Leitsatz (amtlich)
Ein nicht zur Geschäftsführung berufener Gesellschafter einer KG ist - von den von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefällen des ausgeschiedenen Gesellschafters, der Auflösung der Gesellschaft durch Gesellschafterbeschluß oder der Konkurseröffnung über das Vermögen der Gesellschaft (BFH vom 1. April 1958 I 171/57 U, BFHE 67, 35, BStBl III 1958, 285, und vom 13. Juli 1967 IV 191/63, BFHE 90, 87, BStBl III 1967, 790) abgesehen - nicht nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klagebefugt, wenn der geschäftsführende Gesellschafter von sich aus die werbende Tätigkeit einstellt, die Angestellten entläßt und die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der KG mangels Masse abgelehnt wird.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit der Klage des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) in der Sache betreffend Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der X-KG auf den 1. Januar 1969.
Der Kläger ist Kommanditist der KG. Geschäftsführer war der alleinige Komplementär W. Die KG hatte auf den 1. Januar 1969 keine Vermögensaufstellung eingereicht. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) stellte daher durch Bescheid vom 30. Oktober 1970 den Einheitswert des Betriebsvermögens der KG auf den 1. Januar 1969 im Schätzungswege fest. Dieser Bescheid wurde sowohl dem geschäftsführenden Komplementär als auch den beiden Kommanditisten, darunter dem Kläger, zugestellt. Am 25. November 1970 legte der Kläger Einspruch ein. Er führte hierzu aus, daß der Einspruch, soweit er sich gegen den Einheitswert richtet, zur Fristwahrung eingelegt werde, da dieser Bescheid nur dem geschäftsführenden Gesellschafter hätte zugestellt werden müssen. Außerdem stellte er den Antrag, seinen Anteil am Einheitswert auf 0 DM festzustellen.
Das FA, das die beiden anderen Gesellschafter gemäß § 241 AO zum Verfahren hinzugezogen hatte, wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Im Klageverfahren trug der Kläger vor, daß die KG ihre werbende Tätigkeit am 20. Oktober 1969 eingestellt habe und daß der persönlich haftende Gesellschafter in einer Gesellschafterversammlung am 16. Februar 1971 den Gesellschaftern erklärt habe, daß der Ende 1969 gestellte Antrag auf Konkurseröffnung mangels Masse abgelehnt worden sei.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG den Antrag gestellt, den Einheitswert der KG und seinen Anteil hieran auf O DM festzustellen.
Das FG hat durch Zwischenurteil die Klage für zulässig erklärt (siehe Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 S. 376).
Die Vorinstanz führt aus, die Einschränkung der Klagebefugnis des Klägers bestehe nur so lange, als das gemeinsame Interesse am Fortbestand der Gesellschaft die Gesellschafter binde. Aus diesem Grunde habe der BFH im Urteil vom 13. Juli 1967 IV 191/63 (BFHE 90, 87, BStBl III 1967, 790) nach Auflösung der Gesellschaft das Klagerecht eines Kommanditisten bejaht. Das gleiche müsse gelten, wenn der Komplementär nicht erreichbar sei und weder Steuererklärungen abgegeben noch Rechtsbehelfe eingelegt habe. Auch in diesem Falle habe der Kommanditist das Recht, die Interessen der Gesellschaft und damit zugleich seine eigenen Interessen durch Klage im eigenen Namen wahrzunehmen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA.
Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts und unrichtige Anwendung der §§ 48 Abs. 1 FGO und 233 Abs. 1 AO. Das FA trägt vor, der BFH habe bei der Klagebefugnis eines nichtgeschäftsführenden Gesellschafters stets unterschieden, ob es sich um einen lebenden oder einen bereits in Liquidation befindlichen Betrieb handle. Für den lebenden Betrieb sei die Klagebefugnis abgelehnt worden (BFH-Entscheidung vom 8. Oktober 1957 I 32/57 U, BFHE 65, 529, BStBl III 1957, 436), für den in Liquidation befindlichen Betrieb habe der BFH dagegen die uneingeschränkte Klagebefugnis auch der übrigen Gesellschafter anerkannt (BFH-Entscheidung IV 191/63). Das FG habe das zuletzt genannte Urteil erweiternd auf die Fälle angewandt, in denen der Komplementär die Tätigkeit der KG eingestellt habe und nicht mehr zu erreichen gewesen sei. Dieser Auffassung könne nicht gefolgt werden, da hierdurch die einschränkenden Vorschriften der §§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO und 233 Abs. 1 Nr. 3 AO gegenstandslos würden. Es komme hinzu, daß nach dem Vortrag des Klägers noch nach Zustellung des Einheitswertbescheids vom 30. Oktober 1970, nämlich am 16. Februar 1971, eine Gesellschafterversammlung stattgefunden habe. Die Gesellschaft müsse daher zu diesem Zeitpunkt als noch bestehend angesehen werden. Aus der Entscheidung des BFH vom 4. Mai 1972 IV 251/64 (BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672, 674) ergebe sich aber, daß dann, wenn die Geschäftsführer die Belange der Gesamtheit der Gesellschafter wahrzunehmen hätten, es auch gerechtfertigt sei, die anderen Gesellschafter von der Klagebefugnis auszuschließen.
Kläger hält die Vorentscheidung für zutreffend und beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Der Kläger war zur Anfechtung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der KG nicht befugt.
a) Bescheide über die einheitliche Feststellung des Betriebsvermögens können nach § 233 Abs. 1 Nr. 3 AO n. F. nur von den zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern oder Gemeinschaftern mit dem Einspruch angefochten werden. In gleicher Weise können in diesen Fällen Klage gegen den Einheitswertbescheid der KG nur die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter oder Gemeinschafter erheben (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO). Bei einer KG ist der persönlich haftende Gesellschafter zur Geschäftsführung kraft Gesetzes berufen (§ 164 HGB). Da hiervon abweichende vertragliche Vereinbarungen vom FG nicht festgestellt sind, sind die übrigen Gesellschafter zur Einlegung von Rechtsbehelfen nicht befugt. Wie der BFH bereits im Urteil I 32/57 U ausgeführt hat, liegt die Befugnis zur Einlegung von Rechtsbehelfen ausschließlich bei den mit der Geschäftsführung beauftragten Gesellschaftern. Wenn diese den Feststellungsbescheid nicht angreifen, so müssen das die übrigen Gesellschafter gegen sich gelten lassen. Der BFH hat in dieser Entscheidung auch ausdrücklich ausgesprochen, daß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) dieser Auffassung nicht entgegensteht, da ein nicht zur Geschäftsführung berufener Gesellschafter in der Anfechtung des einheitlichen Feststellungsbescheids beschränkt ist, weil er selbst durch die bürgerlich-rechtliche Gestaltung die Grundlage dazu geschaffen hatte. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an.
b) Andererseits hat der BFH im Urteil vom 1. April 1958 I 171/57 U (BFHE 67, 35, BStBl III 1958, 285) entschieden, daß nach Auflösung einer Gesellschaft allen früheren Gesellschaftern und bei Ausscheiden eines Gesellschafters diesem der Feststellungsbescheid besonders zugestellt werden muß. Der BFH hat hieraus das Recht des ausgeschiedenen Gesellschafters abgeleitet, auch dann zur Einlegung von Rechtsbehelfen befugt zu sein, wenn die Voraussetzungen des § 233 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO bzw. § 48 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 FGO nicht vorliegen. Er hat dies damit begründet, daß die geschäftsführenden Gesellschafter nicht mehr für die ausgeschiedenen tätig seien. In gleicher Weise ist im Falle einer Liquidation und der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der KG dem nicht zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter die Klagebefugnis gegen den einheitlichen Feststellungsbescheid eingeräumt worden (vgl. BFH-Entscheidung IV 191/63). Im Streitfall liegt keine dieser Ausnahmen vor. Weder die Einstellung der werbenden Tätigkeit durch den Geschäftsführer im Oktober 1969 noch die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse Ende 1969 können einem Auflösungsbeschluß im Sinne des § 131 Nr. 2 oder 3 HGB gleichgestellt werden. Der Kläger hat selbst vorgetragen, daß noch im Jahre 1971 eine Gesellschafterversammlung stattgefunden hat, ohne darzutun, daß bis dahin ein Auflösungsbeschluß der Gesellschafter zustande gekommen sei. Die Ablehnung der Eröffnung des Konkurses mangels Masse steht der Konkurseröffnung nicht gleich; nur letztere hat die Auflösung der Gesellschaft zur Folge (Ulmer in Großkommentar zum HGB, 3. Aufl., § 131 Anm. 50).
c) Der Senat vermag auch nicht den Ausführungen des Klägers zu folgen, daß die Einschränkung seiner Klagebefugnis durch § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO nur so lange Rechtens sei, als die geschäftsführenden Gesellschafter die Interessen der anderen Gesellschafter vertreten und ihr Vertrauen besitzen. Wie oben bereits ausgeführt, war im Streitfall nur der Komplementär W berechtigt, einen Rechtsbehelf gegen den Einheitswertbescheid der KG einzulegen. Nur in den oben angegebenen Ausnahmefällen des Ausscheidens des Gesellschafters, der Auflösung der Gesellschaft oder der Eröffnung des Konkurses über das Gesellschaftsvermögen können nichtvertretungsberechtigte Gesellschafter auch in einem Verfahren, das die einheitliche Feststellung des Betriebsvermögens der Gesellschaft betrifft, klagebefugt sein. Dem steht nicht die Tatsache entgegen, daß die Gesellschafter zur Vermögensteuer auf Grund der im Feststellungsbescheid enthaltenen Feststellung ihrer Anteile herangezogen werden. Der BFH hat in der Entscheidung vom 4. Mai 1972 IV 251/64 die ausschließliche Klagebefugnis des geschäftsführenden Gesellschafters damit begründet, daß der Einzelveranlagung der Gesellschafter einheitliche Erklärungen und einheitliche Feststellungen über die Höhe und die Zusammensetzung des Betriebsvermögens vorausgehen müssen. Insoweit werden für die Gesamtheit der Gesellschaft Steuererklärungen abgegeben und notfalls im Rechtsbehelfsverfahren namens der Gesellschaft weiterverfolgt.
d) Die Vorentscheidung geht auch zu Unrecht davon aus, daß sich die Klagebefugnis des Klägers schon aus dem bürgerlichen Recht ergebe. Das FG verweist insoweit zu Unrecht auf § 744 BGB und die Rechtsprechung des BGH (BGHZ 17, 181). Der BGH hat in dieser Entscheidung vielmehr ausdrücklich klargestellt, daß ein nicht zur Geschäftsführung berufener Gesellschafter in Sachen der Gesellschaft nicht klagebefugt ist. Er muß vielmehr vorher eine Klage auf Zustimmung gegen die übrigen Gesellschafter erheben. Wenn § 744 Abs. 2 BGB dem einzelnen Gesellschafter das Recht einräume, in Notfällen eine notwendige Maßregel allein zu treffen, so sei dies nicht dahin zu verstehen, daß ihm das Recht eingeräumt sei, im Namen der Gesellschaft Rechtsgeschäfte vorzunehmen oder Klage zu erheben. Vielmehr werde ihm nur die Möglichkeit eröffnet, auf Zustimmung zu der zu treffenden und für notwendig gehaltenen Maßnahme zu klagen. Ist aber sonach schon für die BGB-Gesellschaft und nach der vorgenannten zivilrechtlichen Rechtsprechung bei der OHG die Befugnis des von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafters nach § 115 Abs. 2 HGB nicht dahin aufzufassen, daß diesem Gesellschafter das Recht zur Vertretung und damit auch das Recht zur Prozeßführung im Namen der Gesellschaft gewährt werden soll, so gilt dies erst recht für Kommanditisten, die nach § 164 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen und lediglich auf bestimmte Kontrollfunktionen verwiesen sind.
Nach dieser Rechtslage steht somit dem Kläger die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht zu. Die Klage ist insoweit unzulässig (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 48 FGO Anm. 11). Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Soweit der Kläger die Höhe des für ihn festgestellten Anteils am Einheitswert des Betriebsvermögens der KG anficht, war er klagebefugt (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Hierüber bestand in der Revision auch kein Streit. Das Klageverfahren ist insoweit noch beim FG anhängig. Das FG hat nunmehr über den vom Kläger gestellten Antrag, seinen Anteil am Betriebsvermögen der KG auf 0 DM festzustellen, noch zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 71380 |
BStBl II 1975, 495 |
BFHE 1975, 176 |