Entscheidungsstichwort (Thema)
(Doppelte Haushaltsführung nicht verheirateter Arbeitnehmer: Begriff der verhältnismäßig kurzen Dauer bei der zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung, Unterhalten eines eigenen Hausstands)
Leitsatz (amtlich)
Ist ein auswärts beschäftigter nicht verheirateter Arbeitnehmer in den Haushalt seiner Eltern eingegliedert, unterhält er daher keinen eigenen Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG, so handelt es sich nur dann um eine auswärtige Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer i.S. der sog. zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), wenn die auswärtige Beschäftigung von vornherein auf längstens drei Jahre befristet ist. Diese Voraussetzung ist im Falle eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses auch dann nicht erfüllt, wenn sich der Arbeitnehmer um seine Rückversetzung bemüht und der Arbeitgeber bereit ist, bei Gelegenheit dem Wunsch des Arbeitnehmers zu entsprechen.
Orientierungssatz
Das für eine doppelte Haushaltsführung notwendige Tatbestandsmerkmal des Unterhaltens eines eigenen Hausstands erfordert nicht, daß dort ununterbrochen hauswirtschaftliches Leben durch die Anwesenheit von Familienangehörigen herrschen muß. Vielmehr kann ein eigener Hausstand auch dann in der bisherigen Wohnung unterhalten werden, wenn der Arbeitnehmer seinen Lebensmittelpunkt dort beibehält und sich dort regelmäßig aufhält, wenn auch jeweils wegen der Berufstätigkeit am auswärtigen Beschäftigungsort mit Unterbrechungen (vgl. BFH-Urteil vom 5.10.1994 VI R 62/90). Die Rechtsprechung zur zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.10.1991 VI R 44/90) wird ihre Bedeutung in Zukunft bei solchen nicht verheirateten Arbeitnehmern behalten, die im Haushalt ihrer Eltern eingegliedert und vorübergehend an einem auswärtigen Ort beschäftigt sind.
Normenkette
EStG 1987 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 5; LStR 1993 Abschn. 43 Abs. 5 Nr. 2 Buchst. a
Tatbestand
Der 1964 geborene nicht verheiratete Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte sich im Jahre 1988 bei der Firma X. (im folgenden: Arbeitgeber) als Abteilungsleiter zur Einarbeitung beworben und aufgrund des Arbeitsvertrages vom 24. August 1988 die Tätigkeit aufgenommen. Der Arbeitgeber unterhält mehrere Filialen. Bei seiner Bewerbung hatte der Kläger eine Anstellung im Raum N angestrebt, da er in C seinen Lebensmittelpunkt hatte. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen hatte der Arbeitgeber dem Kläger unter Bezugnahme auf ein Gespräch folgendes mitgeteilt: "Der Einsatzort wäre zunächst L. Eine Gewähr für einen Einsatz in N kann ich derzeit nicht geben. Gerne will ich Ihren Wunsch, lieber in N arbeiten zu wollen, im Auge behalten. Da in nächster Zeit in den Filialen im Raum N einige Umbesetzungen geplant sind, ist ein evtl. Einsatz in N durchaus möglich." In § 3 des Arbeitsvertrags wurde das Arbeitsentgelt wie folgt festgesetzt: "DM 2 900 Raum S ..., DM 2500 N ...". Da im Raum N keine Stelle frei war, wurde der Kläger zunächst in L eingesetzt. Er war dort vom 20. September 1988 bis 21. August 1990 (also fast zwei Jahre) --davon bis zum 31. Dezember 1989 als Abteilungsleiter zur Einarbeitung-- und ab 22. August 1990 in E tätig. Nachdem es bis dahin nicht zu einer Versetzung in den Raum N gekommen war, kündigte der Kläger zum 30. Juni 1991 und begann ab 15. August 1991 ein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber in F.
Während der Beschäftigung in L hatte der Kläger ab 15. Januar 1989 im 16 km entfernten H ein möbliertes Zimmer für 300 DM monatlich angemietet. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1989 machte der Kläger folgende Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend:
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte DM
94 Tage C/L a 99 km
x 0,43 DM = 4 001,58
130 Tage H/L
a 16 km x 0,43 DM = 894,40
4 895,98
Miete H 3 600,00
Den Abzug der Mietaufwendungen als Werbungskosten begehrte der Kläger unter Hinweis darauf, daß er das Zimmer in H nur benutzt habe, wenn er sehr spät aus dem Geschäft gekommen und die Autobahnfahrt bei Nacht und Regen zu anstrengend gewesen sei. In H habe er 130 mal, in C 235 mal im Streitjahr übernachtet. Seine persönliche Lebensführung (Eltern, Freundeskreis, Feuerwehr, Segelflieger usw.) habe sich nur in C abgespielt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ die beantragten Fahrtkosten zum Werbungskostenabzug zu, versagte aber den Abzug der Mietaufwendungen.
Die Klage, mit der der Kläger den Abzug der Mietaufwendungen neben den Fahrtkosten, hilfsweise, den Abzug von Werbungskosten nach den Grundsätzen der zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung begehrte, hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß für den nicht verheirateten Kläger die Voraussetzungen einer zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung vorgelegen hätten und daß damit die Kosten der Unterkunft und daneben zwar nicht sämtliche Fahrtkosten von und nach C, wohl aber die Kosten für eine Fahrt pro Woche als Werbungskosten abziehbar seien.
Mit der Revision begehrt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.
Der Kläger tritt der Revision im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
Unter Änderung seiner langjährigen Rechtsprechung hat der Senat mit Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90 (BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180), entschieden, das Tatbestandsmerkmal des Unterhaltens eines eigenen Hausstandes erfordere nicht, daß dort ununterbrochen hauswirtschaftliches Leben durch die Anwesenheit von Familienangehörigen herrschen müsse. Vielmehr kann ein eigener Hausstand auch dann in der bisherigen Wohnung unterhalten werden, wenn der Arbeitnehmer seinen Lebensmittelpunkt dort beibehält und sich dort regelmäßig aufhält, wenn auch jeweils wegen der Berufstätigkeit am auswärtigen Beschäftigungsort mit Unterbrechungen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Urteil Bezug genommen.
2. Die Anwendung der Grundsätze der neuen Rechtsprechung des Senats auf den Streitfall ergibt, daß der Kläger, sofern er in C einen eigenen Hausstand unterhalten hat, einen doppelten Haushalt i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG geführt hat. In diesem Fall erweist sich die Vorentscheidung im Ergebnis bis auf die noch zu klärende Anzahl der Fahrten zwischen der Unterkunft in H und der Arbeitsstätte als zutreffend. Da die Vorentscheidung aber, vom rechtlichen Standpunkt des FG zutreffend, keine Feststellungen dazu enthält, ob der Kläger in C einen eigenen Hausstand unterhalten hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
3. Sollten die weiteren Ermittlungen des FG allerdings ergeben, daß der Kläger in C keinen eigenen Hausstand unterhalten hat, sondern in den Haushalt seiner Eltern eingegliedert war, erweist sich die Klage als unbegründet. Die Grundsätze der Rechtsprechung zur zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung (gelegentlich als unechte oder quasi doppelte Haushaltsführung bezeichnet), wie sie der Senat z.B. in den Gründen seines Urteils vom 10. Oktober 1991 VI R 44/90 (BFHE 166, 68, BStBl II 1992, 237; unter 1.) dargelegt hat und wie sie z.B. in Abschn. 43 Abs. 5 Nr. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1993 wiedergegeben worden sind, führen im Streitfall nicht zum Abzug der Unterkunftskosten. Diese Rechtsprechung wird ihre Bedeutung in Zukunft bei solchen nicht verheirateten Arbeitnehmern behalten, die im Haushalt ihrer Eltern eingegliedert und vorübergehend an einem auswärtigen Ort beschäftigt sind. Von einer vorübergehenden auswärtigen Beschäftigung kann nur ausgegangen werden, wenn die Beschäftigung an demselben auswärtigen Ort von vornherein auf höchstens drei Jahre befristet ist, wie dies z.B. bei befristeten Abordnungen, Probearbeitsverhältnissen oder Lehrverhältnissen angenommen werden kann (s. auch Abschn. 43 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a LStR 1993).
Im Streitfall stand nicht von vornherein fest, daß der Kläger längstens für drei Jahre außerhalb des Einzugsbereichs seines Mittelpunktes der Lebensführung beschäftigt sein würde. Der Kläger hatte mit seinem Arbeitgeber einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen. Allein der vom Kläger geäußerte Wunsch, alsbald in einer Filiale des Arbeitgebers im Einzugsbereich seines Heimatortes eingesetzt zu werden, und die vom Arbeitgeber zu erkennen gegebene Bereitschaft hierzu können im Interesse der Rechtsklarheit als nicht ausreichend angesehen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 65119 |
BFH/NV 1995, 26 |
BStBl II 1995, 186 |
BFHE 176, 32 |
BFHE 1995, 32 |
BB 1995, 339 |
BB 1995, 339-340 (LT1) |
DB 1995, 353 (LT) |
DStR 1995, 209-210 (KT) |
DStZ 1995, 277 (KT) |
HFR 1995, 312 (LT) |
StE 1995, 130 (K) |