Entscheidungsstichwort (Thema)
Miet- und Pachtverträge zwischen Betrieb gewerblicher Art und Trägerkörperschaft
Leitsatz (NV)
1. Zwischen einem Betrieb gewerblicher Art und der Trägerkörperschaft abgeschlossene Miet- und Pachtverträge über Gegenstände, die eine wesentliche Grundlage des Betriebs gewerblicher Art sind, können nach den Grundsätzen über die Betriebsaufspaltung nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden.
2. Wesentliche Betriebsgrundlage eines Wasserwerkes ist neben der Vorrichtung zur Wassergewinnung (Brunnen) auch das Grundstück, auf dem die Wasserquelle liegt.
3. Zu den Grundsätzen der Verwirkung.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1; KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Anläßlich einer bei den Wasserwerken (den Wasserwerken), einem Betrieb gewerblicher Art der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß die Wasserwerke für die Wasserentnahme aus drei Brunnen entsprechend einem Beschluß des Hauptausschusses der Klägerin Wassergebühren an die Klägerin entrichtet haben. Diese Brunnen wurden zwar nicht seit Bestehen der Wasserwerke, jedoch bereits seit Jahrzehnten von den Wasserwerken auf stadteigenen Wiesengrundstücken unterhalten. Diese Grundstücke waren im übrigen an Landwirte verpachtet. Trotz entsprechender Bemühungen konnte eine Ausweisung als Wasserschutzgebiet bislang noch nicht erreicht werden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah die Wiesengrundstücke als notwendiges Betriebsvermögen der Wasserwerke an und erkannte die geleisteten Vergütungen nicht als Betriebsausgabe an. Das FA änderte die Körperschaftsteuerfestsetzung 1970, sowie die Gewerbesteuermeßbetragsfestsetzungen 1970, 1971 und 1972 entsprechend.
Die dagegen eingelegten Einsprüche führten nach entsprechendem Hinweis zur Verböserung. Das FA hielt nicht nur an der Nichtabzugsfähigkeit der Wassernutzungsgebühren fest, sondern erfaßte auch die Einnahmen aus der Verpachtung der Wiesengrundstücke an die Landwirte als Betriebseinnahmen der Wasserwerke.
Das Finanzgericht (FG) sah in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 319 veröffentlichten Urteil die Klage als begründet an.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 4, 5 und 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) a. F.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die angegriffenen Steuerbescheide ergingen zu Recht. Die Nutzungsgebühren sind verdeckte Gewinnausschüttungen; die Einnahmen aus der Verpachtung der Wiesengrundstücke an die Landwirte zählen zu den Einnahmen des Betriebs gewerblicher Art Wasserwerke.
Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG Subjekt der Körperschaftsteuer wegen des Wasserwerks (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. März 1984 I R 223/80, BFHE 140, 560, BStBl II 1984, 496). Auf die Beziehung zwischen der Klägerin (als Trägerkörperschaft) und dem Wasserwerk finden die Grundsätze über die verdeckte Gewinnausschüttung Anwendung, wie sie zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern gelten (vgl. zuletzt Urteil in BFHE 140, 560, BStBl II 1984, 496). Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt hinsichtlich der Nutzungsentgelte vor, weil diesen keine steuerrechtlich anzuerkennende Vereinbarung zwischen den Wasserwerken und der Klägerin zugrunde liegt. Grundsätzlich ist für die Besteuerung von den Verträgen zwischen der Trägerkörperschaft und dem Betrieb gewerblicher Art auszugehen. Soweit es sich um Gegenstände handelt, die für den Betrieb gewerblicher Art eine wesentliche Grundlage sind, können jedoch Miet- bzw. Pachtverträge zwischen der Trägerkörperschaft und dem Betrieb gewerblicher Art nach den entsprechend geltenden Grundsätzen über die Betriebsaufspaltung nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden (vgl. Urteil in BFHE 140, 560, BStBl II 1984, 496).
Der Heranziehung der Grundsätze über die Betriebsaufspaltung steht nicht entgegen, daß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG die Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art einem Betrieb gewerblicher Art gleichstellt (vgl. jetzt § 4 Abs. 4 KStG 1977, wonach als Betrieb gewerblicher Art die Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art gilt). Daraus kann nicht geschlossen werden, daß eine Verpachtung von Wirtschaftsgütern durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bei ihr nur dann ertragsteuerliche Folgen auslöst, wenn ein Betrieb gewerblicher Art als solcher verpachtet wird. Die Gleichstellung in § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG (jetzt § 4 Abs. 4 KStG 1977) bewirkt, daß die Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art kraft Gesetzes zu den Einkünften aus einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit gerechnet wird, selbst wenn die Verpachtung tatsächlich nur als Vermögensverwaltung anzusehen ist (BFH-Urteil vom 1. August 1979 I R 106/76, BFHE 128, 387, BStBl II 1979, 716). Dies schließt nicht aus, in der Verpachtung von Wirtschaftsgütern deswegen einen Betrieb gewerblicher Art zu sehen, weil die eine Vermögensverwaltung ausschließenden Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung gegeben sind (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Dies ergibt sich aus den unterschiedlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Betriebs gewerblicher Art. Während es für die Gleichstellung der Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art mit dem Betrieb gewerblicher Art nicht darauf ankommt, an wen der Betrieb gewerblicher Art verpachtet wird, ist eine Betriebsaufspaltung nur denkbar, wenn die Wirtschaftsgüter an eine Kapitalgesellschaft verpachtet werden, die die Körperschaft des öffentlichen Rechts beherrscht (vgl. Beschluß des Großen Senats in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). In dem Sinne wird das Verhältnis der Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG (jetzt § 4 Abs. 4 KStG 1977) zum Institut der Betriebsaufspaltung auch im Schrifttum verstanden (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 4 KStG 1977 Anm. 20, wo darauf hingewiesen wird, daß es auf die Abgrenzung der Vermögensverwaltung zur gewerblichen Betätigung im Rahmen des Instituts der Betriebsaufspaltung nur ankommt, wenn die Vermietung und Verpachtung nicht bereits ohnehin nach § 4 Abs. 4 KStG 1977 als Betrieb gewerblicher Art zu behandeln ist). Dementsprechend ist im Streitfall im Rahmen der entsprechend heranzuziehenden Grundsätze über die Betriebsaufspaltung unerheblich, daß die überlassenen Wirtschaftsgüter nicht in einem Betrieb gewerblicher Art bestanden.
Die Wiesengrundstücke sind als wesentliche Grundlage des Betriebs gewerblicher Art Wasserwerke anzusehen. Auf ihnen liegen die für die Wasserentnahme durch die Wasserwerke benötigten Brunnen. Gerade die Wasserbezugsquelle ist bei einem Wasserwerk eine wesentliche Grundlage des Betriebs. Als wesentliche Grundlage ist dabei nicht nur die Vorrichtung anzusehen, durch die das Wasser gewonnen wird, sondern auch das Grundstück, auf dem die Wasserquelle liegt. Gerade bei der Gewinnung von Wasser kommt es, um die Gefahren für die Reinheit des Wassers abzuwehren, auf eine Grundfläche an, die die eigentliche Wasserquelle umschließt.
Nach den Grundsätzen über die Betriebsaufspaltung kann nicht davon ausgegangen werden, daß Bestandteil des Betriebs gewerblicher Art Wasserwerk lediglich ein Nutzungsrecht ist. Dies gilt selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, daß die Klägerin den Wasserwerken ein Nutzungsrecht eingeräumt hat. Entscheidend ist, daß Wirtschaftsgüter, insbesondere Grundbesitz, die zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebsunternehmens gehören, bei dem Besitzunternehmen verbleiben. Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Form das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen die Wirtschaftsgüter zur Verfügung stellt (Verpachtung oder Einräumung eines Nutzungsrechts).
Die Einnahmen aus der Verpachtung der Wiesengrundstücke sind Einnahmen der Wasserwerke, da die Wiesengrundstücke nach den entsprechend anzuwendenden Grundsätzen über die Betriebsaufspaltung steuerrechtlich als Bestandteil des Betriebs gewerblicher Art anzusehen sind.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, daß für den Fall ihres Unterliegens bei der Ermittlung des Gewinns der Wasserwerke die mit den Grundstücken zusammenhängenden Betriebsausgaben berücksichtigt werden müßten, liegt keine Verfahrensrüge vor, die den Anforderungen des § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt. Die Klägerin hat nicht im einzelnen die Tatsachen bezeichnet, die es dem FG, wenn es nicht im Sinne der Klägerin entschieden hätte, nahelegten, bestimmte Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Die Klägerin hat derartige Betriebsausgaben nicht im einzelnen bezeichnet.
Der Entscheidung des Senats stehen die Grundsätze der Verwirkung nicht entgegen, obwohl das Wasserwerk seit Jahrzehnten die gemeindlichen Grundstücke zur Wasserentnahme benutzt und das FA keine entsprechenden Folgerungen gezogen hat. Es fehlt im Streitfall an einem Vertrauenstatbestand, nämlich an einem zur bloßen zeitweiligen Untätigkeit hinzutretenden Verhalten des FA, das bei objektiver Beurteilung die Klägerin erwarten lassen durfte, das FA werde für die Streitjahre keine Folgerungen aus dem Umstand ziehen, daß die Wiesengrundstücke zum Wasserwerk gehören. Das FA hat für jeden Besteuerungsabschnitt gesondert die tatbestandlichen Voraussetzungen des Steueranspruchs zu prüfen und ist an eine frühere abweichende Rechtsauffassung selbst dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert haben sollte (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 1984 IV R 180/81, BFHE 141, 451, BStBl II 1984, 780).
Fundstellen
Haufe-Index 414235 |
BFH/NV 1987, 123 |