Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Gesamtrechtsnachfolge des übernehmenden Rechtsträgers bei einer Ausgliederung durch Neugründung gem. § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG 1995; subjektive Klageänderung im Verfahren über eine Anfechtungsklage
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Ausgliederung durch Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG 1995 ist der übernehmende Rechtsträger nicht Gesamtrechtsnachfolger des übertragenden Rechtsträgers. Dieser bleibt deshalb Steuerschuldner. Er bleibt auch Beteiligter eines anhängigen Aktivprozesses (Anschluss an BGH-Urteil vom 6. Dezember 2000 XII ZR 219/98, NJW 2001, 1217).
2. Im Verfahren über eine Anfechtungsklage ist eine subjektive Klageänderung nicht sachdienlich, wenn der angefochtene Verwaltungsakt weder gegen den in den Prozess eintretenden Beteiligten ergangen ist noch gegen diesen wirkt (Bestätigung des Senatsurteils vom 28. Oktober 1970 I R 72/68, BFHE 100, 353, BStBl II 1971, 26).
Normenkette
FGO §§ 67, 155; ZPO §§ 66, 239; UmwG 1995 § 123 Abs. 3 Nr. 2, § 133 Abs. 1 S. 1, § 135 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten in der Sache darum, ob und ggf. mit welchem Inhalt der ursprünglichen Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) seitens des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt ―FA―) im Hinblick auf die steuerliche Behandlung von Wechselschulden als Dauerschulden i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) eine verbindliche Zusage gemäß § 204 der Abgabenordnung (AO 1977) gegeben wurde.
Das Vermögen der ursprünglichen Klägerin, der GmbH I, wurde durch den Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 21. November 1996 auf die zuvor am 21. Oktober 1996 gegründete nunmehrige Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ebenfalls eine GmbH (GmbH II), gegen Gewährung von Geschäftsanteilen übertragen. In § 2 dieses Vertrages heißt es wie folgt:
"(1) Auf die (GmbH II) werden ―mit Ausnahme der Anteile an der (GmbH II)― unter Fortbestand der übertragenden Gesellschaft alle Aktiva, Passiva und Rechtsverhältnisse übertragen, die wirtschaftlich zum Geschäftsbetrieb der GmbH I gehören.
(2) Auf die (GmbH II) werden insbesondere im einzelnen übertragen …
Von der (GmbH II) übernommen werden ferner diejenigen Verbindlichkeiten und Rückstellungen, die wirtschaftlich zu dem Betrieb gehören, auch wenn diese in den beigefügten Anlagen nicht aufgeführt oder zum heutigen Tag unbekannt sind. …
(3) Vermögensgegenstände, Verbindlichkeiten, Arbeits- und Anstellungsverhältnisse und sonstige Rechtspositionen, die in den beigefügten Anlagen nicht aufgeführt sind, gehen entsprechend der hier getroffenen Zuordnung auf die (GmbH II) über, soweit sie dem Betrieb im weitesten Sinne zuzuordnen sind; … ."
Die GmbH I wurde sodann durch Vertrag vom 28. November 1996 formwechselnd in eine KG umgewandelt, die ihrerseits zum 30. Juni 1998 aufgelöst wurde. Das Vermögen dieser KG ging auf eine GmbH (GmbH III) über, die durch Vertrag vom 18. August 1998 mit einer weiteren GmbH (GmbH IV) verschmolzen wurde.
Das FA erließ gegen die GmbH I am 9. Dezember 1993 für 1986 bis 1989 (Streitjahre) geänderte Gewerbesteuermessbescheide. Nach Abschluss des dagegen gerichteten Vorverfahrens durch zurückweisende Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 1995 erhob die GmbH I, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, am 21. März 1995 Klage. Sie vertrat die Auffassung, infolge des Ausgliederungs- und Übernahmevertrages vom 21. November 1996 sei das Klageverfahren im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf die GmbH II übergegangen; diese sei nunmehr Klägerin. Hilfsweise werde das Verfahren im Namen derjenigen Gesellschaft fortgeführt, auf die es nach Ansicht des Gerichts übergegangen sei. Prozessvollmacht der KG vom 3. Februar 1998 wurde vorgelegt.
Das Finanzgericht (FG) sah die GmbH II ―nach Auslegung des Ausgliederungs- und Übernahmevertrages vom 21. November 1996― bezogen auf das Steuerschuld- und Prozessrechtsverhältnis als Rechtsnachfolgerin der GmbH I an und gab der Klage weitgehend statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1161 abgedruckt.
Das FA stützt seine dagegen gerichtete Revision auf Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die GmbH II beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Das FG hat zu Unrecht die GmbH II als Klägerin angesehen. Diese ist weder Gesamtrechtsnachfolgerin der GmbH I noch konnte sie im Wege der subjektiven Klageänderung (§ 67 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) an deren Stelle (bzw. zwischenzeitlich an die Stelle der GmbH III) treten. Ihr fehlte die erforderliche Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO).
1. Die GmbH II ist nicht als Rechtsnachfolgerin in das Steuerschuld- und Prozessrechtsverhältnis der GmbH I eingetreten.
Während des laufenden Klageverfahrens sind Unternehmensteile der GmbH I im Wege der Ausgliederung durch Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes (UmwG 1995) auf die GmbH II übertragen worden. Das FG hat den zugrunde liegenden Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 21. November 1996 ausgelegt und ist zu der Rechtsauffassung gelangt, die GmbH II sei hiernach als Sonderrechtsnachfolgerin der (ursprünglichen) GmbH I (vgl. Schwarz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 123 UmwG Rz. 4.1.3) in das Steuerschuld- und Prozessrechtsverhältnis eingetreten (vgl. § 45 AO 1977; § 155 FGO i.V.m. §§ 239 ff. der Zivilprozeßordnung ―ZPO―).
Dem kann nicht beigepflichtet werden. Zwar wird in der Literatur im Zusammenhang mit der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG 1995 von "partieller Gesamtrechtsnachfolge" oder "geteilter Gesamtrechtsnachfolge" (vgl. z.B. K. Schmidt in Festschrift für Wolfram Henckel, 1995, 749, 769; Teichmann in Lutter, Umwandlungsgesetz, 2. Aufl., § 123 Rz. 8 und 9; Schwarz in Widmann/Mayer, ebenda; Aha, Die Aktiengesellschaft ―AG― 1997, 345; Engelmeyer, AG 1999, 263; Fuhrmann/Simon, AG 2000, 49, jeweils m.w.N.) oder auch "geteilter Gesamtrechtsnachfolge kraft Rechtgeschäfts" gesprochen (vgl. Willemsen, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht ―NZA― 1996, 791, 794). Gleichwohl handelt es sich bei der Ausgliederung nicht um den Übergang des gesamten Vermögens eines untergegangenen Rechtsträgers, sondern um eine besondere Übertragungsart, die es gestattet, anstelle der Einzelübertragung verschiedener Vermögensgegenstände eine allein durch den Parteiwillen zusammengefasste Summe von Vermögensgegenständen in einem Akt zu übertragen. Aus dem Umstand, dass das Gesetz diese Art der Übertragung ermöglicht, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass diese prozessual andere Folgen als eine Einzelübertragung hat (vgl. im Einzelnen Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 6. Dezember 2000 XII ZR 219/98, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 2001, 1217, dort bezogen auf einen Passivprozess; Götz, Die Information über Steuer und Wirtschaft ―INF― 1996, 449, 451; siehe auch Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Beschluss vom 4. April 2000 6 W 32/00, Betriebs-Berater 2000, 1000; Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 4. Februar 2000 3 Sa 618/99, NZA - Rechtsprechungs-Report 2000, 496; K. Schmidt in Festschrift für Henckel, a.a.O., 749, 770 f; anders z.B. Vossius in Widmann/Mayer, a.a.O., § 131 UmwG Rz. 131 und 153 i.V.m. § 20 UmwG Rz. 258 und 275; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 3. Aufl., § 131 UmwG Rz. 83; Teichmann in Lutter, a.a.O., § 132 Rz. 54; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 45 AO Rz. 14; Eich, Kölner Steuer-Dialog 2002, 13252).
Vor diesem Hintergrund ist die Steuerschuld der GmbH I nicht auf die GmbH II übergegangen. Diese konnte nicht in den Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide anstelle der GmbH I als derjenigen eintreten, gegen die sich die Bescheide richteten. Auch wenn die GmbH I nach dem Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 21. November 1996 ihr gesamtes Vermögen auf die GmbH II bis auf die an dieser gehaltene Beteiligung übertragen hat (Totalausgliederung), so ändert dies dennoch nichts daran, dass die Übertragung nur an die Stelle der ansonsten erforderlichen Einzelübertragungen und damit auch der Einzelübertragung der Gewerbesteuerschuld getreten ist. Die GmbH I war deshalb nach wie vor Steuerschuldnerin (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Insofern ist aus Sicht des Steuerschuld- und des Prozessrechtsverhältnisses "alles beim alten" geblieben (so Götz, INF 1996, 449, 451); eine Gesamtrechtsnachfolge mit der Folge eines gesetzlichen Beteiligtenwechsels (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 239 ZPO) liegt nicht vor.
2. Zugleich kam auch eine subjektive Klageänderung (§ 67 FGO) mit der Folge eines gewillkürten Beteiligtenwechsels nicht in Betracht. Eine solche setzt entweder voraus, dass der Gegner einwilligt, oder dass das Gericht sie für sachdienlich hält. An beidem fehlt es. Das FA hat in eine Klageänderung nicht eingewilligt. Die Klageänderung ist nicht sachdienlich, weil die angefochtenen Steuerbescheide nicht gegen die GmbH II ergangen sind und auch nicht gegen diese wirken. Der Umstand, dass die übernehmende Gesellschaft, die GmbH II, aufgrund der Ausgliederung (auch) für die Steuerschulden der GmbH I im Außenverhältnis als Gesamtschuldnerin (vgl. § 135 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG 1995) und im Innenverhältnis allein haftet (vgl. auch Wieser in Lindenmaier/Möhring, Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, § 66 ZPO Nr. 19 Bl. 3 f.), ändert daran nichts. Sie konnte gleichwohl nicht anstelle der GmbH I als Steuerschuldnerin bzw. deren Gesamtrechtsnachfolgerin, der GmbH IV, Klägerin werden (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 1970 I R 72/68, BFHE 100, 353, BStBl II 1971, 26; Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH―, Urteil vom 11. April 1991 V R 86/85, BFHE 164, 219, BStBl II 1991, 729; List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 67 FGO Rz. 19; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl., § 74 Rz. 7 und § 91 Rz. 32, m.w.N.).
3. Weitergehende Möglichkeiten der Verfahrensbeteiligung des Einzelrechtsnachfolgers sind im Finanzgerichtsprozess nicht gegeben, insbesondere nicht die im Zivilprozess (vgl. dazu BGH-Urteil in NJW 2001, 1217) eröffnete Möglichkeit der Nebenintervention i.S. von § 66 ZPO (vgl. BFH-Beschluss vom 18. September 1974 II R 129/73, BFHE 113, 350, BStBl II 1975, 40).
4. Die angefochtene Entscheidung war deshalb wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung aufzuheben. Die Rechtssache muss zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 871475 |
BFH/NV 2003, 267 |
BStBl II 2003, 835 |
BFHE 199, 489 |
BFHE 2002, 489 |
BB 2003, 90 |
DStRE 2003, 190 |
HFR 2003, 156 |