Leitsatz (amtlich)
1. Vom Arbeitgeber zufließende Versorgungsbezüge sind insoweit Leibrenten i.S. des § 22 Nr.1 Satz 3 Buchst.a EStG, als sie Ertrag eines vom Arbeitnehmer hingegebenen, auf die Lebenszeit des/der Bezugsberechtigten verrenteten Kapitals sind.
2. Kauft sich ein Arbeitnehmer mit eigenem Vermögen (auch: versteuertem oder nichtsteuerbar bezogenem Arbeitslohn) in eine Pensionsregelung seines Arbeitgebers ein, sind die Versorgungsbezüge gegebenenfalls im Schätzungswege in ein nach § 19 Abs.1 Nr.2 EStG steuerbares Ruhegeld und in eine nur mit dem Ertragsanteil steuerbare Leibrente aufzuteilen.
3. Eine Einmalzahlung für eine sofort beginnende Leibrente ist keine "frühere Beitragsleistung" i.S. des § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 LStDV.
Orientierungssatz
1. Leibrenten sind wiederkehrende Bezüge, die nur mit ihrem Ertragsanteil steuerbar sind. Der Ertragsanteil ist ein nach biometrischen Durchschnittswerten unter Berücksichtigung eines Rechnungszinsfußes pauschalierter Zinsanteil. Er ist nach seiner Rechtsnatur Entgelt für die Überlassung eines auf die Lebenszeit einer oder mehrerer Bezugspersonen zeitlich gestreckt auszuzahlenden Kapitals (vgl. BFH-Urteil vom 8.3.1989 X R 16/85).
2. Die Zuordnung von Einkünften zu einer Einkunftsart hat rechtliche Bedeutung nur bis zum Beziehen der Einkünfte; deren zeitlich nachfolgende Verwendung --und sei es zur Erzielung anderweitiger Einkünfte-- läßt den mit dem Bezug verwirklichten Steuertatbestand (§ 38 AO 1977) und dessen steuerrechtliche Beurteilung unberührt.
3. Waren die Zuführungen des Arbeitgebers an eine Versorgungseinrichtung (Zukunftssicherungsleistungen) gegenwärtig zufließender Arbeitslohn der Arbeitnehmer, erhält der Arbeitnehmer die späteren Leistungen im steuerrechtlichen Sinne nicht mehr aufgrund des Dienstverhältnisses. Kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn, sondern eine Versorgungszusage liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Versorgung aus eigenen, erst im Zeitpunkt der Zahlung bereitzustellenden Mitteln zusagt; in diesem Falle unterliegen nur die späteren, aufgrund der Zusage geleisteten Versorgungsbezüge der Lohnsteuer. Der Arbeitnehmer kann hierzu aus eigenen Mitteln eigene Beiträge leisten, "wie es z.B. bei einer Leistung aus dem dem Arbeitnehmer zugeflossenen versteuerten Gehalt der Fall ist"; handelt es sich "bei den Beitragsanteilen" um Gehaltskürzungen, die nicht der Lohnsteuer unterliegen, sind dies keine Beiträge im vorgenannten Sinne (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a; LStDV § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2; EStG § 2 Abs. 1; AO 1977 § 38
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau haben seit dem 1.Juli 1977 einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik).
Der Kläger war Bediensteter der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris. Nach Erreichen der Altersgrenze im Mai 1977 trat er in den Ruhestand.
Die OECD hatte im Jahr 1957 einen Versorgungsfonds in der Form eines Kapitalsammelfonds gegründet, der aus Beiträgen seiner Mitglieder und der OECD dotiert wurde. Der Fonds legte das Kapital für die Mitglieder verzinslich an. Die OECD zahlte 14 v.H., das Fondsmitglied 7 v.H. des Bruttogehalts ein. Die Mitglieder des Fonds konnten zu ihren aktiven Dienstzeiten über ihre persönlichen Konten grundsätzlich nicht verfügen, es sei denn, um bestimmte Versorgungsaufwendungen zu leisten oder um den Kauf oder bauliche Veränderungen eigengenutzter Wohnungen zu finanzieren.
Zum 1.Juli 1974 führte die OECD eine Pensionsregelung für neueintretende Bedienstete ein, nach der Ruhegelder aus dem laufenden Haushalt der Organisation gezahlt wurden. Für Bedienstete, die --wie der Kläger-- vor diesem Stichtag bei der Organisation tätig waren, wurde eine Übergangsregelung getroffen, die diesen ermöglichte, für die neue Pensionsregelung zu optieren. Dies setzte voraus, daß sie ihr Guthaben bei dem Versorgungsfonds der OECD abtraten. Der Kläger entschied sich mit schriftlicher Erklärung vom 30.Mai 1977 für eine Pension. Er zahlt aus seinem Guthaben bei dem Versorgungsfonds an die OECD den Betrag von 603 631,60 FF.
In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1977, 1978 und 1980 erklärte der Kläger aufgrund der Pensionsregelung von der OECD bezogene Einnahmen in Höhe von 31 814 DM (1977), 75 426 DM (1978; einschließlich eines Steuerausgleichs --"adjustment fiscal"-- in Höhe von 11 331 DM) und 89 735 DM (1980).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) besteuerte diese Zahlungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (Ruhegelder i.S. des § 19 Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage, mit der die Kläger die Besteuerung nur eines Ertragsanteils verfolgten, stattgegeben. Es hat u.a. ausgeführt: Für die rechtliche Beurteilung sei nicht auf die Einzahlungen des Klägers in den Versorgungsfonds abzustellen, sondern auf die von ihm aufgrund der Option geleistete Einmalzahlung. Die gegen den Versorgungsfonds erworbene Forderung habe dem Kläger allein zugestanden; über dieses Guthaben habe er nach Ausscheiden aus dem aktiven Dienst frei verfügen können. Er habe die Einmalzahlung aus seinem eigenen Vermögen geleistet und dadurch ein Stammrecht erworben. Da die Einzahlung des angesparten Kapitals unabdingbare Voraussetzung für den Eintritt des Klägers in die Pensionsregelung gewesen sei, beruhten die Zahlungen der OECD nicht auf dem früheren Arbeitsverhältnis, denn aus diesem hätte der Kläger kein Ruhegeld bezogen. Ungeachtet der Tatsachen, daß der Barwert der Versorgungsleistungen höher sei als der vom Kläger eingezahlte Betrag, seien die Ruhegeldzahlungen keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Vielmehr seien die Bezüge des Klägers einschließlich der Steuerausgleichszahlung einheitlich als Leibrente zu behandeln.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Es führt aus:
Entscheidungserheblich sei die Frage, ob die Beitragsnachentrichtung zum "Einkaufen" in die neue Pensionsregelung der OECD als eigene Beitragsleistung i.S. des § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) angesehen werden könne. Der Bundesminister der Finanzen (BMF) habe die Anwendbarkeit des § 22 Nr.1 Satz 3 a EStG grundsätzlich bejaht (Bezugnahme auf Einkommensteuerkartei der Oberfinanzdirektion (OFD) München/Nürnberg, Karte 3.1 zu § 22 Nr.1 EStG). Gleichzeitig habe der BMF jedoch ausgeführt, daß die Versorgungsbezüge ausnahmsweise als Arbeitslohn zu behandeln seien, wenn die Beiträge des Arbeitnehmers aus unversteuerten Gehaltskürzungen geleistet worden seien. Letzteres sei hier der Fall. Dies ergebe sich aus dem BMF-Schreiben vom 27.Februar 1979 (BStBl I 1979, 139). Danach seien die von der OECD einbehaltenen Beträge (7 v.H. des Gehalts) als Gehaltskürzung anzusehen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25.Oktober 1968 VI R 33/66 (BFHE 94, 445, BStBl II 1969, 187), auf das das BMF-Schreiben in BStBl I 1979, 139 Bezug nehme, führten Gehaltskürzungen "die nicht als Arbeitslohn behandelt und dementsprechend besteuert wurden, ... zur Anwendung des § 19 EStG ..."; denn § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 LStDV setze die Leistung eines "eigenen Beitrags" des Arbeitnehmers voraus.
Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil "in Sachen Einkommensteuer 1977, 1978 und 1980" aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Zwar ist im Betreff der Revisionsschrift neben der "Einkommensteuer 1977, 1978 und 1980" die Vorauszahlung auf die Einkommensteuer 1980 erwähnt, nicht aber im Antrag. In der Revisionsbegründung werden keine Ausführungen gemacht; insoweit wäre das FA auch nicht beschwert. Die Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer 1980 sind daher nicht Gegenstand der Revision.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit dieses zur Einkommensteuer 1977, 1978 und 1980 ergangen ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Versorgungsbezüge sind insoweit wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr.1 Satz 3 a EStG (Leibrenten), als sie Ertrag eines durch die Einmalzahlung von 603 631,60 FF hingegebenen, auf die Lebenszeit der Bezugsberechtigten verrenteten Kapitals sind. Im übrigen sind sie als Ruhegeld steuerbar nach § 19 Abs.1 Nr.2 EStG.
2. a) Nach § 19 Abs.1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Gehälter, Löhne und andere Bezüge, die "für eine Beschäftigung" im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden (Nr.1); ferner Ruhegelder und andere Bezüge und Vorteile "aus früheren Dienstleistungen" (Nr.2). Die Einnahmen müssen durch das --gegenwärtige oder frühere-- Arbeitsverhältnis veranlaßt sein (BFH-Urteil vom 17.September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39 unter 4.; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 19 EStG, Anm.56 bis 65). Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer die Bezüge als Gegenleistung dafür erhält, daß er seine individuelle Arbeitskraft zur Verfügung stellt bzw. gestellt hat.
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, daß die von den koordinierten Organisationen nach dem (neuen) einheitlichen Pensionssystem gezahlten Versorgungsbezüge einschließlich der Steuerausgleichszahlungen Ruhegelder i.S. des § 19 Abs.1 Satz 1 Nr.2 EStG sind (vgl. BMF-Schreiben vom 16.August 1977 BStBl I 1977, 436 unter 5.). Das BMF-Schreiben vom 16.August 1977 befaßt sich indessen nicht mit der steuerrechtlichen Beurteilung derjenigen Beträge, die in dem früheren Versorgungsfonds (Kapitalansammlungsfonds) angespart und nach Maßgabe des neuen Versorgungsstatuts für Versorgungszwecke eingesetzt werden (ebenso Hessisches FG, Urteil vom 15.Oktober 1987 X 180/81, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1988, 75).
b) Leibrenten sind wiederkehrende Bezüge, die nur mit ihrem Ertragsanteil steuerbar sind (§ 22 Nr.1 Satz 3 a EStG). Der Ertragsanteil ist ein nach biometrischen Durchschnittswerten unter Berücksichtigung eines Rechnungszinsfußes von --im Streitjahr-- 4 v.H. pauschalierter Zinsanteil. Er ist nach seiner Rechtsnatur Entgelt für die Überlassung eines auf die Lebenszeit einer oder mehrerer Bezugspersonen zeitlich gestreckt auszuzahlenden Kapitals (Urteil des Senats vom 8.März 1989 X R 16/85, BFHE 156, 432, 434, BStBl II 1989, 551 unter 1.). Die Zuordnung von Bezügen zu den sonstigen Einkünften setzt bezogen auf den Streitfall voraus, daß der Steuerpflichtige eigenes Vermögen --auch aus anderweitig bezogenen Einkünften gebildetes Vermögen-- einsetzt.
Der Kläger beansprucht die Besteuerung seiner Versorgungsbezüge als Leibrente (§ 22 Nr.1 Satz 3 a EStG) mit der Begründung, daß diese Bezüge i.S. des § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 LStDV zumindest teilweise auf eigenen Beiträgen beruhten.
c) Die Zuordnung von Einnahmen entweder zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs.1 EStG) oder zu den sonstigen Einkünften (§ 22 Nr.1 EStG) ist abhängig von dem Rechtsgrund, auf dem sie beruhen. Der Einkünftekatalog der § 2 Abs.1 EStG, §§ 13 ff. EStG fordert die Zuordnung zu bestimmten Erwerbsgrundlagen ("Einkunftsquellen"). Ungeachtet dessen, daß der Tatbestand der "sonstigen" Einkünfte gegenüber den in § 2 Abs.1 Nr.1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten subsidiär ist (§ 22 Nr.1 Satz 1 EStG), liegen Einkünfte "für" eine Beschäftigung bzw. "aus" einem früheren Dienstverhältnis nur dann vor, wenn sie dem Steuerpflichtigen aus eben diesem Rechtsgrund zufließen. Die Nutzung eigenen Vermögens kann dagegen nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet werden. Damit ist für den hier zu beurteilenden Fall, daß der Steuerpflichtige mit eigenem Vermögen zu den Versorgungsbezügen beigetragen hat, vorbehaltlich einer ermächtigungskonformen Handhabung des § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 LStDV die Notwendigkeit einer Aufteilung dieser Bezüge vorgegeben.
d) Die Zuordnung zu einer Einkunftsart (§ 2 Abs.1 EStG) hat rechtliche Bedeutung nur bis zum Beziehen der Einkünfte; deren zeitlich nachfolgende Verwendung --und sei es zur Erzielung anderweitiger Einkünfte-- läßt den mit dem Bezug verwirklichten Steuertatbestand (§ 38 der Abgabenordnung --AO 1977--) und dessen steuerrechtliche Beurteilung unberührt.
3. a) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs.1 EStG) liegen vor, wenn der Steuerpflichtige sie --abgesehen von der zu erbringenden oder erbrachten Dienstleistung-- ohne rechtlich ins Gewicht fallenden Eigenbeitrag (Leistung aus seinem Vermögen oder für seine Rechnung) erhält (vgl. BFH-Urteil in BFHE 94, 445, BStBl II 1969, 187). Andererseits sind Leistungen aus einer Versorgungseinrichtung dann kein Arbeitslohn, wenn die Beiträge als Arbeitslohn versteuert worden waren.
b) Dies ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt für Aufwendungen und Bezüge im Zusammenhang mit der Zukunftssicherung von Arbeitnehmern (Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 19 EStG, Anm.218 ff., 249 ff.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 11, Anm.5; § 19, Anm.8; § 22, Anm.15 a bb): Waren die Zuführungen des Arbeitgebers an eine Versorgungseinrichtung (Zukunftssicherungsleistungen) gegenwärtig zufließender Arbeitslohn der Arbeitnehmer (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15.Juli 1977 VI R 109/74, BFHE 123, 37, BStBl II 1977, 761), erhält der Arbeitnehmer die späteren Leistungen im steuerrechtlichen Sinne nicht mehr aufgrund des Dienstverhältnisses. Kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn, sondern eine Versorgungszusage liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Versorgung aus eigenen, erst im Zeitpunkt der Zahlung bereitzustellenden Mitteln zusagt; in diesem Falle unterliegen nur die späteren, aufgrund der Zusage geleisteten Versorgungsbezüge der Lohnsteuer (Urteil in BFHE 123, 37, BStBl II 1977, 761). Der Arbeitnehmer kann hierzu aus eigenen Mitteln eigene Beiträge leisten, "wie es z.B. bei einer Leistung aus dem dem Arbeitnehmer zugeflossenen versteuerten Gehalt der Fall ist"; handelt es sich "bei den Beitragsanteilen" um Gehaltskürzungen, die nicht der Lohnsteuer unterliegen, sind dies keine Beiträge im vorgenannten Sinne (vgl. BFH-Urteile vom 15.Oktober 1964 VI 72/64 U, BFHE 81, 117, BStBl III 1965, 42; BFHE 94, 445, BStBl II 1969, 187).
Entgegen der Auffassung des FA ist dem Urteil in BFHE 94, 445, BStBl II 1969, 187 nicht zu entnehmen, daß "Beiträge" des Arbeitnehmers zu seiner (zukünftigen) Versorgung aus nicht versteuertem Arbeitslohn stets sog. "unversteuerte Gehaltskürzungen" im vorgenannten Sinne seien. Die bisherige Rechtsprechung des BFH ist zu Sachverhalten ohne Auslandsberührung ergangen. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß dann, wenn der Lohn im Inland nicht steuerbar oder aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Steuer befreit ist, der lohnsteuerrechtlichen Behandlung keine indizielle Bedeutung zukommt.
c) Unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 27.Februar 1979 (BStBl I 1979, 139) in Verbindung mit den in der Einkommensteuerkartei der OFD München/Nürnberg --§ 22 Ziff.1 Karte 3.1-- mitgeteilten Auffassungen des BMF macht das FA geltend, der von der OECD einbehaltene Gehaltsanteil von 7 v.H. sei eine "Gehaltskürzung" i.S. des BFH-Urteils in BFHE 94, 445, BStBl II 1969, 187. Dem BMF-Schreiben vom 27.Februar 1979 ist für die Anwendung des Progressionsvorbehalts die Auffassung zu entnehmen, daß die "Beiträge, um die die Gehälter gekürzt werden" nicht als Einkünfte behandelt werden. Andererseits wendet die Verwaltung auf Versorgungsbezüge einzelner koordinierter Organisationen ohne jede Einschränkung § 22 Nr.1 Satz 3 a EStG an; hierbei wird offenbar vorausgesetzt, daß der Arbeitnehmer "eigene Beträge" aus dem ihm zugeflossenen Gehalt gezahlt hat (vgl. Finanzminister Rheinland-Pfalz, Erlaß vom 14.Juli 1972, Steuererlasse in Karteiform --StEK--, Einkommensteuergesetz, § 22 Nr.28, Bedienstete des Europarats; BMF-Schreiben vom 5.August 1987, StEK, Einkommensteuergesetz, § 22 Nr.92, Versorgungsrenten an ehemalige Bedienstete der CERN).
Es bedarf hier keiner Entscheidung darüber, ob die Einzahlungen in den Versorgungsfonds (Kapitalansammlungsfonds) der OECD nach den Rechtsgrundsätzen über Zukunftsleistungen zu beurteilen sind. In dieser Hinsicht ist in Erwägung zu ziehen, daß mangels Versicherungswagnisses (vgl. hierzu Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 19, Anm.235; Giloy in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 19, Rdnr.B 774) die allgemeinen Rechtsgrundsätze gelten, welche die Rechtsprechung zum Zufluß auf Sonderkonten des Arbeitgebers/Arbeitnehmers entwickelt hat (vgl. Entscheidungen des Reichsfinanzhofs --RFH-- von 8.Juli 1931 VI A 772/30, RStBl 1931, 644; vom 29.Juli 1936 VI A 410/35, RStBl 1936, 1097; BFH-Urteil vom 14.Mai 1982 VI R 124/77, BFHE 135, 542, BStBl II 1982, 469).
Denn vorliegend geht es um die Verwendung, nicht um den Zufluß im Zusammenhang mit der Ansparung im Versorgungsfonds (Kapitalansammlungsfonds) der OECD: Die in diesem Fonds angesammelten Beträge waren spätestens mit Wegfall der Verwendungssperre zugeflossen. Die angesammelten Beträge wurden zur Verfügung gestellt zum Zwecke der "sozialen Nachsorge", d.h. zur beruflichen Wiedereingliederung oder Altersvorsorge des Bediensteten (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht --BVerwG-- Urteil vom 12.März 1980 6 C 14/78, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 232.5, § 56 BeamtVG Nr.2). Eine rechtlich abgesicherte Zweckbindung bestand nicht mehr bei Ausscheiden des Bediensteten aus dem aktiven Dienst.
4. Der Kläger hat das spätestens im Mai 1977 aus dem Versorgungsfonds bezogene Einkommen dazu verwendet, sich in die ab dem 1.Juli 1974 geltende Ruhegeldregelung "einzukaufen". Soweit die Versorgungsleistungen sich wirtschaftlich als Verrentung des Betrages von 603 631,60 FF darstellen, sind die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Bezüge (nur) mit einem Ertragsanteil steuerbar; im übrigen sind die Versorgungsbezüge steuerbar nach § 19 Abs.1 Nr.2 EStG.
Bezüge, die unmittelbar vom früheren Arbeitgeber gezahlt werden, sind --soweit durch das Arbeitsverhältnis veranlaßt-- grundsätzlich Arbeitslohn. Zahlt der Arbeitgeber das Ruhegehalt --wie vorliegend-- unter der Voraussetzung einer Einmalzahlung, so ist der Veranlassungszusammenhang mit dem früheren Dienstverhältnis insoweit gegeben, als die Versorgungsbezüge eine angemessene Verrentung übersteigen.
§ 2 Abs.2 Nr.2 Satz 2 LStDV steht dieser Rechtsauffassung nicht entgegen. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob diese Vorschrift durch die Ermächtigung des § 51 Abs.1 Nr.1 b, c EStG gedeckt ist (vgl. hierzu Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 19 EStG Anm.220). Die Vorschrift hebt nach ihrem Wortlaut ab auf "frühere" Beitragszahlungen und korrespondiert insofern mit den in § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 1 LStDV erwähnten "früheren" Dienstleistungen. Der entgeltliche Erwerb einer sofort beginnenden Leibrente ist nicht tatbestandsmäßig. Dies entspricht dem historisch gewachsenen Anwendungsbereich der Vorschrift, der Beiträge zur Zukunftssicherung mit Versicherungscharakter (insbesondere an Pensionskassen) umfaßt (RFH-Urteil vom 28.April 1926 VI A 400/25, RFHE 19, 91; BFH-Gutachten vom 27.März 1958 VI D 1/57 S, BFHE 66, 670, BStBl III 1958, 258; vom 14.August 1964 VI 125/63 U, BFHE 80, 292, BStBl III 1964, 579; vom 23.Februar 1966 VI 285/65, BFHE 85, 33; vom 7.Juli 1972 VI R 116/69, BFHE 107, 11, BStBl II 1972, 890). Von einer rechtlichen Teilbarkeit der von einem einzigen Versorgungsträger bezogenen Bezüge geht auch das BFH-Urteil vom 20.November 1987 VI R 91/84 (BFH/NV 1988, 564 unter II.3.) aus.
5. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Höhe der Versorgungsbezüge steht in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu der vom Kläger geleisteten Einmalzahlung. Es erscheint daher möglich, daß die Versorgungsbezüge zumindest teilweise deswegen gezahlt wurden, weil sich die OECD als Arbeitgeberin veranlaßt gesehen hat, das neue Versorgungssystem einer möglichst großen Anzahl von (ehemaligen) Bediensteten zu öffnen. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang prüfen. Es wird dabei unter Berücksichtigung des insbesondere in der Versicherungswirtschaft Üblichen zu untersuchen haben, in welchem betragsmäßigen Umfang die Versorgungsbezüge verrentetes Eigenkapital sind.
Fundstellen
Haufe-Index 63097 |
BStBl II 1990, 1062 |
BFHE 161, 16 |
BFHE 1991, 16 |
BB 1990, 2320 |
BB 1990, 2320-2322 (LT) |
DB 1990, 1901-1902 (LT) |
DStR 1990, 597 (KT) |
HFR 1990, 682 (LT) |
StE 1990, 315 (K) |