Leitsatz (amtlich)
Wird bei Erlaß eines Folgebescheides ein vorliegender Grundlagenbescheid übersehen, so wird dadurch der Erlaß eines auf § 175 Abs.1 Nr.1 AO 1977 gestützten Änderungsbescheides nicht unzulässig.
Orientierungssatz
1. Die Ablaufhemmung der Verjährung gemäß § 146a Abs. 3 AO tritt bei der Vermögensteuer des Gesellschafters einer Personengesellschaft nur hinsichtlich des Anteils am Betriebsvermögen der Gesellschaft ein, wenn sich die Betriebsprüfung bei der Gesellschaft nur auf diese Besteuerungsgrundlage der Vermögensteuer bezieht (vgl. BFH-Urteil vom 22.4.1977 III R 122/74).
2. Hat das FA das Urteil des FG, das für zwei Streitjahre ergangen ist, nur wegen eines Jahres angefochten, so ist eine unselbständige Anschlußrevision des Klägers nur hinsichtlich dieses Jahres zulässig (vgl. BFH-Rechtsprechung).
3. NV: Hat der Empfänger eines FG-Urteils durch seine Unterschrift die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis (§ 5 Abs. 2 VwZG) anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 26.6.1969 VI R 247/66), so kann es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht mehr von Bedeutung sein, ob das zugestellte Urteil den durch Nr. 7 Abs. 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum VwZG vorgeschriebenen Vermerk, die Übersendung erfolge zum Zwecke der Zustellung, trägt. Denn es handelt sich um keine zwingende Zustellungsvorschrift, so daß der Lauf von Rechtsmittelfristen und Rechtsmittelbegründungsfristen nicht gehindert wird (vgl. Rechtsprechung: BSG).
4. NV: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Hat der Prozeßbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis (§ 5 Abs. 2 VwZG) für ein FG-Urteil unterschrieben, bevor die entsprechenden Eintragungen in die Rechtsmittelkontrolle vorgenommen wurden, so mußte er den Tag der Zustellung für die Berechnung der Rechtsmittelfrist auf dem Urteil vermerken (vgl. BFH-Urteil vom 16.8.1979 IV R 41/79).
5. NV: Ist dem Kläger auf seinen Antrag die Akteneinsicht nicht ausdrücklich verwehrt worden, hätte er die Akten ohne weiteres in der Geschäftsstelle einsehen können. Nimmt er die Einsichtsmöglichkeit nicht wahr, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vor.
6. NV: Zu den Bescheiden i.S. des § 146a Abs. 3 AO gehören bei einer Betriebsprüfung, die die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen betrifft, auch Folgebescheide. Bei diesen muß auch dann vom Andauern der Ablaufhemmung ausgegangen werden, wenn nach der Betriebsprüfung zuerst ein unvollständiger Änderungsfolgebescheid erlassen wurde. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn nach dessen Erlaß eine unangemessen lange Zeit verstrichen wäre.
Normenkette
AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 1; VwZGVwV Nr. 7 Abs. 3; AO § 146a Abs. 3; FGO § 155; ZPO § 556; VwZG § 5 Abs. 2, § 9 Abs. 1-2; FGO § 56 Abs. 1, §§ 78, 119 Nr. 3
Tatbestand
In der Vermögensteuererklärung auf den 1.Januar 1974 sind drei Kinder des Klägers und seiner Ehefrau aufgeführt worden, nämlich der 1954 geborene Sohn und die 1957 und 1964 geborenen Töchter. Hinsichtlich des Sohnes wurde wegen dessen Berufsausbildung die Zusammenveranlagung beantragt.
Die Steuererklärung enthält den Hinweis, daß die Kinder eigenes Vermögen hätten, das in Abschn.B aufgeführt sei. In Abschn.B ist u.a. eine Beteiligung an der B-KG unaufgegliedert angegeben worden.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte die Vermögensteuer 1974 durch Bescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung vom 30.Mai 1978 auf jährlich 609 DM fest.
Im Juli 1978 begann bei der B-KG eine Betriebsprüfung, die sich u.a. auch auf die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1.Januar 1974 erstreckte. Am 28.Februar 1979 übersandte die für die B-KG zuständige Stelle des FA der für die Vermögensteuer zuständigen Stelle Mitteilungen über die auf den Kläger und seine beiden Töchter entfallenden Anteile am Betriebsvermögen der KG u.a. auf den 1.Januar 1974 und den 1.Januar 1977, aber keine Mitteilung hinsichtlich der Beteiligung des Sohnes. Das FA erließ nunmehr am 28.September 1979 auf § 175 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte geänderte Vermögensteuerbescheide, in denen es die Vermögensteuer 1974 auf 0 DM und die Vermögensteuer für 1977 auf 609 DM (1978 auf 435 DM) festsetzte. Es berücksichtigte dabei jeweils nur die Anteile des Klägers an der B-KG.
Durch Bescheide vom 29.Februar 1980 änderte das FA unter Berufung auf § 175 Nr.1 AO 1977 die Vermögensteuerbescheide auf den 1.Januar 1974 und den 1.Januar 1977 erneut und setzte nunmehr auch die Anteile der Kinder ein. Es ergab sich nunmehr für 1974 eine Vermögensteuer von 917 DM und für 1977 eine Vermögensteuer von 3 367 DM (1978: 2 405 DM).
Der Kläger legte gegen die beiden Bescheide Einspruch ein mit der Begründung, daß die Änderungsmöglichkeit aufgrund des § 175 Nr.1 AO 1977 bereits durch die Bescheide vom 28.September 1979 verbraucht worden sei. Das FA wies die Einsprüche des Klägers durch Einspruchsentscheidung vom 13.Januar 1981 als unbegründet zurück.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Aufhebung der angefochtenen geänderten Vermögensteuerbescheide 1974 und 1977 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung und die Wiederherstellung der Steuerbescheide vom 28.September 1979 beantragt.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage im wesentlichen abgewiesen, weil die Änderungsmöglichkeit aufgrund des § 175 Abs.1 Nr.1 AO 1977 noch nicht verbraucht gewesen sei. Allerdings sei die Vermögensteuer 1974 von 917 DM auf 609 DM herabzusetzen, weil der Differenzbetrag von 308 DM verjährt gewesen sei.
++/ Ausfertigungen des Urteils sind jeweils gegen Empfangsbekenntnis am 28.Oktober 1983 zugestellt worden. /++
Die Beteiligten haben innerhalb der Revisionsfrist jeweils Revision eingelegt.
++/ Durch Schriftsatz vom 27.Dezember 1983, der in A als Eilbrief am 27.Dezember 1983, 22.00 Uhr, abgestempelt wurde, hat der Kläger die Verlängerung der Frist für die Revisionsbegründung um einen Monat beantragt. Dieser Brief ist dem Bundesfinanzhof (BFH) am 29.Dezember, 7.00 Uhr, zugestellt worden. Die Revisionsbegründungsfrist war bereits am 28.Dezember 1983 abgelaufen.
Der Kläger begründete seine Revision mit Schriftsatz vom 28.Dezember 1983, der als Eilbrief am 28.Dezember 1983, 20.00 Uhr, in A abgestempelt wurde. Auch die Revisionsbegründung wurde dem BFH am 29.Dezember 1983, 7.00 Uhr, zugestellt.
Die für das FA geltende Revisionsbegründungsfrist ist antragsgemäß bis zum 25.Januar 1984 verlängert worden. Der Revisionsbegründungsschriftsatz vom 17.Januar 1984 ging am 27.Januar 1984 beim BFH ein.
Beide Beteiligte haben wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, nachdem sie durch Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 16.Januar 1984 (Kläger) bzw. vom 7.Februar 1984 (FA) auf die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist hingewiesen worden waren, und zwar der Kläger durch Schriftsatz vom 1.Februar 1984, der am 3.Februar 1984 beim BFH einging, das FA durch Schriftsatz vom 14.Februar 1984, der am 15.Februar 1984 beim BFH einging.
Der Kläger hat seinen Wiedereinsetzungsantrag im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Fristenkontrolle funktioniere in der Weise, daß die Eingangspost am Tage des Eingangs mit einem Eingangsstempel versehen werde und durch eine Steuerfachgehilfin in die Rechtsmittelkontrolle eingetragen werde. Dabei werde die Frist berechnet, auf dem Schriftstück vermerkt, in die Rechtsmittelkontrolle eingetragen und zusätzlich in eine Tageskontrolle mit der Rechtsmittellistennummer eingetragen. Diese Berechnung werde am gleichen Tage oder am nächsten Tage von einem Berufsträger anhand des Schriftstückes kontrolliert und abgezeichnet. Förmlich zugestellte Schriftstücke würden gesondert gekennzeichnet durch einen roten Stempel "Achtung] Förmliche Zustellung".
Im Falle förmlicher Zustellung würden die Briefumschläge regelmäßig aufbewahrt. Empfangsbekenntnisse würden in der Regel fotokopiert, abgesehen davon, daß die Schriftstücke mit dem Eingangsstempel versehen seien. Normale Briefumschläge würden in der Regel nicht aufbewahrt. Es erfolge aber ein Vergleich zwischen dem Absendestempel und dem Eingangstag des Schriftstückes. Die Briefumschläge würden aufbewahrt, wenn zwischen dem Absendetag und dem Eingangstag mehr als drei Tage lägen.
Im vorliegenden Fall habe der Briefumschlag des FG keinerlei Hinweise auf eine förmliche Zustellung enthalten. Da der Brief innerhalb der Dreitagefrist eingegangen sei, sei der Briefumschlag nicht aufbewahrt worden. Das Empfangsbekenntnis sei bedauerlicherweise nicht abgelichtet worden.
Das Schriftstück selbst enthalte keinerlei Hinweis darauf, daß die Übersendung des Urteils zum Zwecke der Zustellung geschehen sei. Der Rechtsmittelfristablauf sei nach den Vorschriften des § 122 Abs.2 AO 1977 auf den 30.November 1983 berechnet worden, ohne daß der für die Nachprüfung verantwortliche Steuerberater dies gemerkt hätte.
Nach allem liege ein Büroversehen vor, weil der Stempelaufdruck "Achtung] Förmliche Zustellung" versehentlich nicht angebracht worden sei und das Gericht selbst auf dem Schriftstück keinerlei Hinweise auf die Art der Bekanntgabe angebracht habe.
Der Senat hat über den Postlauf des Antrages auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist Ermittlungen angestellt. Das zuständige Postamt in A hat hierzu folgendes mitgeteilt:
Der am 27.Dezember 1983 eingelieferte Eilbrief (mit dem Fristverlängerungsantrag) habe in der Zeit zwischen 21.00 und 22.00 Uhr zur Bearbeitung in der Briefabgangsstelle des Postamtes A vorgelegen. Die Ableitung ab A sei jedoch erst am 28.Dezember 1983 um 3.54 Uhr und weiter ab B um 12.32 Uhr möglich gewesen. Demzufolge habe der Eilbrief München erst am 28.Dezember 1983 um 20.26 Uhr erreicht. Nach Mitteilung des Postamtes München 80 sei eine Eilzustellung bis 22.00 Uhr unter diesen Umständen nicht mehr möglich gewesen. Demgegenüber habe der am 28.Dezember 1983 20.00 Uhr abgestempelte Eilbrief den BFH aufgrund der Laufzeitvorgaben noch am folgenden Werktag erreichen können.
Das FA hat zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages vorgetragen: Der Brief mit der Revisionsbegründung sei ausweislich des Absendevermerks am 23.Januar 1984 zur Post gegeben worden, nachdem er mit dem Freistemplerabdruck vom 23.Januar 1984 versehen worden sei. Zum Beweis dafür, daß der Brief noch am 23.Januar 1984 zur Post gegeben worden sei, hat das FA eidesstattliche Versicherung einer Bediensteten der Rechtsmittelstelle und des Boten vorgelegt. Das zuständige Postamt in A hat mitgeteilt, daß ein Brief am folgenden Tag in München zugestellt werde, der am 23.Januar 1984 bis 20.00 Uhr eingeliefert worden sei. Bei Einlieferung nach 20.00 Uhr habe der Brief den Empfänger in München am 25.Januar 1985 erreichen müssen. /++
Der Kläger hat (sinngemäß) beantragt, das angefochtene Urteil und die geänderten Vermögensteuerbescheide 1974 und 1977 aufzuheben.
Das FA hat beantragt, die Klage (unter Aufhebung des angefochtenen Urteils) in vollem Umfang abzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision des FA ist zulässig. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. ++/ Das FA hat glaubhaft gemacht, daß die Revisionsbegründung am 23.Januar 1984 zur Post gegeben worden ist. Bei normalem Postlauf hätte der Brief, wie die Auskunft des Postamtes in A ergeben hat, spätestens am 25.Januar 1984 (also rechtzeitig) beim BFH eintreffen müssen. /++
2. Die Revision des Klägers ist als selbständige Revision unzulässig, weil sie verspätet begründet worden ist und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann. Als unselbständige Revision ist sie nur hinsichtlich der Vermögensteuer 1974 zulässig. Denn das FA hat das FG-Urteil nur insoweit angefochten (vgl. in diesem Zusammenhang die BFH-Urteile vom 17.November 1964 VI 39/63 U, BFHE 81, 494, BStBl III 1965, 178, und vom 3.Juli 1979 VII R 53/76, BFHE 128, 158, BStBl II 1979, 655).
++/ Die Einwendungen des Klägers gegen die Wirksamkeit der Zustellung des angefochtenen Urteils greifen nicht durch. Nach dem Vortrag des Klägers ist zwar bei der Zustellung des FG Nr.7 Abs.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) nicht beachtet worden, durch den vorgeschrieben wird, daß auf dem zuzustellenden Schriftstück zu vermerken sei, die Übersendung erfolge zum Zwecke der Zustellung. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine zwingende Zustellvorschrift im Sinne des § 9 Abs.1 VwZG, so daß der Lauf der Rechtsmittelfrist und der Rechtsmittelbegründungsfrist nicht aufgrund des § 9 Abs.2 VwZG gehindert wird (vgl. hierzu den Beschluß des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 27.August 1971 11 RA 112/71, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1971, 2248).
Entscheidungserheblich ist, daß die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis (vgl. § 5 Abs.2 VwZG) nur mit dem Willen des Adressaten zulässig ist, der durch die Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis dokumentiert wird (vgl. das Urteil vom 26.September 1969 VI R 247/66, BFHE 97, 57, BStBl II 1970, 31). Hat der Empfänger durch seine Unterschrift die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis anerkannt, so kann es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht mehr von Bedeutung sein, ob das zugestellte Urteil den durch Verwaltungsanordnung vorgeschriebenen Vermerk trägt.
Dem Kläger kann wegen des verspätet eingegangenen Antrages auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.
Die Revisionsbegründungsfrist endete am 28.Dezember 1983. Der verspätete Eingang des Antrages auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist ist nicht unverschuldet im Sinne des § 56 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Ausweislich der Auskunft des Postamtes A konnte der am 27.Dezember 1983, 22.00 Uhr, aufgegebene Eilbrief den BFH bei regelmäßigem Postlauf nicht bis zum 28.Dezember 1983, 22.00 Uhr (dem Ende der täglichen normalen Eilzustellung) erreichen. Bei dieser Sachlage hätte der Kläger den Brief früher bei der Post einliefern oder jedenfalls von der Möglichkeit der Nachtzustellung (vgl. § 33 Abs.2 Satz 2 der Postordnung) Gebrauch machen müssen, um noch eine rechtzeitige Zustellung des Fristverlängerungsantrags am 28.Dezember 1983 bis 24.00 Uhr zu erreichen.
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Prozeßbevollmächtigte des Klägers unverschuldet hätte davon ausgehen können, daß die Revisionsbegründungsfrist erst am 30.Dezember 1983 ablief. Dies ist jedoch nicht der Fall. Entgegen dem entsprechenden Vortrag ist ein bloßes Büroversehen bei der Eintragung der Revisionsfrist nicht glaubhaft gemacht.
Hat der Prozeßbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis unterschrieben, bevor die entsprechenden Eintragungen in die Rechtsmittelkontrolle vorgenommen wurden, so mußte er den Tag der Zustellung für die Berechnung der Rechtsmittelfrist auf dem Urteil vermerken (vgl. das BFH-Urteil vom 16.August 1979 IV R 41/79, BFHE 129, 232, BStBl II 1980, 154).
Sollte ihm das Urteil mit dem Empfangsbekenntnis erst nach Eintragung in die Fristenkontrolle vorgelegt worden sein, so hätte ihm auffallen müssen, daß die auf dem Urteil vermerkte Fristberechnung nicht stimmen konnte. Bei der vorgeschriebenen Zustellung von Urteilen hätte die Einbeziehung einer Dreitagefrist in die Fristberechnung nur bei einem Einschreiben in Betracht kommen können. Dies hätte im übrigen auch dem Berufsträger auffallen müssen, der die Eintragung in die Rechtsmittelkontrolle nachprüfte. /++
3. Die Revision des FA ist begründet, die Revision des Klägers, soweit sie als unselbständige Anschlußrevision zulässig ist, unbegründet. Der vom Kläger angefochtene Vermögensteuerbescheid 1974 ist rechtmäßig.
a) Das FA hat den materiell richtigen Steuerbescheid auf den 1.Januar 1974 vom 29.Februar 1980 zu Recht auf § 175 Abs.1 Nr.1 AO 1977 gestützt. Diese Vorschrift ist auch dann anwendbar, wenn (wie im vorliegenden Fall) bei einer bereits zuvor vorgenommenen Änderung aufgrund des § 175 Abs.1 Nr.1 AO 1977 bereits ein Grundlagenbescheid vorlag, dieser aber nicht berücksichtigt wurde, weil er entweder dem den Steuerbescheid erlassenen FA nicht bekannt war oder übersehen wurde. Dies ist in der Rechtsprechung bisher stets anerkannt worden, wobei der Reichsfinanzhof (RFH) in den Fällen des übersehenen Grundlagenbescheides auf § 92 Abs.3 der Reichsabgabenordnung (AO) a.F. zurückgegriffen hat (vgl. im einzelnen RFHE 31, 96, RStBl 1934, 261; RStBl 1936, 210; FG Düsseldorf in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1980, 423; FG Baden-Württemberg in EFG 1982, 113; unentschieden das Urteil des BFH vom 5.Mai 1981 VIII R 103/78, BFHE 134, 210, BStBl II 1982, 99; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 175 AO 1977, Tz.2, 5, sowie Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 175 Tz.7, der für die Anwendung des § 129 AO 1977 bei übersehenen Grundlagenbescheiden eintritt).
Es ist das Ziel des § 175 Abs.1 Nr.1 AO 1977, die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheides verfahrensrechtlich zur Geltung zu bringen. Daraus folgt, daß das gesetzliche Gebot zur entsprechenden Änderung eines Folgebescheides solange besteht, als ein Grundlagenbescheid in dem Folgebescheid noch nicht berücksichtigt ist. § 175 Abs.1 Nr.1 AO 1977 enthält insoweit keinerlei einschränkende Vorschriften.
b) Entgegen der Auffassung des FG war bei Erlaß des angefochtenen Vermögensteuerbescheides 1974 noch keine Verjährung eingetreten. Der Eintritt der Verjährung wurde durch die Ablaufhemmung des § 146a Abs.3 AO a.F. verhindert. ++/ Nach dieser Vorschrift trat die Verjährung nach einer Betriebsprüfung nicht ein, bevor die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide unanfechtbar geworden waren. Zu diesen Bescheiden gehören bei einer Betriebsprüfung, die die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen betrifft, auch die Folgebescheide. Danach gehört auch der angefochtene Vermögensteuerbescheid auf den 1.Januar 1974 zu den Bescheiden, die aufgrund der Betriebsprüfung bei der B-KG ergangen sind.
Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß das FA die Anteile der Töchter schon in dem vorangegangenen Vermögensteuerbescheid vom 28.September 1979 hätte erfassen können. Solange aber die Anteile des Sohnes und der Töchter noch nicht berücksichtigt waren, muß vom Andauern der Ablaufhemmung ausgegangen werden. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn seit dem Erlaß des noch unvollständigen Änderungsbescheides vom 28.September 1979 eine unangemessen lange Zeit verstrichen wäre (vgl. den Rechtsgedanken des § 146a Abs.2 AO a.F. in der Fassung ab 1.Januar 1966). /++
Die Ablaufhemmung gemäß § 146a Abs.3 AO a.F. trat allerdings nur insoweit ein, als das Betriebsvermögen betroffen war. Für den vorliegenden Fall ergeben sich hieraus keine Auswirkungen. Denn die strittige Vermögensteuer betraf nur das Betriebsvermögen. Ohne Betriebsvermögen hätte sich überhaupt keine Vermögensteuer ergeben (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 22.April 1977 III R 122/74, BFHE 122, 229, BStBl II 1977, 681).
++/ 4. Auch die Verfahrensrügen des Klägers haben keinen Erfolg. Soweit er rügt, daß ihm vom FG keine Akteneinsicht gewährt worden und dadurch das rechtliche Gehör verletzt sei, ist darauf hinzuweisen, daß der Kläger nicht alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Akteneinsicht zu verschaffen. Er hat zwar am 29.Juni 1981 einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt, ist hierauf aber während der nächsten zwei Jahre bis zum Ergehen des Urteils nicht wieder zurückgekommen, obwohl noch weitere Schriftsätze ausgetauscht wurden. Da dem Kläger die Akteneinsicht nicht (ausdrücklich) verwehrt worden ist, hätte er die Steuerakten ohne weiteres in der Geschäftsstelle einsehen können (vgl. § 78 FGO). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt unter diesen Umständen nicht vor.
Auch im übrigen haben die Verfahrensrügen keinen Erfolg, ohne daß diese Entscheidung begründet werden muß (Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). /++
Fundstellen
Haufe-Index 60831 |
BStBl II 1986, 168 |
BFHE 145, 117 |
BFHE 1986, 117 |
BB 1986, 453-454 (ST) |
DB 1986, 733-734 (ST) |
DStR 1986, 161-161 (ST) |
HFR 1986, 168-168 (ST) |