Leitsatz (amtlich)
1. Zum Gebäude im Sinne des § 27 Abs. 15 UStG 1973 gehören auch die unselbständigen Gebäudebestandteile, die einkommensteuerrechtlich als selbständige Wirtschaftsgüter beurteilt werden.
2. Bei Errichtung eines Hallenschwimmbades aufgrund eines vor dem 9. Mai 1973 gestellten Bauantrages ist demgemäß auch für die Schwimmbecken auf diesen Zeitpunkt abzustellen und nicht auf den Beginn der Herstellung.
Normenkette
UStG 1973 § 27 Abs. 15, § 30
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gemeinde, errichtete in den Jahren 1973 bis 1975 ein Hallenschwimmbad. Für dieses aus dem Hallenbadgebäude, zwei Schwimmbecken und einem Sprungturm bestehende Bauvorhaben stellte sie am 7. Mai 1973 bei der zuständigen Baubehörde einen Bauantrag. Nach dessen Genehmigung folgte am 15. Oktober 1973 die Auftragsvergabe. Am 24. April 1975 wurde das fertiggestellte Hallenschwimmbad eröffnet und in Betrieb genommen.
Bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 1975 hat das Finanzamt (Beklagter) zu diesem Sachverhalt die Steuerpflicht nach § 30 UStG in der Fassung des Artikels 6 des Steueränderungsgesetzes 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) - UStG 1973 - geprüft und dem Umsatzsteuerbescheid 1975 folgende Rechtsauffassung zugrunde gelegt: Die Zuführung des Hallenbadgebäudes zur Nutzung als Anlagevermögen unterliege nicht der Selbstverbrauchsteuer nach § 30 Abs. 2 UStG 1973, weil der für Gebäude maßgebliche Zeitpunkt des Herstellungsbeginns vor dem 9. Mai 1973 liege; die Klägerin habe nämlich den Bauantrag am 7. Mai 1973 gestellt (§ 27 Abs. 15 letzter Satz UStG 1973). Dagegen sei für die Schwimmbecken und den Sprungturm dieser Zeitpunkt nicht maßgeblich; denn es handele sich bei ihnen um selbständige Wirtschaftsgüter in Gestalt von Betriebsvorrichtungen. Hier sei nach § 27 Abs. 15 Sätze 1 und 3 UStG 1973 darauf abzustellen, ob der Beginn der Bauarbeiten (Beginn der Herstellung) vor dem 9. Mai 1973 liege oder nicht. Die Klägerin habe die Aufträge nach erfolgter Baugenehmigung erst am 15. Oktober 1973 vergeben, so daß der Herstellungsbeginn (Baubeginn) frühestens auf diesen Zeitpunkt angesetzt werden könne. Demgemäß sei insoweit der Steuertatbestand des § 30 Abs. 2 UStG 1973 erfüllt.
Entsprechend dieser Rechtsauffassung hat das Finanzamt die Klägerin unter Zugrundelegung der für die Schwimmbecken und den Sprungturm ermittelten Herstellungskosten zur Selbstverbrauchsteuer herangezogen (11 v. H. von insgesamt 243 493 DM = 26 784,23 DM).
Das Finanzgericht hat der hiergegen erhobenen Klage bezüglich der Schwimmbecken stattgegeben. Es handele sich bei ihnen um unselbständige Gebäudebestandteile, die als Bestandteil der räumlichen Umschließung des Baukörpers eine Gebäudefunktion erfüllten. Auf die besondere bauliche Ausgestaltung der Gebäudegrundfläche käme es nicht an, weil die Zweckbestimmung des Bauteils für seine Beurteilung als Gebäudebestandteil oder Betriebsvorrichtung nicht herangezogen werden dürfe. Die Schwimmbecken teilten somit das selbstverbrauchsteuerrechtliche Schicksal des Hallenbadgebäudes. Bezüglich des Sprungturms ist das Finanzgericht unter Abweisung der Klage der Auffassung des Finanzamts gefolgt.
Hiergegen wendet sich die Revision des Finanzamts.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Finanzamts ist unbegründet.
1. Die durch Artikel 6 StÄndG 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) eingeführte sog. Selbstverbrauchsteuer ist nach ihrer wirtschaftspolitischen Zielsetzung eine Investitionssteuer. Sie verfolgte das Ziel, möglichst umgehend - und zwar rückwirkend auf den Tag der entsprechenden Ankündigung durch Bekanntgabe des Kabinettsbeschlusses der Bundesregierung über das Zweite Stabilitätsprogramm (9. Mai 1973) - unmittelbar auf die Investitionsentschlüsse der Unternehmer u. a. durch Einführung einer Steuer auf Investitionen einzuwirken. Die Unternehmer sollten durch diese Steuerandrohung beeinflußt werden, beabsichtigte Investitionen aufzuschieben oder zumindest drastisch einzuschränken (Urteil vom 14. Dezember 1978 V R 32/75, BFHE 127, 77, BStBl II 1979, 289).
Die neue Selbstverbrauchsteuer (Investitionssteuer) knüpft deshalb folgerichtig in erster Linie an den Investitionsentschluß und erst in zweiter Linie an die Zuführung der Investition zum Anlagevermögen an. Gegenstand der Besteuerung ist (in der Zeit ab 9. Mai 1973 bis zum vorzeitigen Ende am 30. November 1973) der gefaßte Investitionsentschluß im Umfang seines Vollzuges. Welche Investitionsentschlüsse die Investitionssteuerpflicht indizieren, regelt maßgeblich und ausschließlich die Vorschrift des § 27 Abs. 15 UStG 1973. Die Vorschrift des § 30 Abs. 2 UStG 1973 bestimmt lediglich, in welchem Umfang die verwirklichten Investitionsentschlüsse durch die Zuführung zum Anlagevermögen Investitionssteuerpflicht auslösen, und setzt damit zu ihrer Anwendung das Vorhandensein eines investitionssteuerrechtlich relevanten Investitionsentschlusses voraus (zuletzt Urteil vom 27. März 1981 V R 119/79, BFHE 133, 115, UStR 1981, 131).
2. Gegenstand des Investitionsentschlusses können nach § 27 Abs. 15 UStG 1973 Wirtschaftsgüter (Satz 2), nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten (Satz 4) und Gebäude (Satz 5) sein. Bei Neu- und Nachinvestitionen der Sätze 2 und 4 vollzieht sich die Investitionsentscheidung im Falle von Anschaffungsvorgängen durch die Bestellung, im Falle der Herstellung durch deren Beginn. Davon abweichend legt Satz 5 bei Gebäuden die Investitionsentscheidung auf den Zeitpunkt fest, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird (fiktiver Herstellungsbeginn). Der ergänzende Zuführungstatbestand des § 30 Abs. 2 UStG 1973 führt nur noch die Unterscheidung nach Neu- und Nachinvestitionen fort. Sie gilt nach Wortfassung und Sinnzusammenhang auch für Gebäude und Nachinvestitionen an Gebäuden.
Die Verwaltung vertritt zu der hier entscheidungserheblichen Frage, auf welchen Zeitpunkt die im Zusammenhang mit der Errichtung des Hallenschwimmbades getroffenen Investitionsentschlüsse festgelegt werden müssen, die Auffassung, die von den Investitionssteuerregelungen verwendeten Begriffe knüpften an Begriffe des Einkommensteuerrechts an. Der jeweilige Begriffsinhalt sei damit festgelegt; dies gewährleiste Sicherheit in der Rechtsanwendung (vgl. BMF-Schreiben vom 28. Dezember 1973, BStBl I 1974, 16). Der Gesetzeswortlaut von § 27 Abs. 15 und § 30 Abs. 2 UStG 1973 zwingt zu dieser Auslegung nicht; denn nur in § 30 Abs. 2 UStG 1973 findet sich eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Einkommensteuerrecht durch Erwähnung der geringwertigen Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG. Ob nach den übrigen Regeln zur Gesetzesauslegung der Verwaltungsauffassung allgemein zuzustimmen wäre, kann hier dahinstehen; denn vorliegend ist nur für den Teilbereich der Gebäudebestandteile über die Richtigkeit der dem angegriffenen Steuerbescheid zugrunde liegenden Verwaltungsauffassung zu befinden. Diese basiert insoweit auf der Überlegung, zu den Gebäuden im Sinne des § 27 Abs. 15 UStG 1973 gehörten jedenfalls nicht diejenigen Gebäudebestandteile, die besonderen, außerhalb des Nutzungs- und Funktionszusammenhangs des Gebäudes selbst stehenden Zwecken dienten, so z. B. als Betriebsvorrichtungen in einer besonderen und unmittelbaren Beziehung zu dem auf dem Grundstück oder in dem Gebäude ausgeübten Gewerbebetrieb stünden. Schwimmbecken von Hallenbädern zählten jedenfalls zu den Betriebsvorrichtungen im Sinne des § 68 Abs. 2 BewG 1965 und seien deshalb auch gegenüber dem sie umgebenden Hallengebäude im AfA-Satz präferenziert (vgl. die vom BMF herausgegebene AfA-Tabelle unter Nr. 71 05 5).
3. Ob Schwimmbecken von Hallenbädern als Betriebsvorrichtungen im Sinne des § 68 BewG 1965 zu beurteilen sind, ist nicht frei von Zweifeln. Der erkennende Senat braucht dieser Frage jedoch nicht nachzugehen, da nach seiner Auffassung jegliche Gebäudebestandteile, die letztlich der Nutzung des Gebäudes dienen, ohne Rücksicht darauf, ob sie Betriebsvorrichtungen sind oder aus anderen Gründen einkommensteuerrechtlich als selbständige Wirtschaftsgüter beurteilt werden (wie z. B. Laden- oder Mieteinbauten), vom Gebäudebegriff des § 27 Abs. 15 UStG 1973 erfaßt werden. Die für die Abgrenzung von Gebäuden gegen selbständige Wirtschaftsgüter maßgebliche neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) wird von der Grundtendenz getragen, einer Aufsplitterung der Bewertungs- und Bilanzierungseinheit "Gebäude" entgegenzuwirken. Die noch anerkannten Abschichtungen von Gebäudebestandteilen als selbständige Wirtschaftsgüter sind von der Überlegung getragen, daß unter den Gesichtspunkten der Bewertung, Abschreibung und Zurechnung das Ziel einer zutreffenden Gewinnermittlung die Behandlung als selbständige Bewertungs- und Bilanzierungseinheit erheischt oder zumindest rechtfertigt.
Diese besonderen Gründe, die einkommensteuerrechtlich für die Abspaltung von Gebäudebestandteilen vom Gebäude angeführt werden, sind unter dem investitionssteuerrechtlichen Betrachtungsstandpunkt nicht nur irrelevant, sondern laufen den Intentionen dieser Steuer sogar zuwider. Darüber hinaus könnten sie einen nicht zu vertretenden Einbruch in den Grundsatz des Vertrauensschutzes nach sich ziehen. Wie bereits oben (Abschnitt 1) ausgeführt, entscheidet über die Investitionsbesteuerung maßgeblich der Investitionsentschluß; es kommt auf seinen Zeitpunkt und auf seinen Gegenstand an. Gebäudebestandteile werden regelmäßig von der das Gebäude betreffenden Investitionsentscheidung erfaßt, was sich wegen der (in der Regel) baurechtlich erforderlichen Genehmigungspflicht im Bauantrag niederschlägt und somit belegbar ist. Dies gilt auch für diejenigen Fälle, in denen nach Zuführung des Gebäudes zum Anlagevermögen ein Gebäudebestandteil in eine besondere Beziehung zum Gewerbebetrieb gerät, was (retrospektiv) seine Einstufung als Betriebsvorrichtung nach sich zieht. Für die notwendigerweise einheitlich getroffene Investitionsentscheidung ist diese ertragsteuerrechtliche Folgebeurteilung ohne Bedeutung. Maßgeblich muß vielmehr sein, daß die investitionshemmende Steuerandrohung den Gebäudebestandteil notwendigerweise mitumfaßt und daß der Unternehmer der Investitionssteuer nur dann entgeht, wenn er von der Gebäudeerrichtung absieht, was den betroffenen Gebäudebestandteil einschließt. Andererseits konnte und sollte die kurzfristig und nicht vorhersehbare, mit Kabinettsbeschluß der Bundesregierung ausgesprochene Steuerandrohung diejenigen Unternehmer nicht betreffen, die vor dem 9. Mai 1973 die Investitionsentscheidung einer Gebäudeeerrichtung getroffen und dies durch einen entsprechenden Bauantrag bekundet hatten. Auf diese Entscheidung sollte nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers nicht mehr durch Steuerandrohung eingewirkt werden.
Legte man dagegen eine einkommensteuerrechtliche Betrachtungsweise zugrunde, dann wäre, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, die Besteuerung in einer nicht einsichtigen und verfassungsrechtlich bedenklichen Weise beeinflußt. Es wäre nämlich der nur als Einheit begreifbare Gegenstand des Investitionsentschlusses unter Anwendung einkommensteuerrechtlicher Grundsätze nachträglich in ein Gebäude und in Gebäudebestandteile zergliedert worden. Ferner würde aus dieser Aufgliederung die Folgerung gezogen, daß für die Gebäudebestandteile (als bewegliche Wirtschaftsgüter) nicht mehr die für Gebäude nach § 27 Abs. 15 UStG 1973 maßgeblichen Kriterien der Investitionsentscheidung nach Form und Zeitpunkt einschlägig sind, sondern die allgemeine Regelung des § 27 Abs. 15 Satz 2 UStG 1973. Damit käme es auf den Beginn der Herstellung an. Diese einkommensteuerrechtlichen Folgebeurteilungen stehen im Widerspruch zu dem tatsächlichen Lebenssachverhalt der durch Bauantrag verifizierbaren Investitionsentscheidung des Unternehmers zu einem anderen Zeitpunkt.
4. In Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze hat die Klägerin mit der Einreichung des Bauantrags am 7. Mai 1973, mit dem sie um die Genehmigung eines Hallenschwimmbades mit zwei Schwimmbecken und Sprungturm nachsuchte, eine Investitionsentscheidung im Sinne des § 27 Abs. 15 UStG 1973 getroffen. Sollte dieses Vorhaben seiner Funktion gerecht werden, dann konnte es nicht nur aus dem Hallenbau bestehen, sondern mußte den mit dem Fundament integrierten Bau von Schwimmbecken sowie alle damit verbundenen Bauaufwendungen (Versorgungsleitungen, Abwässerkanäle usw.) einschließen. Dementsprechend war für dieses Bauvorhaben eine einheitliche Investitionsentscheidung gefordert; Hallenbau und Schwimmbecken bildeten eine bauliche und funktionelle Einheit. Die Klägerin hat diesen Investitionsentschluß noch vor dem maßgeblichen Stichtag des 9. Mai 1973 verwirklicht. Sein Vollzug durch die spätere Inbetriebnahme des Hallenschwimmbades wurde deshalb von der Investitionssteuer nicht erfaßt.
Soweit die Entscheidung des Finanzgerichts bezüglich des Sprungturms von der Rechtsauffassung des Senats abweichen sollte, muß es dabei sein Bewenden haben. Die Klägerin hat insoweit die Entscheidung des Finanzgerichts durch Revision nicht angegriffen.
Fundstellen
BStBl II 1984, 68 |
BFHE 139, 315 |
BFHE 1984, 315 |