Leitsatz (amtlich)
Ist die Entstehung einer Abgabelast oder die Entstehung einer persönlichen Abgabeschuld nach § 118 Absätze 1 und 2 LAG streitig, so muß der Abgabebescheid gegen den Schuldner der RM-Verbindlichkeit vom 20. Juni 1948 gerichtet und ihm zugestellt werden. Eine Zustellung allein an den Erwerber des Grundstücks ist nicht ausreichend und in den Fällen des § 118 LAG unzulässig.
Normenkette
LAG §§ 118, 127
Tatbestand
Am 20. Juni 1948 war der Kaufmann A Eigentümer eines mit einer Sicherungshypothek von 5 000 RM belasteten Grundstücks, dessen Einheitswert 800 RM betrug. Der Eintrag im Grundbuch lautet:
„Am 25. Juni 1941 Sicherungshypothek zu fünftausend Reichsmark zur Sicherung der Ansprüche des Bankgeschäftsinhabers B in Chemnitz/Sa., aus diskontierten Wechseln, die vom Grundstückseigentümer ausgestellt und von C in Zwickau/Sa., akzeptiert worden sind.”
Infolge Verstaatlichung verloren im Jahre 1945 der Gläubiger B sein Bankgeschäft und der Schuldner A sein Sägewerk. Der Gläubiger B bewilligte im Januar 1952 die Löschung der Sicherungshypothek von 5 000 RM auf dem gesamten Grundbesitz des Kaufmanns A „wegen Bezahlung vor dem 21. 6. 1948”. Im April 1952 veräußerte der Kaufmann A das Grundstück an seinen Schwiegersohn, den Revisionskläger. Die Eintragung des Eigentumsübergangs erfolgte im November 1952. Am gleichen Tage wurde auch die Hypothek von 5 000 RM/DM im Grundbuch gelöscht. Der Einheitswert des verkauften Grundstücks wurde auf den 1. Januar 1953 wegen seiner forstwirtschaftlichen Nutzung auf 200 DM fortgeschrieben. Ein von dem Gläubiger angestrengter Rechtsstreit endete mit einem außergerichtlichen Vergleich, in dem sich der Kaufmann A verpflichtete, den aus der Darlehnsschuld von 5 000 RM im Verhältnis von 10 : 1 umgestellten Betrag von 500 DM zu entrichten. Unabhängig davon erklärte der Kaufmann A dem Finanzamt (FA) gegenüber, daß der Wechselakzeptant C die Wechsel, für die die Hypothek bestellt worden sei, eingelöst habe, so daß die Sicherungshypothek gegenstandslos geworden sei. Der Gläubiger B ist im Jahre 1965 verstorben.
Das FA hat den Revisionskläger als Erwerber des Grundstücks auf Grund der RM-Verbindlichkeit von 5 000 RM zu einer Abgabeschuld mit halbjährlichen Tilgungsleistungen nach § 106 Abs. 5 LAG herangezogen.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Die Enteignungsmaßnahmen in der Sowjetischen Besatzungszone hätten sich auf das strittige Hypothekenschuldverhältnis nicht ausgewirkt. Das am 20. Juni 1948 im Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG) geltende Schuldrecht und Umstellungsrecht seien maßgebend. Nach dem internationalen und interlokalen Privatrecht stehe fest, daß die Forderung des Gläubigers B nicht untergegangen und der Schuldner A von seiner Schuld nicht befreit worden sei. Bei der Hypothek von 5 000 RM handle es sich um eine gewöhnliche Wertpapierhypothek im Sinn des § 1187 BGB. Eine Höchstbetragshypothek könne darin nicht gesehen werden, da die Wechselforderung in Höhe von 5 000 RM festgestanden habe. Die Forderung sei auch nach der Überzeugung des Gerichts valutiert gewesen. Zwar wäre der Schuldner A nur gegen Vorlage der Wechsel zur Zahlung verpflichtet gewesen, wegen der sowjetzonalen Enteignung habe ihm aber keine Einrede zugestanden. Im übrigen habe der Gläubiger B eindeutig erklärt, daß die Forderung am 20. Juni 1948 noch voll bestanden habe, daß keine Rückzahlungen darauf geleistet worden seien und daß die Verwendung der löschungsfähigen Quittung dem Grundbuchamt gegenüber von der vorherigen Zahlung des Betrags von 500 DM abhängig gemacht worden sei. Der Umstand, daß der Schuldner A diesen Betrag bezahlt habe, spreche außerdem für das Bestehen der Forderung am 20. Juni 1948. Eine Vernehmung des Gläubigers B und des schon aus verwandtschaftlichen Gründen am Obsiegen des Revisionsklägers interessierten Schuldners A habe sich erübrigt, da von diesen Personen keine weitere sachdienliche Aufklärung des Sachverhalts zu erwarten gewesen wäre. Mit Rücksicht darauf, daß das Grundstück bereits vor der ersten HGA-Fälligkeit vom 30. September 1952 an den Revisionskläger veräußert worden sei und deshalb der frühere Eigentümer A gemäß § 436 BGB in Verbindung mit § 123 Abs. 2 LAG nicht für die Freiheit des veräußerten Grundstücks von der HGA dem Revisionskläger gegenüber gehaftet habe, habe das Gericht mangels eines rechtlichen Interesses von seiner Zuziehung als Beteiligter abgesehen.
Mit der Rechtsbeschwerde (jetzt Revision) macht der Revisionskläger Verletzung des formellen und materiellen Rechts geltend. Er führt aus: Der Übergang der Forderung infolge staatlicher Maßnahmen auf die Sächsische Volksbank sei offenbar nach dem sowjetischen Recht ex lege erfolgt. Danach habe die Sächsische Volksbank den Anspruch aus der privaten Rechtssphäre heraus nicht geltend machen können und tatsächlich auch nicht geltend gemacht. Bei der akzessorischen Natur der Forderung zur Hypothek habe die Hypothek für den Gläubiger B nicht mehr bestanden. Sie sei höchstenfalls Eigentümerhypothek geworden. Ihrer Natur nach sei die Forderung durch eine Höchstbetragshypothek gesichert gewesen, da die Wechselverbindlichkeiten schwankend gewesen seien. Eine Wechselverbindlichkeit verjähre aber nach Art. 70 des Wechselgesetzes nach sechs Monaten. Eine Unterbrechung der Verjährung seit dem Wegfall der kriegsrechtlichen Hemmungsbestimmungen (1. Januar 1949) sei nicht nachgewiesen. Die Einrede der Verjährung werde geltend gemacht. Ein Verzicht auf die Einrede sei nicht erfolgt. Schließlich habe das FG zu Unrecht festgestellt, die Hypothekenforderung sei nicht erloschen. Zwar habe der Gläubiger B die Nichtbezahlung der Hypothek zunächst bestätigt, dann aber widerrufen. Das FG habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, daß es den als Zeugen benannten Gläubiger B über seinen Widerspruch und seine neuere Erkenntnis nicht gehört habe. Wenn das Gericht von einer „nochmaligen Anhörung” spreche, so sei dies unrichtig, da der Gläubiger B weder vom FG noch vom FA gehört worden sei. Die Löschungsbewilligung sei auch nicht der Ehefrau des Revisionsklägers zu treuen Händen, sondern dem Notar ausgehändigt worden. Der Betrag von 500 DM sei von dem Gläubiger B nicht gefordert und von dem Schuldner A nicht bezahlt, sondern nur aus formellen Gründen in den Vergleich aufgenommen worden. Diese Umstände hätten durch eine Einvernahme des Gläubigers B einwandfrei geklärt und festgestellt werden können.
Der Revisionskläger beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben, außerdem festzustellen, daß aus der Hypothek von 5 000 RM eine Abgabeschuld nicht entstanden sei, und die Kosten des Verfahrens dem FA aufzuerlegen. Hilfsweise werde beantragt, die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Revision) führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und des Abgabebescheids.
Nach § 127 LAG richtet sich der Abgabebescheid „auch” gegen den Erwerber des Grundstücks. Das bedeutet, daß er nicht nur gegen den Erwerber gerichtet sein darf. Der Senat hat deshalb in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß dann, wenn ein Grundstück nach dem 21. Juni 1948 veräußert wird, der Abgabebescheid über eine HGA sowohl dem Veräußerer als auch dem Erwerber des Grundstücks zuzustellen ist (vgl. Urteil III 250/61 U vom 18. Oktober 1963, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 77 S. 711 – BFH 77, 711 –, BStBl III 1963, 581). In diesem Urteil hat er außerdem entschieden, daß dies auch dann gelte, wenn das Grundstück schon vor dem Inkrafttreten des LAG veräußert wurde. Dabei wird unterstellt, daß der Veräußerer gleichzeitig auch der Abgabeschuldner vom 21. Juni 1948 ist. Ist dies nicht der Fall, weil bei Zustellung des Abgabebescheids das Grundstück schon mehrfach veräußert worden ist, so darf nicht anders verfahren werden und muß dem Abgabeschuldner vom 21. Juni 1948 neben den späteren Erwerbern in erster Linie der Abgabebescheid zugestellt werden. Liegt einer der in § 118 Absätze 1 und 2 LAG genannten Fälle mit der Folge vor, daß der Schuldner der RM-Verbindlichkeit vom 20. Juni 1948 persönlicher Abgabeschuldner wurde und keine dingliche Abgabelast auf dem Grundstück entstanden ist, so kann für die Zwecke der HGA der Bescheid nur diesem, nicht auch dem Erwerber zugestellt werden. Besteht schließlich außerdem auch keine dingliche Haftung nach § 119 LAG, weil eine Umstellungsgrundschuld entweder von vornherein nicht entstanden oder nach § 120 LAG erloschen ist, so gibt es überhaupt keine andere Möglichkeit, als daß der Abgabebescheid allein und ausschließlich gegen den Abgabeschuldner der RM-Verbindlichkeit vom 20. Juni 1948 gerichtet wird. Diese sich aus § 127 LAG ergebende Regelung findet darin ihre Rechtfertigung, daß in der Regel über die Fragen, ob am 20. Juni 1948 eine RM-Verbindlichkeit bestanden hat und in welcher Höhe sie valutiert ist, ob Tatbestände vorliegen, nach denen die RM-Verbindlichkeit im Verhältnis von 1 : 1 umzustellen ist oder ob sonst gesetzliche Befreiungsgründe vorliegen, nur der Schuldner vom 20. Juni 1948 ausreichende und zuverlässige Auskünfte geben kann. Im Verhältnis zum Erwerber wird in der Regel auch nur der Schuldner vom 20. Juni 1948 die erforderlichen Umstände kennen und darüber Aussagen machen können, ob ein Fall des § 118 LAG vorliegt. Die Heranziehung des Erwerbers eines Grundstücks, das am 20. Juni 1948 belastet war, ohne die gleichzeitige Heranziehung des Eigentümers des Grundstücks vom Währungsstichtag setzt den Erwerber in den weitaus meisten Fällen in einen unzumutbaren Wissensnotstand, was durch keine Überlegungen der Zweckmäßigkeit und der Vereinfachung des Verfahrens gerechtfertigt werden kann. Besteht schließlich noch die Besonderheit, wie im Streitfall, daß sich die für die Beurteilung maßgeblichen Vorgänge örtlich auf die Sowjetzone beschränken, und sind die Personen, die darüber Aussagen machen können, dem Erwerber möglicherweise völlig unbekannt oder können sie von ihm nicht festgestellt und erreicht werden, so verbietet sich die auf den Erwerber beschränkte Heranziehung von vornherein von selbst. Dadurch, daß das FG bewußt davon abgesehen hat, den Eigentümer des Grundstücks und Schuldner der Verbindlichkeit vom 20. Juni 1948 zu hören und als Beteiligten zum Verfahren zuzuziehen, hat es die Rechtslage verkannt. Damit eine dem Gesetz entsprechende Heranziehung zur HGA oder eine danach sich ergebende Freistellung gewährleistet ist, muß insbesondere dann, wenn die Entstehung einer Abgabelast oder die Entstehung einer nur persönlichen Abgabeschuld nach § 118 Absätze 1 und 2 LAG im Streit steht, der Abgabebescheid in erster Linie und in den Fällen des § 118 LAG ausschließlich gegen den Schuldner der RM-Verbindlichkeit vom 20. Juni 1948 gerichtet und ihm zugestellt werden.
Die Entscheidung des FG, die Einspruchsentscheidung und der Abgabebescheid des FA waren daher aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 514506 |
BFHE 1969, 408 |