Leitsatz (amtlich)
Bewohnt der Eigentümer eines Zweifamilienhauses eine Wohnung dieses Hauses selbst, so trägt er die Kosten der Schönheitsreparaturen für diese Wohnung nicht in seiner Eigenschaft als Vermieter, sondern als derjenige, der diese Wohnung bewohnt und benutzt. Wird die übliche Miete für diese Wohnung aus Mietverhältnissen abgeleitet, bei denen die Mieter als Nebenleistung zur Barmiete die Schönheitsreparaturen auf ihre Kosten durchführen lassen, so ist auch die übliche Miete für die eigengenutzte Wohnung wegen Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter zu erhöhen. (Bestätigung des Urteils vom 26. Juli 1974 III R 87/73, BFHE 113, 304, BStBl II 1974, 766).
Normenkette
BewG 1965 § 79 Abs. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren am 1. Januar 1964 je zur Hälfte Miteigentümer eines 1913 erbauten Zweifamilienhauses. Die 73 qm große Wohnung im Erdgeschoß war zu einem Jahresentgelt von 720 DM zuzüglich Übernahme gemeindlicher Gebühren in Höhe von 45 DM vermietet. Außerdem hatte die Mieterin dieser Wohnung die Kosten der Schönheitsreparaturen zu tragen. Die Wohnung im Obergeschoß mit einer Wohnfläche von 69 qm bewohnte eine Miteigentümerin.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) bewertete das Grundstück der Kläger im Zuge der Hauptfeststellung des Einheitswerts des Grundvermögens auf den Beginn des Kalenderjahres 1964 im Ertragswertverfahren. Die Jahresrohmiete für die vermietete Wohnung setzte das FA entsprechend der Erklärungen der Kläger mit 765 DM an. Die übliche Miete für die eigengenutzte Wohnung schätzte es im Anhalt an die vereinbarte Miete für die vermietete Wohnung und unter Berücksichtigung der Ausstattung mit einem Bad auf jährlich 873 DM. Die sich ergebende Gesamtmiete von 1 638 DM erhöhte das FA um einen Zuschlag von 5 v. H. wegen Übernahme der Kosten der Schönheitsreparaturen durch die Mieter. Auf der Grundlage der so ermittelten Jahresrohmiete ergab sich ein Einheitswert von 11 800 DM.
Der Einspruch, mit dem sich die Kläger gegen die Erhöhung der Miete für die eigengenutzte Wohnung wegen Übernahme der Schönheitsreparaturen wandten, hatte keinen Erfolg. Auf die Klage stellte das FG den Einheitswert antragsgemäß auf 11 500 DM fest. Das FG ließ die Revision zu.
Die Revision des FA rügt, das FG habe den Umfang der üblichen Miete infolge einer zu sehr am Wortlaut des Gesetzes haftenden Auslegung verkannt. Die übliche Miete sei nicht nur für die Bewertung von Räumen anzusetzen, für die eine Miete überhaupt nicht erzielt werde, sondern auch für vermietete Räume, deren vereinbarte Miete um mehr als 20 v. H. von der üblichen Miete abweiche. Damit könne der Begriff der üblichen Miete nur einheitlich dahin verstanden werden, daß er alle Leistungen umfasse, die auch für die Höhe der vereinbarten Jahresrohmiete bestimmend seien. Entscheidend sei, daß für beide Wohnungen derjenige die Kosten der Schönheitsreparaturen trage, der diese Wohnungen nutze.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.
Entscheidungsgründe
1. Das Zweifamilienhaus der Kläger ist aufgrund der Feststellungen des FG im Ertragswertverfahren zu bewerten (§ 76 Abs. 1 BewG). In diesem Verfahren ergibt sich der Grundstückswert regelmäßig durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete; ausnahmsweise kommen Ermäßigungen oder Erhöhungen des Vielfachen der Jahresrohmiete in Betracht (§ 78 BewG).
Die Jahresrohmiete ist das Gesamtentgelt, das die Mieter für die Benutzung des Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen für ein Jahr zu entrichten haben. Umlagen und sonstige Leistungen der Mieter sind in die Jahresrohmiete einzubeziehen (§ 79 Abs. 1 BewG). Der Senat hat schon in früheren Entscheidungen die Auffassung vertreten und begründet, daß im Fall der Übernahme der Schönheitsreparaturen durch die Mieter von Wohnräumen die Barmiete um 5 v. H. zu erhöhen ist, um diese Nebenleistung angemessen zu berücksichtigen (Entscheidungen vom 2. Juni 1971 III R 105/70, BFHE 102, 563, BStBl II 1971, 675 und vom 28. Juni 1974 III R 62/73, BFHE 112, 569, BStBl II 1974, 670).
2. Bei eigengenutzten Grundstücken oder Grundstücksteilen tritt für die Bewertung im Ertragswertverfahren an die Stelle der vereinbarten Jahresrohmiete die übliche Miete. Diese ist in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (§ 79 Abs. 2 BewG). Das FG hat, insoweit dem FA folgend, die übliche Miete für die von einem der beiden Kläger bewohnte Wohnung in Anlehnung an die Miete geschätzt, die im maßgebenden Feststellungszeitpunkt für die vermietete Wohnung vereinbart war. Dagegen bestehen im Streitfall keine Bedenken. Das FG hat bei seiner Schätzung aber außer Betracht gelassen, daß die Mieterin der vermieteten Wohnung sich verpflichtet hatte, neben der Leistung der Barmiete auch die Schönheitsreparaturen auf ihre Kosten durchzuführen. Denn nach Auffassung des FG umfasse die übliche Miete, wie sich aus dem Wort "gezahlt" in § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG ergebe, nur Geldleistungen der Mieter in den Vergleichsfällen und nicht auch Nebenleistungen, die keine Geldleistungen seien. Dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht an.
Ziel der Auslegung ist es, den in einer Vorschrift zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers zu ermitteln, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem eine Vorschrift steht (Entscheidung des BVerfG vom 15. Dezember 1959, 1 BvL 10/55, BVerfGE 10, 234 [244]). Davon ist zwar auch das FG ausgegangen, Es hat aber den Sinnzusammenhang nicht richtig gedeutet. Für die Auslegung des § 79 Abs. 2 BewG sind zwei Umstände zu beachten: Die übliche Miete soll einerseits Bewertungsgrundlage in Fällen sein, in denen eine vereinbarte Miete im Sinne des § 79 Abs. 1 BewG überhaupt nicht vorliegt; sie soll andererseits aber auch an die Stelle einer tatsächlich vereinbarten Miete im Sinne des § 79 Abs. 1 BewG treten, die aufgrund der Erfahrung aus anderen Vermietungsfällen als unangemessen anzusehen ist. Der Senat ist der Auffassung, daß der Begriff der üblichen Miete für diese beiden Fallgruppen nicht unterschiedlich bestimmt werden kann; denn dies würde dem Sinnzusammenhang widersprechen, in dem § 79 Abs. 2 BewG steht. Wenn die übliche Miete auch, und zwar in den Fällen des § 79 Abs. 2 Nr. 2 BewG, mit einer vereinbarten Jahresrohmiete verglichen werden muß, so erscheint es dem Senat zwingend, daß zwischen der Jahresrohmiete des Abs. 1 und der üblichen Miete des Abs. 2 des § 79 BewG begrifflich und inhaltlich kein Unterschied bestehen kann. Denn sonst würde Ungleiches miteinander verglichen. Auch der vom FG durchgeführte Textvergleich zwischen der Fassung des § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG und der vordem maßgebenden Definition der üblichen Miete in § 34 Abs. 4 Satz 2 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) 1935 (hier Verwendung des Wortes "gezahlt", dort Verwendung des Wortes "vereinbart") kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn dieser Textvergleich erschöpft sich ebenfalls in einer rein sprachlichen Auslegung des § 79 Abs. 2 BewG und vernachlässigt die gebotene Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs.
Berücksichtigt man den Wortlaut des § 79 Abs. 2 BewG und den dargelegten Sinnzusammenhang, so ergibt sich folgendes: Haben sich in den Vergleichsfällen, die zur Schätzung der üblichen Miete herangezogen werden, die Mieter dazu verpflichtet, neben der Leistung einer Barmiete auch die Schönheitsreparaturen auf ihre Kosten durchzuführen, so ist dies auch bei der Bemessung der üblichen Miete zu berücksichtigen, die unter Heranziehung dieser Vergleichsfälle geschätzt wird.
Für die Bewertung von Wohnräumen, die der Eigentümer selbst nutzt, ist davon auszugehen, daß der Eigentümer nicht in seiner Eigenschaft als Vermieter, sondern als derjenige, der die Räume bewohnt und benutzt, die Kosten der Schönheitsreparaturen trägt. Deshalb ist die übliche Miete zu erhöhen, wenn sie in Anlehnung an Mietverhältnisse geschätzt wird, bei denen die Mieter als Nebenleistung zur Barmiete auch die Kosten der Schönheitsreparaturen tragen. Somit hat das FA zu Recht die aus der Barmiete für die vermietete Wohnung abgeleitete Miete für die eigengenutzte Wohnung um 5 v. H. erhöht, weil im Vergleichsfall die Mieterin die Schönheitsreparaturen auf ihre Kosten durchzuführen hatte. Der Senat hat die vorstehend dargelegte Rechtsauffassung schon in der Entscheidung vom 26. Juli 1974 III R 87/73 (BFHE 113, 304, BStBl II 1974, 766) vertreten. In diesem Verfahren wurden keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine Abweichung von der Entscheidung III R 87/73 gebieten könnten.
3. Das FG ist von einem anderen Rechtsstandpunkt ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Wie dargelegt, hat das FA zu Recht auch die aus der Barmiete für die vermietete Wohnung abgeleitete Miete für die eigengenutzte Wohnung um 5 v. H. erhöht, um die zutreffende übliche Miete für diese eigengenutzte Wohnung zu erhalten. Die Klage war deshalb abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 71221 |
BStBl II 1975, 189 |
BFHE 1975, 261 |