Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen / Grundstück mit noch zu errichtendem Fertighaus
Leitsatz (NV)
1. Erwirbt jemand ein Grundstück und schließt in derselben notariellen Urkunde einen Vertrag über den Kellerausbau mit einer GmbH ab, bei der der Grundstücksveräußerer Gesellschafter-Geschäftsführer ist, so ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück mit ausgebautem Keller.
2. Schließt jemand erst die zur Errichtung eines Fertighauses notwendigen Verträge ab und dann den Grundstückskaufvertrag, so kann Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück sein, wenn vertragliche Beziehungen zwischen den Personen auf der Veräußererseite bestehen.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Am . . . 1982 schlossen die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) einen schriftlichen Baubetreuungsvertrag mit der A-GmbH. Am . . . 1983 schlossen die Kläger mit der B einen schriftlichen Vertrag über die Lieferung und Errichtung eines Fertighauses zu einem Gesamtpreis von 169 415 DM. Als Baustellenanschrift wurde in diesem Vertrag ein bestimmtes Grundstück in . . . angegeben. Aufgrund Bauantrag vom . . . 1983 wurde die Baugenehmigung am . . . 1984 erteilt. Die A-GmbH bot das Grundstück mit zwei B-Doppelhaushälften in einer Zeitungsanzeige - zusammen mit weiteren Objekten - für je 595 000 DM an. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom . . . 1984 erwarben die Kläger je zur Hälfte einen viertel Miteigentumsanteil an dem bezeichneten Grundstück. Der Kaufpreis betrug 195 000 DM. Darüber hinaus verpflichteten sich die Kläger, an den Veräußerer 22 500 DM für die bisherige Bauplanung einschließlich des Bauscheins, 1 693,34 DM anteilige Notargebühren für den Erwerb des Grundstücks durch diesen und 13 965 DM Maklercourtage zu zahlen. In derselben Urkunde beauftragten die Kläger die Firma C-GmbH das Kellergeschoß für insgesamt 80 000 DM zu errichten. Der dem Vertrag als Anlage beigefügte Kellergrundriß stammte von der B. Der Grundstücksveräußerer ist Gesellschafter und Geschäftsführer sowohl der C-GmbH als auch der A-GmbH. Durch notariell beurkundete Erklärung vom . . . 1984 wurde in Abänderung des Kaufvertrags vom 21. Juni 1984 nunmehr als Kaufgegenstand bezeichnet ein viertel Miteigentumsanteil an dem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an im Aufteilungsplan bezeichneten Räumen (Doppelhaushälfte).
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen jeden der Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von je 4 825 DM fest. Es bezog dabei die Aufwendungen der Kläger für das Fertighaus einschließlich Keller in die Bemessungsgrundlage mit ein, da ein einheitlicher Vertrag vorliege, dessen Gegenstand das mit einem Fertighaus bebaute Grundstück sei. Mit der Klage machten die Kläger geltend, die Grunderwerbsteuer sei allein nach dem Kaufpreis für das Grundstück zu bemessen. Es liege kein einheitlicher Vertrag vor. Sie hätten sich zunächst an die B gewandt und ein Fertighaus erworben, von der B seien sie wegen eines Grundstücks an den Kläger verwiesen worden. Sie hätten dann einen anderen Fertighaustyp erworben. Ihre Entscheidung, das Grundstück mit einem Einfamilienhaus in Rechtsform einer Eigentumswohnung zu bebauen, habe nichts mit dem Grundstücksveräußerer zu tun gehabt.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage teilweise stattgegeben. Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei das Grundstück mit dem zu errichtenden Keller gewesen. Dementsprechend seien die Aufwendungen für den Keller Teil der Gegenleistung. Die darüber hinausgehenden Aufwendungen für das Fertighaus gehörten dagegen nicht zur Gegenleistung. Der Hauskaufvertrag sei nicht vom Abschluß und/oder dem Fortbestehen des Grundstückskaufvertrags abhängig gewesen. Die Vertragspartner seien nicht identisch. Der Hersteller des Fertighauses und der Grundstücksveräußerer hätten sich nicht zusammen getan, um eine einheitliche Leistung zu erbringen. Es lasse sich kein Anhaltspunkt finden, daß die Kläger das Grundstück nicht ohne Hauskauf hätten erwerben können. Es habe kein Anlaß bestanden, die Rechtsbeziehungen zwischen der B und dem Grundstücksveräußerer näher festzustellen. Eine Aufbauvereinbarung mit den Erwerbern der angrenzenden Doppelhaushälften sei nicht erforderlich gewesen.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983). Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat den grunderwerbsteuerrechtlichen Begriff des Gegenstands des Erwerbsvorgangs verkannt.Es folgen Ausführungen, die denen in der vorstehend abgedruckten Entscheidung vom 6. Dezember 1989 II R 113/87 ab II. Abs. 3 entsprechen.
Entscheidungsgründe
Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist nach den dargelegten Grundsätzen im Einzelfall unter Heranziehung aller relevanten Umstände zu bestimmen. Für eine derartige Abwägung aller Umstände des Einzelfalls enthalten die Entscheidungen des Senats vom 18. Oktober 1989 II R 85/87 und II R 143/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181, 183 beispielgebende Hinweise. Danach kann sich der enge sachliche Zusammenhang zwischen mehreren Verträgen daraus ergeben, daß bei einem Erwerb ,,aus einer Hand" die Erwerber das Interesse des Veräußerers an dem Abschluß aller Verträge dadurch akzeptieren, daß sie sich bereits vor dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags hinsichtlich der zur Errichtung des Gebäudes erforderlichen Verträge zivilrechtlich binden (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1989 II R 85/87). Ein Erwerb ,,aus einer Hand" in diesem Sinne wird dabei auch dann anzunehmen sein, wenn zwar mehrere Personen auf der Veräußererseite auftreten, diese aber personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind. Demnach ist im Streitfall die - in der Revision nicht mehr strittige - Frage im Ergebnis vom FG zutreffend entschieden, daß das Grundstück zumindest mit dem ausgebauten Keller Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist.
Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen auf, die nicht personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich miteinander eng verbunden sind, kann gleichwohl der geforderte enge sachliche Zusammenhang zwischen den Verträgen bestehen. Die Verflechtung der Verträge kann sich beispielsweise aus der Stellung des Projektanbieters ergeben, wenn dieser aufgrund vertraglicher Beziehungen zu den auf der Veräußererseite auftretenden Personen zu einer Vorplanung in der Lage ist, die ihm ein konkret ausgestaltetes Angebot ermöglicht, und er sein bestehendes wirtschaftliches Interesse am Abschluß aller Verträge dadurch durchsetzt, daß die Erwerber sich zu den zur Errichtung des Gebäudes notwendigen Verträgen bereits vor (oder gleichzeitig mit) Abschluß des Grundstückskaufvertrags verpflichten (vgl. dazu Urteil vom 18. Oktober 1989 II R 143/87).
Die Entscheidung des FG geht von anderen Rechtsgrundsätzen aus. Sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat nicht alle Umstände festgestellt, die im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sind. Insbesondere fehlt eine Feststellung über evtl. bestehende vertragliche Beziehungen des Grundstücksveräußerers bzw. der ihm verbundenen Gesellschaften zum Lieferanten der Fertighäuser. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FG wird bei der Entscheidung über den Gegenstand des Erwerbsvorgangs zu berücksichtigen haben, daß nach Auffassung des Senats eine ursprünglich vielleicht bestehende Möglichkeit zum Erwerb des Grundstücks auch ohne Abschluß der zur Errichtung des Gebäudes erforderlichen Verträge dann keine ausschlaggebende Bedeutung hat, wenn die Erwerber aufgrund vorher eingegangener zivilrechtlicher Verpflichtungen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags insoweit keine freie Entscheidungsmöglichkeit mehr besitzen. Zu berücksichtigen wird das FG auch haben, daß es nicht ausschlaggebend sein muß, wenn sich die Erwerber - wenn auch ggf. unter Hinnahme von Rechtsnachteilen - allein von den Verträgen über das Fertighaus wieder hätten lösen können.
Der Senat weist darüber hinaus darauf hin, daß der parallele Geschehensablauf beim Erwerb der angrenzenden Doppelhaushälfte im Streitfall ein starkes Indiz dafür ist, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück ist.
Fundstellen
Haufe-Index 416814 |
BFH/NV 1991, 344 |