Leitsatz (amtlich)
Der Begriff der Briefmarke i.S. der Tarifnr.99.04 des Gemeinsamen Zolltarifs setzt voraus, daß die Marke im Regelfall dazu bestimmt ist, durch Aufkleben auf entsprechende Sendungen den Beweis für die Zahlung des Beförderungsentgeltes zu erbringen.
Orientierungssatz
Die Tarifstelle 49.11 B GZT ist ein Auffangtatbestand, der alle nicht an anderer Stelle des GZT erwähnten Druckerzeugnisse erfaßt (vgl. EuGH-Urteil vom 27.10.1977 Rs. 23/77). Hier: Tarifierung von im Prägedruck hergestellten Waren bestehend aus einer mit mineralischen Stoffen gestrichenen Papierlage, die mit einer dünnen Schicht aus Gold, Silber und Kupfer überzogen ist.
Normenkette
GZT Tarifnr 49.07; GZT Tarifnr 49.11 Tarifst B; GZT Tarifnr 99.04
Tatbestand
Die Oberfinanzdirektion --OFD-- erteilte der Klägerin auf deren Antrag am 2.August 1982 eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über eine als "23 K Goldmarken/Goldbriefmarken" bezeichnete Ware. Die Erzeugnisse sind amerikanischen Ursprungs, einzeln in Kunststoffolie eingeschweißt und sollen an Sammler verkauft werden. Die im Prägedruck hergestellten Waren bestehen aus einer mit mineralischen Stoffen gestrichenen Papierlage, die mit einer dünnen Schicht aus Gold, Silber und Kupfer überzogen (nicht plattiert) ist. Sie tragen die Aufschrift "Treasures of Tutankhamun.Staffa-Scotland Pfund Sterling 8,00 23 K Gold". Die Marken werden mit Genehmigung des privaten Eigentümers der Insel Staffa herausgegeben. Diese zu Großbritannien gehörende Insel ist unbewohnt und wird nur in den Sommermonaten von Touristen besucht. Die Marken haben weder in Großbritannien noch im Auslandspostverkehr Frankaturkraft.
Die OFD wies die Waren der Tarifst.49.11 B des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu ("andere Drucke, in beliebigen Verfahren hergestellt: B. andere"). Die Klägerin erhob dagegen Einspruch mit dem Begehren, die Waren der Tarifnr.99.04 GZT zuzuweisen ("Briefmarken und dergleichen (z.B. Ganzsachen, vorphilatelistische Briefe, freigestempelte Briefumschläge), Stempelmarken, Steuerzeichen und dergleichen, entwertet oder nicht entwertet, jedoch im Bestimmungsland weder gültig noch zum Umlauf vorgesehen").
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Waren, die Gegenstand der angefochtenen vZTA sind, sind nicht der Tarifnr.99.04 GZT zuzuweisen. Sie sind keine Briefmarken im Sinne dieser Vorschrift.
Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob eine "Briefmarke" i.S.der Tarifnr.99.04 GZT nur dann vorliegt, wenn, wie die OFD meint, die Marke von staatlichen Stellen zur Durchführung hoheitlicher Aufgaben ausgegeben worden ist. Er kann auch unentschieden lassen, ob der genannte Begriff voraussetzt, daß die Marke zum Umlauf im gesamten betreffenden Land vorgesehen ist, wie der Wortlaut der Tarifnr.49.07 und 99.04 GZT nahelegt. Denn jedenfalls muß eine Ware, die wie die hier zu tarifierende diese Voraussetzungen nicht erfüllt, um als "Briefmarke" im Sinne des GZT angesehen werden zu können, wenigstens für den Regelfall dazu bestimmt sein, durch Aufkleben auf entsprechende Sendungen den Beweis für die Zahlung des Beförderungsentgelts zu erbringen.
Nach den ErlNRZZ (ErlZT zur Tarifnr.99.04 Teil I Rdnr.2) sind Briefmarken "Marken, die gewöhnlich zum Freimachen von Briefen und Karten verwendet werden". Diese Erläuterungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des erkennenden Senats maßgebliche Erkenntnismittel für die Auslegung des GZT. Sie machen deutlich, daß nur eine Marke unter den Begriff der Briefmarke i.S. der Tarifnr.99.04 GZT fällt, die zum Freimachen von Postsendungen verwendet zu werden pflegt, d.h. potentiell und im Regelfall dazu bestimmt ist, durch Aufkleben auf entsprechende Sendungen den Beweis für die Zahlung des Beförderungsentgeltes (in Ausnahmefällen den Beweis einer besonderen Beförderungsberechtigung, z.B. Feldpost-, Flugpostzulassungs- und Zwangszuschlagsmarken) zu erbringen (vgl.auch z.B. Meyers's Enzyklopädisches Lexikon, 9.Aufl., Stichwort "Briefmarken").
Waren von der Beschaffenheit der zu tarifierenden haben diese Zweckbestimmung nicht. Es ist bei der Art und Weise der Durchführung des Transportes von Sendungen von Staffa nach dem Festland schon zweifelhaft, ob die streitbefangenen Marken überhaupt die Bestimmung haben, als Beweis für die Zahlung des Beförderungsentgeltes zu dienen. Jedenfalls aber hat der Senat die Überzeugung gewonnen, daß die streitbefangenen Waren praktisch nicht dazu bestimmt sind, wirklich auf Postsendungen aufgeklebt zu werden. Schon die hohe Nominale der Marken (jeweils 8 Pfund Sterling) schließt es aus, daß die potentiellen Nutzer eines Postdienstes von Staffa zum Festland, nämlich die Besucher der unbewohnten Insel im Sommer, zum Freimachen der von ihnen von Staffa versandten Briefe oder Karten "gewöhnlich" Marken zum Preis von jeweils fast 30 DM für eine Sendung erwerben. Die Klägerin selbst hat mit ihrem Schreiben vom 21.September 1982 an die OFD ausgeführt, es werde niemand "auf die Idee kommen, eine mit Gold belegte Briefmarke, die als wertvolles Sammlungsstück gehandelt wird, regelmäßig für postalische Zwecke zu verwenden".
Die Tarifnr.99.04 GZT umfaßt allerdings nicht nur Briefmarken, sondern auch "dergleichen". Die beispielhafte Aufzählung dessen, was der GZT unter "dergleichen" wie Briefmarken versteht, im Wortlaut der Tarifnr.99.04 GZT ("Ganzsachen, vorphilatelistische Briefe, freigestempelte Briefumschläge") macht aber deutlich, daß auch unter diesen Begriff keine Marken fallen, die gewöhnlich und praktisch nicht zum Freimachen von Briefen oder Karten verwendet werden.
Die zu tarifierenden Waren werden auch nicht von der Tarifnr. 99.05 GZT erfaßt, wie die OFD zu Recht entschieden hat. Sie sind zwar Sammlungsstücke, haben aber nicht den in der genannten Tarifnummer vorausgesetzten geschichtlichen oder archäologischen Wert.
Unter das Kap.71 GZT fallen die Erzeugnisse nicht, weil sie nicht die Voraussetzungen der Vorschrift 6 zu diesem Kapitel erfüllen. Danach umfaßt der Begriff "Edelmetalle" nicht Edelmetallplattierungen oder unedle Metalle und Nichtmetalle, die platiniert, vergoldet oder versilbert sind. Die Marken sind lediglich von einer dünnen Schicht aus Gold, Silber und Kupfer überzogen.
Es bleibt nach allem nur übrig, die Erzeugnisse als "andere Drucke" der Tarifst.49.11 B GZT zuzuordnen. Zu Unrecht wendet die Klägerin dagegen ein, die Marken hätten keine Verwandtschaft mit den in der Tarifnr.49.11 GZT aufgeführten Waren. Sie verkennt, daß es sich bei den streitbefangenen Erzeugnissen zweifellos um Drucke handelt (vgl. auch ErlNRZZ, ErlZT zum Kap.49 Teil I Rdnr.1 und 3) und daß die Tarifst.49.11 B ein Auffangtatbestand ist, der alle nicht an anderer Stelle des GZT erwähnten Druckerzeugnisse umfaßt (vgl. auch EuGH-Urteil vom 27.Oktober 1977 Rs.23/77, EuGHE 1977, 1985, 1990 und ErlNRZZ, ErlZT Tarifnr.49.11 Teil I Rdnr.1).
Fundstellen
Haufe-Index 61396 |
BFHE 146, 310 |
BFHE 1986, 310 |
HFR 1986, 473-473 (ST) |