höhe von 200 000 DM pro Jahr.
In den Streitjahren nahm S an Reisen nach Hongkong und Shanghai (1995), nach Südafrika (1996) und nach Buenos Aires (1998) teil, die von der A-GmbH veranstaltet wurden. Die A-GmbH stellt technische Gebäudeeinrichtungen her, die u.a. in Gebäuden der H-GmbH eingebaut waren. Die Einladungen zu allen Reisen hatte der Geschäftsführer der A-GmbH ausgesprochen, und zwar an S persönlich unter der Anschrift der H-GmbH. S wurde bei der in 1996 unternommenen Reise von seiner Ehefrau begleitet und verbrachte anschließend einen Urlaub in Südafrika; an den übrigen Reisen nahm er ohne Begleitung teil. Bei den übrigen Reiseteilnehmern handelte es sich um Geschäftsleute aus der Immobilienbranche, zum Teil mit Ehepartnern.
Das Programm der in 1995 durchgeführten Reise sah am 13. Februar Besichtigungen von Gebäuden einschließlich der von der A-GmbH hergestellten dortigen Einrichtungen sowie den Besuch der Niederlassung der A-GmbH in Hongkong vor. Am 14. Februar fanden vormittags Vorträge und der Besuch einer Grundstücksgesellschaft, nachmittags der Besuch des Ausstellungs- und Kongresszentrums statt. Am Folgetag wurde ein ganztägiger Ausflug nach Shenzen mit Besichtigung des dortigen Werks der A-GmbH unternommen; am 16. Februar stand der Vormittag zur freien Verfügung, während der Nachmittag der Weiterreise nach Shanghai diente. Dort standen für den 17. Februar vormittags die Besichtigung einer neuen Gewerbezone und nachmittags ein Besuch des Planungsamtes auf dem Programm. Am Rückreisetag, dem 18. Februar, wurde vormittags der Jade-Buddha-Tempel besucht.
Das Programm der Reise nach Südafrika sah für den Nachmittag des Ankunftstages eine Stadtrundfahrt durch Pretoria mit Besuch eines Bankgebäudes und Besichtigung der dortigen technischen Anlagen vor. Am 5. Februar folgte ein Ausflug nach Sun City mit Besuch des Pilanesberg-Reservats. Am 6. Februar standen vormittags Vorträge von Mitarbeitern einer südafrikanischen Tochtergesellschaft der A-GmbH und Gebäudebesichtigungen, nachmittags eine Rundfahrt durch Johannesburg auf dem Programm. Der 7. Februar diente dem Transfer nach Kapstadt mit anschließender Stadtrundfahrt einschließlich Fahrt auf den Tafelberg. Für den 8. Februar waren ein Tagesausflug zum Kap der Guten Hoffnung sowie abends Vorträge über Stadtplanung, Architektur und Wirtschaft in Kapstadt vorgesehen. Abreisetag war der 9. Februar, an dem der Vormittag zur freien Verfügung stand.
In Buenos Aires wurden am Anreisetag (Sonntag, 22. Februar) nachmittags der San-Telmo-Markt und seine Umgebung besichtigt; am 23. Februar erfolgten eine Präsentation der A-GmbH im Hotel und eine Stadtrundfahrt mit speziellem Architekturprogramm und Besichtigung von Referenzanlagen der A-GmbH. Am 24. Februar wurde ein ganztägiger Ausflug in die Pampa unternommen, an den beiden Folgetagen eine Fahrt mit dem Costal Train, eine Bootsfahrt im Flussdelta und eine Fahrt nach Iguazú mit Besichtigung verschiedener Sehenswürdigkeiten (Vogelpark und Wasserfälle). Am Rückreisetag (27. Februar) stand der Vormittag wiederum zur freien Verfügung.
Die Kosten für die Reise beliefen sich ―jeweils einschließlich Umsatzsteuer― auf 10 215,86 DM (1995), 12 150,77 DM (1996) und 19 016,74 DM (1998) je Teilnehmer. Die A-GmbH berechnete der Klägerin nur einen Teilbetrag der auf S entfallenden Aufwendungen, nämlich für die Reisen in 1995 und 1996 jeweils 5 000 DM und für die Reise in 1998 5 500 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Die Klägerin zahlte die genannten Beträge, ohne sie ihrerseits S in Rechnung zu stellen, und zog sie als Betriebsausgaben ab.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) behandelte die genannten Vorgänge als verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes in den für die Streitjahre geltenden Fassungen (KStG 1991/1996) und als andere Ausschüttungen i.S. des § 27 Abs. 3 KStG 1991/1996, wobei er deren Höhe nach den gesamten der A-GmbH entstandenen Aufwendungen bemaß. Ferner versagte er der Klägerin u.a. den Abzug der Vorsteuer aus den in 1995 angefallenen Reisekosten.
Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG) entschied, dass lediglich verdeckte Gewinnausschüttungen und andere Ausschüttungen in Höhe der von der Klägerin getragenen Kostenanteile vorlägen, und änderte die angefochtenen Bescheide entsprechend ab. Die weitergehende Klage wies es ab; die Revision ließ es nur zu, "soweit das Verfahren die Umsatzsteuer 1995, die Feststellung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d KStG für 1995 und 1998 sowie die Einkommensfeststellung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a KStG für 1996 und 1998 und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für 1996 und 1998 betrifft". In diesem Umfang hat die Klägerin Revision eingelegt, mit der sie eine Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in der Weise zu ändern, dass ―unter entsprechender Anpassung der Steuerrückstellungen― die vom FG angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen und anderen Ausschüttungen für die Streitjahre um jeweils 5 000 DM (1995), 5 000 DM (1996) und 5 500 DM (1998) vermindert werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
1. Nach dem Wortlaut der Revisionsschrift ist die Revision eingelegt worden, "soweit das FG die Revision zugelassen hat". Die Revisionszulassung durch das FG umfasst u.a. den Rechtsstreit wegen Umsatzsteuer 1995. Insoweit hat die Klägerin aber durch die Stellung eines eingeschränkten Revisionsantrags die Revision zurückgenommen.
2. Hinsichtlich der übrigen in der Revisionsschrift genannten Streitgegenstände ist die Revision zulässig, aber unbegründet. Das angefochtene Urteil weist in den noch streitigen Punkten keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin auf. Insbesondere hat das FG darin, dass die Klägerin einen Teil der Kosten für die von S unternommenen Reisen getragen hat, zu Recht verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1991/1996 und andere Ausschüttungen i.S. des § 27 Abs. 3 KStG 1991/1996 gesehen.
a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1991/1996 kann u.a. darin liegen, dass eine Kapitalgesellschaft im Interesse ihres Gesellschafters Aufwendungen tätigt, die in ihrer Bilanz den Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mindern. Voraussetzung dafür ist, dass die Übernahme der Aufwendungen durch die Gesellschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder zumindest mitveranlasst ist (Senatsurteil vom 14. Juli 2004 I R 57/03, BFHE 206, 431, m.w.N.). Das wiederum ist dann anzunehmen, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ―GmbHG―) unter ansonsten vergleichbaren Umständen einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer gegenüber der Übernahme der Aufwendungen nicht zugestimmt hätte (vgl. Senatsurteile vom 29. November 2000 I R 90/99, BFHE 194, 64, BStBl II 2001, 204, 205; vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111, 112).
b) Übernimmt eine Kapitalgesellschaft Aufwendungen für eine Reise des Gesellschafter-Geschäftsführers, die in nicht nur untergeordnetem Umfang dessen private Interessen berührt, so ist dieses Verhalten regelmäßig durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst (Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz. 1160). Ob die Reise in diesem Sinne privat veranlasst oder mitveranlasst ist, muss nach denjenigen Kriterien beurteilt werden, die zum Betriebsausgabenabzug von Einzelunternehmern und Personengesellschaften entwickelt worden sind. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung das aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG abzuleitende Aufteilungs- und Abzugsverbot nicht unmittelbar gilt (Senatsurteil vom 7. Juli 1976 I R 180/74, BFHE 119, 434, BStBl II 1976, 753; Gosch, a.a.O., § 8 Rz. 835, 1166). Finanziert aber eine Kapitalgesellschaft Reisen ihres Gesellschafter-Geschäftsführers, so ist die für eine verdeckte Gewinnausschüttung ausreichende private Mitveranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis regelmäßig gegeben, wenn bei vergleichbaren Aufwendungen eines sonstigen Unternehmers § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG eingreifen würde. Eine solche Handhabung ist nicht zuletzt im Interesse einer rechtsformneutralen Besteuerung sachgerecht (vgl. dazu Senatsurteile vom 15. Mai 2002 I R 92/00, BFHE 199, 217; vom 17. November 2004 I R 56/03, BFH/NV 2005, 793; s. auch Gosch, a.a.O., § 8 Rz. 835).
c) Nach den hiernach anwendbaren Regeln sind Aufwendungen für eine Studienreise nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn die Reise sowohl betrieblichen Belangen dient als auch ein nicht nur untergeordnetes allgemein-touristisches Interesse befriedigt (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 14. April 1988 IV R 86/86, BFHE 153, 135, BStBl II 1988, 633; vom 14. Juli 1988 IV R 57/87, BFHE 154, 312, BStBl II 1989, 19, m.w.N.). Der hiernach maßgebliche Veranlassungszusammenhang muss jeweils nach den Gesamtumständen des konkreten Einzelfalls beurteilt werden, wobei u.a. auf die Reiseroute und die touristische Attraktivität der aufgesuchten Orte sowie auf die fachliche Organisation der Reise und die Ausfüllung der Reisezeit mit fachbezogenen Veranstaltungen abzustellen ist (BFH-Urteile vom 12. September 1996 IV R 36/96, BFH/NV 1997, 219; in BFHE 154, 312, BStBl II 1989, 19). Die Abwägung der einzelnen zu berücksichtigenden Umstände ist als Bestandteil der tatrichterlichen Würdigung in erster Linie Aufgabe des FG (BFH-Beschluss vom 6. Mai 2002 VI B 34/00, BFH/NV 2002, 1030, m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile vom 26. Mai 2004 I R 86/03, BFH/NV 2005, 75; vom 11. August 2004 I R 108-110/03, BFH/NV 2005, 385). Dessen Beurteilung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt.
d) Im Streitfall hat das FG ohne Rechtsfehler angenommen, dass die von S unternommenen Reisen wesentliche allgemein-touristische Elemente enthielten und deshalb nicht nur den betrieblichen Belangen der Klägerin dienten. Es hat dabei im Zusammenhang mit der Reise nach Hongkong und Shanghai u.a. darauf abgestellt, dass die im Reiseverlauf erfolgte Besichtigung herausragender Gebäude gängiger Bestandteil touristischer Reisen sei, dass der 15. Februar nicht ausschließlich mit fachlichen Veranstaltungen ausgefüllt gewesen sei und dass der Vormittag des 16. Februar zur freien Verfügung gestanden sowie am 18. Februar ein Tempelbesuch stattgefunden habe. Bei der Reise nach Südafrika hat es einen allgemein-touristischen Bezug u.a. in den Stadtrundfahrten durch Kapstadt und Johannesburg sowie in den Ausflügen in ein Reservat und zum Kap der Guten Hoffnung gesehen; im Zusammenhang mit der Reise nach Buenos Aires hat es vor allem auf den Erlebniswert der verschiedenen im Programm vorgesehenen Ausflüge abgestellt. Diese Umstände hat es mit dem von der Klägerin geltend gemachten betrieblichen Interesse an der Teilnahme des S abgewogen. Wenn es dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, dass nach dem Charakter der Reisen die Lebensführung des S im Vordergrund gestanden habe, so ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
e) Im Ergebnis hat das FG die streitigen Aufwendungen mithin rechtsfehlerfrei als verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1991/1996 beurteilt. Zugleich liegen insoweit Ausschüttungen i.S. des § 27 Abs. 3 KStG 1991/1996 vor. Dazu muss zwar zur Entstehung des steuerbilanziell wirkenden Aufwands der Abfluss der entsprechenden Beträge hinzutreten (Senatsurteile vom 9. Dezember 1987 I R 260/83, BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460; vom 24. Mai 1989 I R 90/85, BFHE 157, 168, BStBl II 1989, 800). Ein solcher liegt jedoch im Streitfall vor. Denn das FG ist ersichtlich davon ausgegangen, dass die Klägerin den auf sie entfallenden Anteil an den Reisekosten jeweils im Jahr der Reise gezahlt hat, und diese Annahme hat die Klägerin nicht beanstandet.
Fundstellen
Haufe-Index 1383180 |
BFH/NV 2005, 1459 |
BStBl II 2005, 666 |
BFHE 2005, 468 |
BFHE 209, 468 |
BB 2005, 1614 |
BB 2005, 2000 |
DB 2005, 1548 |
DStR 2005, 1270 |
DStRE 2005, 984 |
DStZ 2005, 503 |
DStZ 2005, 572 |
HFR 2005, 881 |