Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Prozesszinsen auf im Wege der Leistungsklage erstrittene Ausfuhrerstattungszahlung
Leitsatz (NV)
1. § 14 Abs. 2 MOG enthält eine Rechtsgrundverweisung auf § 236 AO.
2. Wird die Zahlung einer durch Erstattungsbescheid festgesetzten Ausfuhrerstattung im Wege der Leistungsklage gerichtlich erstritten, hat der obsiegende Kläger keinen Anspruch auf Prozesszinsen.
Normenkette
MOG § 14 Abs. 2; AO § 236
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) gewährte der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) mit Bescheid vom 22. November 1993 Ausfuhrerstattung. Das HZA zahlte der Klägerin jedoch nur einen geringen Teilbetrag und rechnete gegen den übrigen Erstattungsanspruch mit Gegenforderungen aus im Juli 1993 ergangenen Rückforderungsbescheiden auf.
Die auf Zahlung des verrechneten Betrags gerichtete Leistungsklage der Klägerin hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verurteilte das HZA zur Zahlung des restlichen Erstattungsbetrags, nachdem es die Rückforderungsbescheide, auf die sich die Gegenforderung des HZA gründete, aufgehoben hatte.
Auch mit ihrer auf Zahlung von Prozesszinsen auf den streitigen Erstattungsbetrag gerichteten Klage hatte die Klägerin überwiegend Erfolg. Das FG verurteilte das HZA aus den in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 2007, 164 veröffentlichten Gründen, der Klägerin seit Rechtshängigkeit des zu zahlenden Erstattungsbetrags Prozesszinsen in Höhe von 6 % zu zahlen.
Mit seiner Revision beruft sich das HZA auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach es sich bei der Prozesszinsen auf besondere Vergünstigungen betreffenden Verweisung in § 14 Abs. 2 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (MOG) auf §§ 236, 238 und 239 der Abgabenordnung (AO) um eine Rechtsgrundverweisung handelt. Die Voraussetzungen des § 236 Abs. 1 AO lägen aber im Streitfall nicht vor, weil der Erstattungsbetrag, dessen Verzinsung begehrt werde, nicht durch eine gerichtliche Entscheidung, sondern durch den Bescheid vom 22. November 1993 gewährt worden sei.
Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich der Rechtsauffassung des FG an und meint, dass § 14 Abs. 2 MOG keine Rechtsgrundverweisung beinhalte und die Versagung des Zinsanspruchs jedenfalls ein unhaltbares Ergebnis sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Prozesszinsen.
1. Der Senat bleibt bei seiner mit Urteil vom 29. April 1997 VII R 91/96 (BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476) vertretenen Rechtsauffassung, dass § 14 Abs. 2 MOG eine Rechtsgrundverweisungsnorm und keine bloße Rechtsfolgennorm ist (vgl. auch Senatsurteil vom 26. Juni 2007 VII R 53/06, BFHE 217, 348, ZfZ 2007, 248). Die Verweisung "nach Maßgabe" bedeutet "unter den Voraussetzungen, in der Art und Weise und in dem Umfang" wie im Bezugsgegenstand geregelt und hat in dieser Gestalt eine andere Bedeutung als die Anordnung einer nur "sinngemäßen" oder "entsprechenden" Geltung einer Rechtsvorschrift. Soweit § 14 Abs. 2 MOG keine eigenständige Regelung enthält, nimmt er somit den Regelungsgehalt der Bezugsnormen voll in sich auf.
Der Senat folgt nicht der Ansicht des FG, dass der Gesetzesbegründung zu § 14 MOG (seinerzeit § 8b MOG; BTDrucks 10/5236 vom 20. März 1986), wonach für Ansprüche auf Gewährung von besonderen Vergünstigungen, die "in Gerichtsverfahren (…) geltend gemacht werden", eine Prozessverzinsung eingeführt werden sollte, zu entnehmen ist, dass § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG eine eigenständige Regelung für Prozesszinsen enthält und nur hinsichtlich des Zinsendes und der Zinshöhe auf die Vorschriften der AO verweist.
Richtig ist zwar, dass § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG den Gegenstand der Prozessverzinsung (Ansprüche auf besondere Vergünstigungen) und den Verzinsungsbeginn (ab Rechtshängigkeit) eigenständig regelt. Im Übrigen wird jedoch auf § 236 AO verwiesen, dessen Voraussetzungen nach dem Wortsinn der Verweisungsnorm zu beachten sind. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist ohnehin nicht geeignet, eine andere als diese aus dem Wortlaut der Norm herzuleitende Auslegung zu begründen (Senatsurteil in BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476). In Anbetracht der sich aus der Gesetzesbegründung ergebenden Absicht des Gesetzgebers, die Prozessverzinsung sowohl marktordnungsrechtlicher Abgaben als auch marktordnungsrechtlicher besonderer Vergünstigungen einheitlich den Vorschriften der AO zu unterwerfen, ist darüber hinaus aber auch kein Grund erkennbar, weshalb es in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben sollte, hinsichtlich der Prozesszinsen den Vergünstigungsberechtigten gegenüber dem Abgabenpflichtigen dadurch besser zu stellen, dass sein Zinsanspruch nicht von den Voraussetzungen des § 236 Abs. 1 und 2 AO abhängt.
2. Die Voraussetzungen des § 236 Abs. 1 AO liegen im Streitfall nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Prozesszinsen zu berechnen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt wird. Die mit einer Steuervergütung vergleichbare marktordnungsrechtliche besondere Vergünstigung ist der Klägerin jedoch --was auch das FG so gesehen hat-- nicht durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung, sondern durch den Erstattungsbescheid vom 22. November 1993 gewährt worden.
Auch bei Gewährung einer Steuervergütung bzw. einer besonderen Vergünstigung wird hinsichtlich der Prozessverzinsung nach § 236 Abs. 1 AO die gerichtlich erstrittene Verpflichtung zum Erlass eines die Vergütung bzw. Vergünstigung festsetzenden Bescheids vorausgesetzt; eine erweiternde Auslegung dieses Verzinsungstatbestandes ist nicht zulässig (Senatsurteil in BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476, m.w.N.). Wird dagegen ohne gerichtliche Begründung oder Änderung der Festsetzung der Vergünstigung ihre bloße Zahlung (entspricht bei Steuern dem Erhebungsverfahren) im Wege einer allgemeinen Leistungsklage erstritten, kommt eine Prozessverzinsung des streitigen Betrags nicht in Betracht (Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 236 Rz 6, 13; vgl. auch Senatsbeschluss vom 26. Juli 2005 VII ER-S 1/05, BFH/NV 2006, 4, m.w.N.). Das Urteil des I. Senats des Bundesfinanzhofs vom 5. April 2006 I R 80/04 (BFH/NV 2006, 1435) betraf den Sonderfall der materiell-rechtlichen Verknüpfung zwischen der notwendigen Erfassung bestimmter Beträge als Kapitaleinkünfte und ihrer korrespondierenden Anrechnung im anschließenden Erhebungsverfahren. Um einen solchen Fall geht es hier jedoch nicht; vielmehr handelte es sich bei der Klage auf Zahlung des verrechneten Erstattungsbetrags um eine reine Leistungsklage.
Anders als das FG meint, führt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), wonach ein Anspruch auf Prozesszinsen entsprechend § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Geldforderungen bestehen kann, wenn das einschlägige Fachgesetz keine abweichende Regelung enthält (BVerwG-Beschluss vom 25. Januar 2006 2 B 36.05, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2006, 605), zu keinem anderen Ergebnis, weil hinsichtlich marktordnungsrechtlicher besonderer Vergünstigungen das Fachgesetz mit § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG eine spezielle Regelung enthält. Im Übrigen teilt das BVerwG die Auffassung des erkennenden Senats, dass es sich bei § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG um eine Rechtsgrundverweisungsnorm handelt (BVerwG-Urteil vom 17. Februar 2000 3 C 11.99, NVwZ 2000, 818).
Soweit die Klägerin meint, dass die aus § 236 Abs. 1 AO folgende Beschränkung der Prozessverzinsung zu einem unhaltbaren Ergebnis führe, lässt sie unberücksichtigt, dass es einen allgemeinen Rechtsanspruch auf angemessene Verzinsung rückständiger Staatsleistungen nicht gibt, sondern das geltende Recht die Verzinsung nur nach Maßgabe genau umschriebener Tatbestände vorsieht (Senatsurteil in BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476, m.w.N.). Es steht somit dem Gesetzgeber frei, die Prozessverzinsung marktordnungsrechtlicher besonderer Vergünstigungen nur unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG i.V.m. § 236 AO vorzuschreiben und sie im Übrigen --wie durch § 14 Abs. 2 Satz 2 MOG geschehen-- auszuschließen.
Fundstellen
Haufe-Index 2026681 |
BFH/NV 2008, 1714 |