Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung einer Wohnung in einem aufwendig gestalteten Wohngebäude
Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine Wohnung verbilligt vermietet und kommt es deswegen zu einer Aufteilung der Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil, so muss die Einkünfteerzielungsabsicht in Bezug auf den entgeltlichen Teil geprüft werden, wenn die typisierende Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass eine langfristige Vermietung in der Regel letztlich zu positiven Einkünften führt.
2. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn bei einer Wohnung in einem aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Wohngebäude die am Wohnungsmarkt erzielbare Miete den besonderen Wohnwert offensichtlich nicht angemessen widerspiegelt. Ob ein Gebäude besonders gestaltet oder ausgestattet ist, richtet sich nach denselben Kriterien, die für den Ansatz der Kostenmiete bei selbstgenutztem Wohnraum entwickelt worden sind (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92, BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98).
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind in den Streitjahren (1991 bis 1993) zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger ist Rechtsanwalt, die Klägerin Rentnerin; zusammen erzielen sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Sie erwarben im Jahr 1988 ein unbebautes Grundstück. Es grenzt unmittelbar an das ebenfalls den Klägern gehörende Grundstück, auf dem das von ihnen selbst genutzte Einfamilienhaus steht. Diese Grundstücke liegen in einem Wohngebiet mit starkem Verkehrsaufkommen und zahlreichen Handwerks- und Gewerbebetrieben. Die Kläger bebauten das 1988 erworbene Grundstück aufgrund einer im Jahr 1989 erteilten Baugenehmigung mit einem Wohngebäude mit einer Wohnung und einer Schwimmhalle. Das Einfamilienhaus umfasste ohne Berücksichtigung der Flächen für Terrasse und Schwimmhalle (85 qm) eine Wohnfläche von mehr als 300 qm. Seine Herstellungs- und Ausstattungskosten beliefen sich auf mehr als 1,6 Mio. DM. Zu der Inneneinrichtung gehört u.a. eine Einbauküche im Wert von 108 216 DM. Die tatsächlichen Betriebskosten betrugen 1 272 DM im Monat.
Nach Fertigstellung des Gebäudes im Jahr 1992 vermieteten die Kläger es an ihren Sohn und ihre Schwiegertochter. Die Miete betrug 1 500 DM im Monat. Eine Abrede zu Nebenkosten enthält der bereits 1989 abgeschlossene Mietvertrag nicht. Nach dem Vertrag ist das Mietverhältnis auf fünfzehn Jahre festgelegt und verlängert sich automatisch um jeweils zehn Jahre. Der Mietvertrag umfasst die Nutzung des Gebäudes einschließlich der Schwimmhalle, an der sich aber der Kläger als Vermieter auch ein persönliches Nutzungsrecht vorbehalten hatte.
Bei den Klägern fand für die Streitjahre eine Außenprüfung statt. Der Betriebsprüfer errechnete für das an die Kinder vermietete Einfamilienhaus eine Kostenmiete von 18 000 DM pro Monat; die marktübliche Miete betrug für die Streitjahre monatlich 4 043 DM. Da in den Streitjahren Einnahmen von 18 000 DM jährlich (1 500 DM x 12) Werbungskosten in Höhe von 140 000 DM bis 320 000 DM gegenüberstanden, beurteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Vermietung als steuerrechtlich unbeachtliche Liebhaberei und erkannte deshalb die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse nicht an.
Die Einsprüche blieben erfolglos. Nach Auffassung des FA widerspricht der Mietvertrag wegen der zeitlichen Festlegungen dem üblicherweise zwischen fremden Dritten Vereinbarten. Überdies liege die vereinbarte Miete weit unter 50 v.H. der ortsüblichen Miete. Die Herstellung des Hauses sei persönlich und nicht durch die Absicht motiviert gewesen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung daraus zu erzielen.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab. § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (EStG) sei im Streitfall nicht anzuwenden, weil die Nutzungsüberlassung, um die es hier gehe, marktüblichen Gegebenheiten nicht entspreche. Weil kein normtypisches Vermieten gegeben sei, gälten die Grundsätze des § 21 Abs. 1 EStG uneingeschränkt mit der Folge, dass die Einkünfteerzielungsabsicht zu prüfen sei. Diese liege aber nicht vor, weil nach den Besonderheiten des Streitfalls unter keinen Umständen mit einem Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten gerechnet werden könne.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine fehlerhafte Anwendung des § 21 EStG.
Sie beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und ihrer Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG hat § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG (1.) wie auch § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (2.) unrichtig angewandt.
Zwar hat es im Ergebnis zutreffend eine Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht für erforderlich gehalten, diese allerdings nicht anhand richtiger Maßstäbe vorgenommen.
1. Die Vorentscheidung verletzt zunächst § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG. Danach ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen, wenn das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken ―wie hier― weniger als 50 v.H. der ortsüblichen Marktmiete beträgt. Die Voraussetzungen sind hier gegeben, weil nach den Feststellungen des FG, die den Bundesfinanzhof (BFH) nach § 118 Abs. 2 FGO binden, der Vertragsmiete von 1 500 DM im Monat eine ortsübliche Marktmiete von 4 043 DM gegenübersteht.
a) Wird die Nutzungsüberlassung danach in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt, so ist das in der verbilligten Vermietung liegende nicht marktgerechte Verhalten des Steuerpflichtigen für die Prüfung seiner Einkünfteerzielungsabsicht ebenso wenig bedeutsam wie für den Fremdvergleich. Die Aufteilung ist Rechtsfolge dieses so geprägten Verhaltens und führt bei teilentgeltlichen Rechtsgeschäften zu einer Aufspaltung des zivilrechtlich einheitlichen Rechtsgeschäfts in einen steuerbaren entgeltlichen und in einen nicht steuerbaren unentgeltlichen Teil (BFH-Urteile vom 22. Juli 2003 IX R 59/02, BFHE 202, 566, BStBl II 2003, 806, und vom 4. August 2003 IX R 56/02, BFH/NV 2004, 39, jeweils m.w.N.).
Das Gesetz regelt in § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG die Auswirkungen eines Verzichts des Steuerpflichtigen auf mögliche Einnahmen. Soweit er seine Immobilie unentgeltlich nutzen lässt, wird er von vornherein nicht steuerbar tätig und kann deshalb auch seine damit zusammenhängenden Aufwendungen nicht als Werbungskosten abziehen (BFH-Urteil in BFHE 202, 566, BStBl II 2003, 806).
b) Nach diesen Grundsätzen hat das FG § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG unrichtig angewandt. Es hat die Norm bei nicht marktüblichem Verhalten des Steuerpflichtigen für nicht einschlägig gehalten und dabei übersehen, dass die Vorschrift gerade das in der Diskrepanz zwischen Vertragsmiete und marktüblicher Miete liegende nicht marktgerechte Verhalten des Steuerpflichtigen zum Gegenstand hat. Das FG hätte deshalb im Streitfall die Nutzungsüberlassung vor einer weiteren Prüfung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zunächst in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufteilen müssen.
2. Die Vorentscheidung verletzt auch § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
a) Auch bei einer aufgeteilten Nutzungsüberlassung gilt: Soweit der Steuerpflichtige sein bebautes unbewegliches Vermögen entgeltlich und auf Dauer überlässt, ist seine Vermietungstätigkeit unter den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu subsumieren. Für den verbliebenen steuerbaren Teil der Nutzungsüberlassung entspricht das Entgelt der ortsüblichen Marktmiete. Wie bei jeder anderen voll entgeltlichen Vermietungstätigkeit auch ist für den subjektiven Tatbestand regelmäßig davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften (BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771).
b) Die Rechtsprechung sieht sich aber ausnahmsweise zu einer Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht veranlasst, wenn besondere Gründe gegen ihr Vorliegen sprechen (so BFH-Urteil in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, unter 2. d). Um einen derartigen Ausnahmefall handelt es sich auch bei einer Wohnung in einem Wohnhaus, das so aufwendig gestaltet oder ausgestattet ist, dass die Marktmiete den besonderen Wohnwert einer solchen Wohnung offensichtlich nicht angemessen widerspiegelt.
aa) § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beruht nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auf der typisierenden Annahme, dass die langfristige Vermietung und Verpachtung in der Regel letztlich zu positiven Einkünften führt (BFH-Urteil in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, unter 2. c; so auch Mellinghoff in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 4. Aufl. 2004, § 21 Rn. 16; K. Ebling in Festschrift für Offerhaus, 1999, 567; zur Kritik an der Rechtsprechung vgl. Stein, Deutsche Steuerzeitung ―DStZ― 2004, 189; Weber-Grellet, Der Betrieb ―DB― 2002, 2568). Diese Aussage bezieht sich auf Wohnungen, die üblicherweise vermietet werden. Der Gebrauchswert solcher Wohnungen spiegelt sich in der ortsüblichen Marktmiete wider. Ist die Marktmiete aber keine angemessene Gegenleistung für den besonderen Gebrauchswert der Wohnung, so fehlt die Grundlage für die typisierende Annahme der Rechtsprechung. Es liegt ein Ausnahmefall vor, der für eine private Veranlassung der Herstellung und indiziell gegen das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht spricht.
bb) Den Ausnahmefall bildet die Wohnung in einem aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Wohnhaus, deren besonderen Wohnwert die Marktmiete nicht angemessen berücksichtigt. Ob eine solche Wohnung gegeben ist, richtet sich nach den Kriterien, die der Senat zum Ansatz der Kostenmiete bei eigengenutztem Wohnraum entwickelt hat (BFH-Urteil vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92, BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 21 Rdnr. C 19, m.w.N.).
cc) Welche Umstände im Einzelnen ein besonders gestaltetes oder ausgestattetes Wohnhaus von einer üblicherweise vermieteten Immobilie unterscheiden, richtet sich nach den Gestaltungs- oder Ausstattungsmerkmalen, die es als offensichtlich erscheinen lassen, dass das Wohnhaus nicht zum Zwecke der Vermietung errichtet ist (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98, und vom 9. September 1997 IX R 86/94, BFH/NV 1998, 163; Bundesministerium der Finanzen ―BMF―, Schreiben vom 20. Februar 1995, BStBl I 1995, 150; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl. 2004, Rz. 59). Danach ist ein solcher Ausnahmefall z.B. gegeben, wenn eine Wohnfläche mehr als 250 qm aufweist (vgl. auch BFH-Urteile vom 25. November 1997 IX R 8/95, BFH/NV 1998, 832, und vom 9. September 1997 IX R 52/94, BFHE 184, 346, BStBl II 1997, 818, zur Berechnung der Fläche) und/oder eine Schwimmhalle vorhanden ist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 16. Dezember 1997 IX R 69/95, BFHE 185, 214, BStBl II 1998, 342, und vom 9. Januar 2001 IX R 31/98, BFH/NV 2001, 1017).
c) Nach diesen Grundsätzen spricht im Streitfall ―wovon im Ergebnis zutreffend auch das FG ausgeht― ein Beweisanzeichen gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger. Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des FG, die den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden, betrug die vermietete Wohnfläche ohne Berücksichtigung der Schwimmhalle (vgl. zu auszusondernden Flächen BFH-Beschluss vom 24. Oktober 2003 IX B 90/03, BFH/NV 2004, 193) und der Nebenflächen über 300 qm; überdies war eine Schwimmhalle von 85 qm vorhanden. Diese Umstände führen zur Annahme eines Sonderfalls, in dem die Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen überprüft werden muss.
d) Die Prognose, mit der die Einkünfteerzielungsabsicht zu überprüfen ist, muss den Maßstäben entsprechen, die der BFH in seinem Urteil vom 6. November 2001 IX R 97/00 (BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) aufgestellt hat. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist zu bejahen, wenn sich anhand der für einen Prognosezeitraum von 30 Jahren geschätzten Einnahmen und Ausgaben ein Totalüberschuss ergibt. Hierbei muss allerdings das Zusammenspiel von § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG und § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beachtet werden:
- Zunächst ist danach die einheitliche Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen (entsprechend den Gründen zu 1.).
- Werbungskosten sind sodann nur in der Höhe des entgeltlichen Teiles der Nutzungsüberlassung in die Prognose einzubeziehen, der dem Verhältnis der vereinbarten zur marktüblichen Miete entspricht. Das wäre im Streitfall ein Verhältnis von 1 500 DM (Vertragsmiete) zu 4 043 DM (ortsübliche Miete).
3. Nach diesen Maßstäben ist die Vorentscheidung aufzuheben. Das FG hat die einheitliche Nutzungsüberlassung entgegen § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt. Es hat ferner seine Prognose nicht anhand der unter 2. d dargelegten Kriterien durchgeführt.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat ―von seinem Standpunkt folgerichtig― nicht festgestellt, in welcher Höhe Werbungskosten im Einzelnen angefallen sind. Das wird es in einer neuen Verhandlung und Entscheidung nachzuholen haben, bevor es in eine Prognose eintritt, in der es die von den Klägern erzielten Einnahmen den wegen der Aufteilung gekürzten Werbungskosten gegenüberstellt.
Es wird ferner die bisher offen gelassene Frage zu prüfen haben, ob der Mietvertrag einem Fremdvergleich standhält. Entspricht der Vertag nämlich nicht dem, was fremde Dritte vereinbart hätten, wäre der Vertrag steuerrechtlich nicht anzuerkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 1301178 |
BFH/NV 2005, 426 |
BStBl II 2005, 386 |
BFHE 2005, 142 |
BFHE 208, 142 |
BB 2005, 313 |
BB 2005, 422 |
DStR 2005, 234 |
DStRE 2005, 240 |
DStZ 2005, 200 |
DStZ 2005, 94 |
HFR 2005, 232 |