Leitsatz (amtlich)
Gibt ein Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat einer Kapitalgesellschaft seine Aufsichtsratsvergütung an seine Arbeitskollegen weiter, so erzielen diese hierdurch keine Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit.
Orientierungssatz
Arbeitslohn können auch Zuwendungen eines Dritten sein, wenn sie Entgelt für eine Leistung sind, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines individuellen Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbringt; der Zusammenhang zwischen der Leistung des Dritten und dem Dienstverhältnis mit dem Arbeitgeber muß gewahrt sein. Dies ist der Fall, wenn die Zuwendung wirtschaftlich als Frucht der Dienstleistung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber betrachtet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 24.2.1981 VIII R 109/76), nicht aber, wenn die Zuwendung bzw. Einnahme auf eigenen unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen des Steuerpflichtigen zum Dritten beruht (Lit.).
Normenkette
EStG 1981 § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 22
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Angestellter bei der X-Bank AG in H. Die in den Aufsichtsrat der Bank berufenen Arbeitnehmervertreter (vgl. § 7 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer --MitbestG--) führen die Vergütungen, die sie von der Bank hierfür erhalten, teilweise an einen Sozialfonds der Angestellten der X-Bank AG ab, der die Vergütungen auf die Arbeitnehmer der Bank aufteilt. Dem liegt eine Vereinbarung zugrunde, in der sich die Angestellten für den Fall ihrer Wahl zum Arbeitnehmervertreter verpflichtet haben, die ihnen als Aufsichtsratsmitglieder gezahlten Tantiemen an die Gesamtheit der Arbeitnehmer abzuführen. Im Streitjahr 1981 floß dem Kläger, der nicht Aufsichtsratsmitglied ist, aus dem Sozialfonds ein Betrag von 30 DM zu.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfaßte den Betrag von 30 DM in einem gemäß § 173 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid als zusätzlichen Bezug des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger geltend, daß es sich bei der Zahlung nicht um eine Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit handle. Falls die Zahlung überhaupt steuerbar sei, so handle es sich um eine Einnahme i.S. des § 22 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die den Werbungskostenpauschbetrag von 200 DM (§ 9a Nr.3 EStG) nicht übersteige.
Auch die Klage blieb ohne Erfolg. In seinem Urteil führte das Finanzgericht (FG) im wesentlichen aus: Einnahmen i.S. des § 19 EStG seien alle im Rahmen eines Dienstverhältnisses zufließenden Zahlungen. Zu den steuerbaren Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zählten auch Leistungen dritter Personen, wenn die Leistungen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stünden. Ob es sich bei der Leistung eines Dritten um steuerpflichtigen Arbeitslohn handle, sei in erster Linie aus der Sicht des Arbeitnehmers zu beurteilen; es komme darauf an, ob der Arbeitnehmer den ihm zugeflossenen Vorteil als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachte. Danach gehörten im Streitfall die Zahlungen aus dem Sozialfond zu den Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit. Denn aus dessen Sicht stünden die Zahlungen wirtschaftlich im Zusammenhang mit der Tätigkeit für die Bank. Wäre der Kläger dort nicht angestellt, so wäre ihm der Vorteil nicht zugewandt worden. Die Weitergabe von Teilen der Aufsichtsratsvergütung durch die Arbeitnehmervertreter an die anderen Arbeitnehmer führe bei den Arbeitnehmervertretern zwar zu abziehbaren Betriebsausgaben. Bei den begünstigten Arbeitnehmern werde hierdurch indes der Zusammenhang der Zahlung mit der beruflichen Tätigkeit nicht unterbrochen.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er ist weiter der Auffassung, daß es sich bei den Zuwendungen aus dem Sozialfonds der Angestellten nicht um Arbeitslohn handle.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung und den geänderten Einkommensteuerbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage.
1. Entgegen der Ansicht des FG handelt es sich bei dem dem Kläger über den Sozialfonds zugeflossenen Betrag nicht um eine Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit.
Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs.1 Nr.1 EStG Gehälter, Löhne und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Solche Bezüge und Vorteile werden "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlaßt sind (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17.September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39). Zwar braucht der Einnahme keine konkrete Dienstleistung des Arbeitnehmers gegenüberzustehen (BFH-Urteil vom 7.Dezember 1984 VI R 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164). Jedoch muß sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweisen (BFH-Urteil vom 21.Februar 1986 VI R 21/84, BFHE 146, 87, BStBl II 1986, 406, m.w.N.). Demnach liegt Arbeitslohn dann nicht vor, wenn eine Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (vgl. Offerhaus in: Stolterfoth (Hrsg.), Grundfragen des Lohnsteuerrechts, S.117 --120--; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 6.Aufl., 1987, § 19 Anm.7 c).
Arbeitslohn können auch Zuwendungen eines Dritten sein, wenn sie Entgelt für eine Leistung sind, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines individuellen Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbringt; demgemäß muß auch hier der Zusammenhang zwischen der Leistung des Dritten und dem Dienstverhältnis mit dem Arbeitgeber gewahrt sein. Dies ist der Fall, wenn die Zuwendung wirtschaftlich als Frucht der Dienstleistung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber betrachtet werden kann (BFH-Urteil vom 24.Februar 1981 VIII R 109/76, BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707), nicht aber, wenn die Zuwendung bzw. Einnahme auf eigenen unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen des Steuerpflichtigen zu dem Dritten beruht (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 19 EStG Anm.69).
Diese Voraussetzungen für die Annahme von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs.1 Nr.1 EStG sind bei der hier zu beurteilenden Zuwendung an den Kläger nicht gegeben. Dieser hat die streitigen 30 DM von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat (über den Sozialfonds) erhalten. Es handelt sich also um die Leistung eines Dritten. Zwar ist dem FG darin zuzustimmen, daß der Kläger die Zuwendung nicht erhalten hätte, wenn er nicht bei der X-Bank AG angestellt gewesen wäre, so daß zwar ein Zusammenhang zwischen der Zuwendung und dem Arbeitsverhältnis besteht. Diese Zuwendung ist jedoch kein Entgelt für die Leistungen, die der Kläger im Rahmen dieses individuellen Arbeitsverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt oder erbracht hat, wie dies etwa bei dem ohne Rechtsgrund als Anerkennung für qualitativ besonders gute Arbeitsleistung von einem Dritten gegebene Trinkgeld der Fall sein kann. Die Grundlage für die Zuwendung im Streitfall besteht nicht in den vom Kläger erbrachten Dienstleistungen, sondern beruht auf der besonderen Verpflichtungserklärung des späteren Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat für den Fall seiner Wahl. Weder handelt es sich aus der Sicht des Arbeitgebers bzw. des Dritten um eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Klägers, noch kann die Zuwendung aus der Sicht des Klägers (Arbeitnehmers) als Frucht seiner Arbeitsleistung verstanden werden (ebenso: Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 19 Anm.400 "Aufsichtsratsvergütung").
Da die Zuwendung demnach nicht durch das Dienstverhältnis, sondern durch die besonderen Rechtsbeziehungen des Klägers zu den Arbeitnehmervertretern als Dritte veranlaßt ist, kommt auch der Tatsache keine Bedeutung zu, daß es sich bei den von den Arbeitnehmervertretern abgeführten Vergütungen um gewinnabhängige Tantiemen gehandelt hat.
2. Für die Entscheidung des Streitfalls kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Zuwendung an den Kläger möglicherweise um sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr.1 oder Nr.3 EStG gehandelt hat. Denn da die Zuwendung im Streitfall nur 30 DM betrug, lag sie jedenfalls unter dem Werbungskostenpauschbetrag des § 9a Nr.3 EStG bzw. unter der Freigrenze des § 22 Nr.3 Satz 2 EStG.
3. Da das FA mit dem Einkommensteueränderungsbescheid vom 24.Februar 1983 hiernach zu Unrecht die Zuwendung im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfaßt hat, war dieser Bescheid ebenso wie das auf einer anderen Rechtsauffassung beruhende Urteil der Vorinstanz aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Fundstellen
Haufe-Index 61863 |
BStBl II 1987, 822 |
BFHE 150, 555 |
BFHE 1987, 555 |
DB 1987, 2393-2393 (ST) |
DStR 1987, 801-802 (ST) |