Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG bei der Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
Leitsatz (NV)
§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß er im Falle einer Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt (= Auflage) zugunsten des Schenkers der Anwendung des GrESt- Befreiungstatbestandes des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nicht entgegensteht. An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn es im konkreten Fall nicht zu einer doppelten Belastung der der Grundstücksschenkung beigefügten Auflage (der kapitalisierten Nießbrauchslast) mit SchenkSt und GrESt kommen kann, weil das für die Schenkungsbesteuerung zuständige FA in einem bestandskräftigen SchenkSt-Bescheid irrtümlich nur den "unentgeltlichen Teil des Erwerbsvorgangs" mit SchenkSt belegt hat. Denn mit dem vom historischen Gesetzgeber festgelegten Vorrang der ErbSt bzw. SchenkSt gegenüber der GrESt sollte bereits die virtuelle Doppelbelastung mit den beiden Steuern ausgeschlossen werden (Anschluß an das Senatsurteil in BFHE 167, 189, BStBl II 1992, 420).
Normenkette
GrEStG 1983 § 3 Nr. 2; BGB § 525
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Überlassungsvertrag vom 16. Dezember 1987 erwarb die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück X in Y. Zwischen dem Veräußerer und der Klägerin wurde u. a. folgendes vereinbart:"§
2 Gegenleistung:
I. Übernahme von Belastungen:
Erwerber übernimmt die im Grundbuch Abteilung III Nr. 3 eingetragene Grundschuld in Höhe von 120 000 DM zuzüglich 15 % jährlicher Zinsen zugunsten der Volksbank in A.
Die Übernahme erfolgt nur dinglich.
Die Vertragsparteien vereinbaren im Innenverhältnis, daß der Überlasser den Erwerber von sämtlichen Zahlungsverpflichtungen seitens der Gläubigerin freihält, solange der Nießbrauchsvorbehalt gemäß Abs. II besteht.
II. Nießbrauchbestellung:
Der Überlasser behält sich an dem Grundstück den lebenslänglichen Nießbrauch vor (Vorbehaltsnießbrauch) ... ".
Mit Bescheid vom 14. Januar 1988 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 1 424 DM fest. Dabei ging er von einer Bemessungsgrundlage von 71 238 DM aus, die er durch den geschätzten Jahreswert des Nießbrauchs in Höhe von 6 000 DM mal einem Vervielfältiger von 11, 873 ermittelte.
Mit ihrer dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheids.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grund erwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliegende Grundstücks erwerb der Klägerin ist in vollem Umfang gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen.
a) Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind u. a. von der Besteuerung ausgenommen die Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG). Schenkungen unter einer Auflage sind allerdings gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG "nur insoweit von der Besteuerung ausgenommen, als der Wert des Grundstücks (§ 10) den Wert der Auflage übersteigt".
Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Januar 1992 II R 41/89 (BFHE 167, 189, BStBl II 1992, 420) entschieden hat, ist § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, daß zur Vermeidung einer doppelten steuerrechtlichen Erfassung bei (auflagen-)belastet erworbenem Vermögen im Ausmaß der Belastung neben der Schenkungsteuer keine Grunderwerbsteuer zu erheben ist (vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 15. Mai 1984 1 BvR 464/81 u. a., BStBl II 1984, 608). Folglich dürfen Belastungen (Auflagen), die wegen ihrer -- auf § 25 Abs. 1 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) beruhenden -- Nichtabzugsfähigkeit bei der Schenkungsteuer in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind, nicht (nochmals) als Gegenleistung zur Grunderwerbsteuer herangezogen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang im konkreten Fall ein Schenkungsteuer anspruch zur Entstehung gelangte und ein entstandener Schenkungsteueranspruch tatsächlich festgesetzt und/oder vom FA geltend gemacht wurde (BVerfG in BStBl II 1984, 608, 614, unter IV.).
b) Nach zutreffender und herrschender zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Auffassung stellt die Schenkung eines Grundstücks unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs zugunsten des Schenkers eine Schenkung unter Auflage (vgl. § 525 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) dar (vgl. z. B. Palandt/Putzo, Bürgerliches Gesetzbuch, 52. Aufl., § 525 Anm. 2 c, m. w. N.; Coing, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1949, 260; Winkeljohann, Der Betrieb -- DB -- 1987, 353, 355; zahlreiche weitere Nachweise bei Reiff, Betriebs- Berater -- BB -- 1990, 968, 970, Fußnote 50; Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. Februar 1981 II R 114/78, BFHE 132, 486, BStBl II 1981, 411, und vom 6. März 1990 II R 165/87, BFH/NV 1990, 809; anderer Auffassung -- reine Schenkung -- Reiff, BB 1990, 968, 970 f.).
Davon sind auch die Beteiligten und das FG übereinstimmend ausgegangen. Im Streitfall hängt deshalb der Umfang der Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der schenkungsteuerrechtlichen Beurteilung der mit der Auf lage belasteten Zuwendung ab.
aa) Nach den in dem zur Schenkungsteuer ergangenen Urteil des Senats vom 12. April 1989 II R 37/87 (BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524, 526) entwickelten Grundsätzen handelt es sich bei dem hier in Rede stehenden Nießbrauchsvorbehalt um eine sog. Duldungsauflage. Denn dem Bedachten erwächst durch den Vorbehaltsnießbrauch nicht etwa ein Aufwand i. S. einer Leistungspflicht; vielmehr trifft ihn lediglich eine zeitlich begrenzte Duldungspflicht des Inhalts, daß die Nutzungen an dem Zuwendungsgegenstand (vorerst) nicht ihm, sondern dem Nießbraucher zustehen.
Da eine solche Grundstückszuwendung unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs zu gunsten des Zuwendenden (Schenkers) in vollem Umfang der Schenkungsteuer unterliegt, weil § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG dem Abzug der (kapitalisierten) Nießbrauchslast entgegensteht, würde -- wie das FG zutreffen erkannt hat -- eine dem Wortlaut des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG entsprechende Heranziehung derselben Auflage als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung zu einer verfassungswidrigen zweifachen Belastung der "Auflage" mit Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer führen. Diese Doppelbelastung ist dadurch zu vermeiden, daß entsprechend dem Willen des historischen Gesetzgebers, der aus systematischen Gründen der Prävalenz der Erbschaft- und Schenkungsteuer gegenüber der Grunderwerbsteuer ausdrücklich anerkannt hat, eine Grunderwerbsbesteuerung ausscheidet (BVerfG in BStBl II 1984, 608, 614). § 3 Abs. 2 Satz 2 GrEStG ist folglich verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß er im Fall einer Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt zugunsten des Schenkers der Anwendung des Befreiungstatbestands des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nicht entgegensteht.
bb) Ein anderes Ergebnis folgt im Streitfall entgegen der Ansicht des FA auch nicht daraus, daß es tatsächlich nicht zu einer doppelten Belastung der Auflage (der kapitalisierten Nießbrauchslast) mit Schenkung steuer und Grunderwerbsteuer kommt, weil das für die Schenkungsbesteuerung zuständige FA in dem bestandskräftigen Schenkungsteuerbescheid -- rechtsirrtümlich -- nur den "unentgeltlichen Teil des Erwerbsvorganges" mit Schenkungsteuer belegt hat. Denn mit dem vom historischen Gesetzgeber festgelegten Vorrang der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer gegenüber der Grunderwerbsteuer sollte bereits die virtuelle Doppelbelastung mit den beiden Steuern ausgeschlossen werden. Eine Grunderwerbsteuerbefreiung sollte deshalb -- wie schon angedeutet -- selbst in den Fällen eintreten, in denen ein Erbschaft- oder Schenkungsteueranspruch in concreto nicht zur Entstehung gelangt oder ein darauf gegründeter Anspruch nicht oder -- wie hier -- in unzutreffender Höhe geltend gemacht wird (BVerfG in BStBl II 1984, 608, 614).
cc) Entgegen der Ansicht des FA fällt Grunderwerbsteuer auch nicht -- teilweise -- an hinsichtlich des Differenzbetrages zwischen dem bei der Schenkungsteuer (unter Berücksichtigung des § 16 des Bewertungsgesetzes -- BewG --) anzusetzenden Wert der Auflage und deren bei der Grunderwerbsteuer maßgeblichen Wert, bei dessen Ermittlung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG § 16 BewG keine Anwendung findet (a. A. Steiger, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer- Recht -- UVR -- 1991, 203, 207; ebenso koordinierter Ländererlaß vom 21. Mai 1990, Handbuch der Verkehrsteuern 1991, S. 22 f.). Was dem Grunde nach die Schenkungsteuer nicht zu mindern vermag, kann auch nicht zum Anfall von Grunderwerbsteuer führen. Denn soweit bei einer Schenkung unter Auflage wegen der in § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG enthaltenen Regelung der volle Wert des zugewendeten Gegenstands erbschaftsteuerrechtlich als Bereicherung anzusehen ist, kann es bezüglich der Auflage keinen Wertanteil geben, der noch nicht Gegenstand der Schenkung steuer ist (Senatsurteil in BFHE 167, 189, BStBl II 1992, 420, 421, rechte Spalte).
2. Der angefochtene Grunderwerbsteuer bescheid läßt sich auch nicht mit der Erwägung aufrechterhalten, daß die Klägerin (neben der Nießbrauchslast eine Grundschuld in Höhe von 120 000 DM nebst Zinsen "übernommen" hat.
Ist das zugewendete Grundstück mit einer Grundschuld belastet, die der Sicherung einer Forderung dient, so stellt die bloße "Übernahme" der dinglichen Haftung jedenfalls dann keine (grunderwerbsteuerrechtlich) bewertbare Gegenleistung dar, wenn dem Beschenkten ein realisierbarer Ersatz- bzw. Rückgriffsanspruch gegen den persönlichen Schuldner (hier: Veräußerer) zusteht (Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 3 Rdnr. 16; vgl. auch Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 3 Rdnr. 250).
So liegt es im Streitfall: Nach § 2 Abschn. I des Überlassungsvertrages vom 16. Dezember 1987 sollte die "Übernahme" der Grundschuld, die eine Forderung der Volksbank A absicherte, "nur dinglich" erfolgen und im Innenverhältnis der Veräußerer die Klägerin von sämtlichen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Grundschuldgläubigerin "freihalten". Folglich hatte die Klägerin gegen den Veräußerer in bezug auf die Forderungen der Grundpfandrechtsgläubigerin einen Freistellungsanspruch, der sich im Falle der Zahlung durch die Klägerin an die Gläubigerin in einen Ausgleichsanspruch gegen den Veräußerer verwandelte. Anhaltspunkte dafür, daß dieser Freistellungs- bzw. Ausgleichsanspruch -- z. B. wegen Illiquidität des Veräußerers -- nicht realisierbar war, sind nicht vorhanden.
Fundstellen
Haufe-Index 420227 |
BFH/NV 1995, 433 |