Leitsatz (amtlich)
Kosten eines Zivilprozesses, den der Nießbraucher am Gewinnbezugsrecht eines OHG-Anteils gegen Gesellschafter der OHG führt, können als Sonderbetriebsausgaben des Nießbrauchers abzugsfähig sein.
Normenkette
EStG §§ 2, 4 Abs. 4, § 15 Nr. 2; AO § 215
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Der Streit geht um die Anerkennung von Prozeßkosten als Betriebsausgaben.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Gesellschafter einer OHG, an der außer ihm sein Bruder A und der Ehemann seiner Schwester A, Heinrich W, beteiligt waren. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 10. September 1945 übertrug der Kläger seinen Gesellschaftsanteil sowie seinen Eigentumsanteil an dem betrieblich genutzten Grundbesitz unentgeltlich auf seinen Bruder A. und seine Schwester A. Zugleich behielt sich der Kläger den Nießbrauch an der übertragenen Beteiligung vor, der sich indes nur auf den auf die übertragende Beteiligung entfallenden Gewinn erstrecken sollte. Durch Erklärung vom 14. November 1954 widerriefen der Kläger und sein Bruder A. ihre bei Abschluß des Schenkungsvertrags vom 10. September 1945 abgegebenen Erklärungen mit der Begründung, es habe sich um ein Scheingeschäft gehandelt. Die Schwester des Klägers widersprach dieser Erklärung. Als sie sich anschickte, ihre Rechte aus dem notariellen Vertrag geltend zu machen und sich in das Handelsregister und das Grundbuch eintragen zu lassen, strengte der Kläger einen Zivilprozeß an mit dem Ziel, ein Erwerbsverbot gegen sie zu erwirken. Diese Klage wurde abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers blieb erfolglos, ebenso seine Revision.
In den Erklärungen der einheitlichen Gewinnfeststellungen 1960 und 1961 machte der Kläger Kosten, die ihm in diesen Jahren durch den Zivilprozeß entstanden waren, als Betriebsausgaben geltend. Einspruch und Klage des Klägers blieben erfolglos. Im Verfahren über die Revision des Klägers im ersten Rechtsgang hat der Kläger inzwischen ergangene berichtigende Feststellungsbescheide für die Jahre 1960 und 1961 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Die Revision führte wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die notwendige Beiladung zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG. Dieses hat - nach erfolgter Beiladung - die Klage erneut abgewiesen und sich zur Begründung auf sein Urteil im ersten Rechtsgang bezogen. Dorf hatte das FG ausgeführt:
Es gehe mit der in den zivilgerichtlichen Urteilen vertretenen, zutreffenden und vom Kläger im vorliegenden Verfahren auch nicht mehr angegriffenen Auffassung davon aus, daß der notarielle Vertrag vom 10. September 1945 wirksam sei. Der Kläger habe daher seine Gesellschaftsbeteiligung am 10. September 1945 verloren und sei seitdem Nießbraucher der Beteiligung. Die Prozeßkosten könne er nicht als Betriebsausgaben absetzen. In den Streitjahren habe ein Gewerbebetrieb, der die streitigen Aufwendungen veranlaßt haben könnte, nicht bestanden. Insbesondere stelle der Nießbrauch des Klägers an der übertragenen Beteiligung keinen Gewerbebetrieb dar. Anders ließe sich die Rechtslage nur beurteilen, wenn der Kläger aufgrund des Nießbrauchs als Mitunternehmer der OHG anzusehen wäre. Das sei jedoch nicht der Fall. Seine Beziehungen zur Gesellschaft beschränkten sich vielmehr darauf, in Anspruch zu nehmen, was als Gewinnanteil auf die nießbrauchbelastete Beteiligung entfalle. Dem stehe nicht entgegen, daß die dem Kläger aufgrund des Nießbrauchs an der Beteiligung zugeflossenen Nutzungen als gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Nr. 2 EStG zu beurteilen und vom FA zu Recht als solche festgestellt worden seien.
Mit seiner Revision rügt der Kläger, das FG habe eine Mitunternehmerschaft zu Unrecht verneint.
Der Kläger beantragt, die streitigen Prozeßkosten als Betriebsausgaben anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG.
1. Der erkennende Senat ist in seinem im ersten Rechtsgang erlassenen Urteil vom 15. März 1972 I R 192/69 (nicht veröffentlicht) mit der Vorinstanz davon ausgegangen, daß der Kläger aufgrund des notariellen Vertrags vom 10. September 1945 rechtswirksam die Stellung eines Nießbrauchers an dem Gewinnbezugsrecht aus den Beteiligungen seiner Geschwister an der OHG zu je 1/6 erlangt habe. Wie der Senat ausgeführt hat, beinhaltet der so ausgestaltete Nießbrauch das Recht des Klägers, die Nutzungen aus dem Gewinnbezugsrecht zu ziehen (§§ 1068, 1030 BGB), d. h. die aus der Beteiligung der Geschwister in Höhe von je 1/6 resultierenden Gewinnanteile zu beanspruchen. Der Senat hat dargelegt, daß die aufgrund dieses Rechts vom Kläger erzielten Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 3 Nr. 2, § 15 Nr. 2 EStG seien (vgl. Urteil des RFH vom 22. Dezember 1937 VI 87/37, RStBl 1938, 77; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 15 EStG Anm. 27 h; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl. - inzwischen 10. Aufl. - § 15 Anm. 83), daß der Kläger seine Einkünfte gemeinschaftlich mit den Gesellschaftern der OHG erzielt habe und daß daher sämtliche Einkünfte nach § 215 Abs. 2 AO einheitlich und gesondert festzustellen seien. Von dieser Rechtsauffassung, die der Aufhebung der Vorentscheidung im ersten Rechtsgang zugrunde liegt, ist auch im zweiten Rechtsgang auszugehen.
2. Die Auffassung, der Kläger habe als Nießbraucher an Gewinnbezugsrechten gewerbliche Einkünfte erzielt, geht von der Voraussetzung aus, daß die Beträge, die dem Nießbraucher aus diesen Bezugsrechten zufließen, "Gewinnanteile der Gesellschafter einer OHG" sind (§ 15 Nr. 2 EStG), die jedoch aufgrund eines originären Rechts des Nießbrauchers schon an der Quelle von den Einkünften des Gesellschafters abgespalten und dem Nießbraucher zugerechnet werden, ohne daß sich dadurch die Einordnung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb verändert. Werden die Einkünfte des Klägers aber als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesehen, so müssen auch im übrigen die für die Ermittlung dieser Einkünfte geltenden Regeln angewandt werden. Dazu gehört die Möglichkeit, Aufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen als Betriebsausgaben abzuziehen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2, § 15 Nr. 2, § 2 Abs. 4 Nr. 1, § 4 Abs. 4 EStG). Das gilt unabhängig davon, ob der Kläger alle Merkmale erfüllt, die die Rechtsprechung für sogenannte Mitunternehmer aufgestellt hat. Würde man dem Nießbraucher einen Abzug von Aufwendungen als Betriebsausgaben schon im Grundsatz nicht zuerkennen, so könnte er z. B. selbst Prozeßkosten, die unmittelbar mit der Durchsetzung seiner Rechte aus dem Nießbrauch zusammenhängen, einkommensteuerlich nicht berücksichtigen, während der Bezieher von Einkünften aus Kapitalvermögen vergleichbare Kosten als Werbungskosten geltend machen könnte (vgl. RFH-Urteil vom 26. September 1934 VI A 732, 733/34, StuW II 1934 Nr. 663). Ebenso wie es für den Gesellschafter einer OHG abzugsfähige Ausgaben gibt, die nicht unmittelbar durch das betriebliche Geschehen der OHG selbst, sondern durch die persönlichen Beziehungen des Gesellschafters zur OHG veranlaßt sind (sog. Sonderbetriebsausgaben), müssen auch Aufwendungen, die mit den Beziehungen des Nießbrauchers zu einer OHG zusammenhängen, als Sonderbetriebsausgaben des Nießbrauchers abzugsfähig sein.
3. Mit der Frage, inwieweit Kosten eines Zivilprozesses, die ein Gesellschafter einer Personengesellschaft mit anderen Gesellschaftern geführt hat, als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, hat sich insbesondere der RFH mehrfach beschäftigt. So hat er die Kosten für einen Prozeß, den ein Gesellschafter einer KG mit den Erben des Kommanditisten um das Fortbestehen der Gesellschaft geführt hat, als abzugsfähig anerkannt (RFH-Urteil vom 21. Dezember 1938 VI 749/38, RStBl 1939, 260). Ebenso hat der RFH Prozeßkosten aus einem Streit zwischen den Gesellschaftern einer OHG um die Wirksamkeit einer Kündigung des Gesellschaftsvertrags zum Abzug zugelassen (RFH-Urteil vom 20. Januar 1932 VI A 2069/30, RStBl 1932, 435). Der Senat trägt keine Bedenken, diese Grundsätze auch auf Prozeßkosten aus einem Streit zwischen dem Nießbraucher und den Gesellschaftern, an deren Gewinnbezugsrechten der Nießbrauch besteht, zu übertragen. Dabei kann es keinen entscheidenden Unterschied machen, ob der Nießbraucher mit dem Zivilprozeß unmittelbar seine Rechte aus dem Nießbrauch gerichtlich geltend gemacht oder ob er selbst eine über den Nießbrauch hinausgehende Rechtsposition innerhalb der Gesellschaft behauptet und durchzusetzen versucht hat. In beiden Fällen handelt es sich um Kosten eines Rechtsstreits, die durch die Beziehungen des Steuerpflichtigen zu der Gesellschaft, aus der seine gewerblichen Einkünfte stammen, veranlaßt worden sind.
4. Die Vorentscheidung ist, da sie auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Vielmehr bedarf es noch tatsächlicher Feststellungen darüber, in welcher Höhe dem Kläger im einzelnen der Abzug von Prozeßkosten als Sonderbetriebsausgaben zugestanden werden kann. Das FG wird diese Feststellungen nachholen und dabei berücksichtigen, daß Gegenstand des Verfahrens die inzwischen ergangenen berichtigenden Feststellungsbescheide für die Streitjahre vom 28. März 1969 sind.
Fundstellen
Haufe-Index 70422 |
BStBl II 1973, 493 |
BFHE 1973, 353 |