Leitsatz (amtlich)

Schmiermittel für technische Schmierzwecke, die zu 50 oder mehr Gewichtschundertteilen aus anderen Stoffen als Erdöl, Kohle, Ölschiefer oder Torf oder daraus gewonnenen Zwischenerzeugnissen hergestellt sind, sind keine "notwendigen Halberzeugnisse" im Sinne des § 4 Nr. 4 UStG 1951 in Verbindung mit § 29 Abs. 2 Nr. 5a UStDB 1951 bzw. Anl. 1 zu § 4 Nr. 4 UStG 1951 Nr. 5a, aa (= Freiliste 3).

 

Normenkette

UStG 1951 § 4 Nr. 4; UStDB 1951 § 29 Abs. 2 Nr. 5a

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Schmiermittel, die zu 50 oder mehr Gewichtshundertteilen aus anderen Stoffen als Erdöl, Kohle, Ölschiefer oder Torf oder daraus gewonnenen Zwischenerzeugnissen hergestellt sind, "notwendige Halberzeugnisse" gem. § 4 Nr. 4 UStG 1951 und zwar Schmierstoffe im Sinne des § 29 Abs. 2 Nr. 5a UStDB 1951, darstellen.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) vertreibt u. a. Schmiermittel für technische Schmierzwecke ..., die neben Wasser und anderen Stoffen zwischen 1 und 45 Gewichtshundertteilen Mineralöl (Spindelöl) enthalten. Im Anschluß an eine Umsatzsteuervergütungsprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (FA) für die Großhandelslieferungen der genannten Waren die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 4 UStG 1951, weil sie nicht in der Hauptsache aus Erdöl oder daraus gewonnenen Zwischenerzeugnissen bestünden. Das FA berief sich dabei auf den (nicht veröffentlichten) Erlaß des BdF IV A 2-S 4138d - 8/60 vom 2. August 1960, in dem die Forderung erhoben wird, daß die Erdölbestandteile eines Schmiermittels, damit es begünstigt ist, mindestens 50 Gewichtshundertteile ausmachen müßten.

Nach erfolglos gebliebenem Einspruch entschied das FG durch Zwischenurteil, daß aus Erdöl oder daraus gewonnenen Zwischenerzeugnissen hergestellte Schmiermittel als Schmierstoffe im Sinne des § 4 Nr. 4 UStG 1951 in Verbindung mit § 29 Abs. 2 Nr. 5a UStDB 1951 bzw. Nr. 5a, aa der Freiliste 3 anzusehen sind, wenn sie nach der Verkehrsauffassung ausschließlich oder überwiegend als Schmierstoffe verwendet werden, und zwar auch dann, wenn sie im Gewicht nicht weniger als 50 v. H. andere Stoffe enthalten. Gesetz und Durchführungsbestimmungen enthielten solche Grenzen weder hinsichtlich des chemischen Aufbaus der Stoffe noch hinsichtlich der physikalischen Maße (Gewicht). Im Erlaß S 4138-1 III vom 2. Februar 1939 (USt-Kartei S 4138d, Karte 25) führe der RdF aus, man werde davon ausgehen können, daß die nach ihrem Verwendungszweck bezeichneten und unter dieser Bezeichnung gehandelten Schmierstoffe Erzeugnisse aus Erdöl, Kohle, Ölschiefer oder Torf seien. Für eine Grenzziehung, wie sie erstmalig der Erlaß vom 2. August 1960 vornehme, fehle es an jeglicher Grundlage. Die Gewichte seiner Bestandteile verliehen einem Stoffe nicht immer das charakteristische Gepräge. Als geeigneter Maßstab biete sich nur die Verkehrsauffassung an. Wenn Schmiermittel aus Erdöl usw. nach der Verkehrsauffassung ausschließlich oder überwiegend als Schmierstoffe verwendet würden, sei es gerechtfertigt, sie als Erzeugnisse aus Erdöl usw. zu betrachten, gleichgültig wie hoch der Gewichtshundertsatz des Rohstoffes bzw. des Zwischenerzeugnisses sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Rechtsbeschwerde des FA, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (vgl. § 184 Abs. 2, §§ 115 ff. FGO), führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Das FA meint, daß nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 2 Nr. 5a UStDB 1951 bzw. Nr. 5a, aa der Freiliste 3 unter "Erzeugnissen aus Erdöl" bzw. unter "Schmierstoffen..., die aus den genannten Rohstoffen oder aus daraus gewonnenen Zwischenerzeugnissen hergestellt sind", nur solche "Erzeugnisse" oder "Stoffe" zu verstehen sind, die ausschließlich aus den genannten Ausgangs- oder Zwischenprodukten bestehen bzw. hergestellt sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies zutrifft. Eine solche Wortinterpretation würde nämlich dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gerecht, wenn die Vorschrift dadurch ihre Bedeutung verlieren würde, weil es aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen notwendig oder üblich ist, dem Ausgangs- oder Zwischenprodukt andere Stoffe hinzuzufügen. Die Parteien sind sich darüber einig, daß dem Erdöl bei der Verarbeitung zu Schmiermitteln üblicherweise andere Stoffe (Wasser und - je nach der "Rezeptur" - weitere "Komponenten") beigegeben werden. Aus diesem Grunde hat sich der RdF schon in seinem Einführungserlaß (Abschn. B 17, Abs. 5) S 4015-1 III vom 20. Januar 1939 (RStBl 1939, 129; USt-Kartei S 4138d, Karte 24) damit einverstanden erklärt, daß die Mitverwendung oder Beimischung anderer, nicht begünstigter Stoffe die Zurechnung zu den begünstigten Erzeugnissen dann nicht ausschließt, wenn nach der Verkehrsauffassung die Beschaffenheit und Eigenschaft des Erzeugnisses als Schmierstoff aus Erdöl usw. gewahrt ist. Zutreffend schließt das FA aus den Worten "Mitverwendung" und "Beimischung", daß der RdF davon ausgegangen ist, der begünstigte Grundstoff (hier: Erdöl) müsse den Hauptbestandteil des Erzeugnisses darstellen. Der Senat stimmt dieser Auffassung im Ergebnis zu. Der Zweck des § 4 Nr. 4 UStG 1951, die Rohstoff- und Ernährungsgrundlage des Inlands von der Umsatzsteuer zu entlasten (vgl. die namentliche Begründung zum UStG 1934, RStBl 1934, 1549, 1551), Mischungen, die in beachtlichem Umfange andere Gegenstände als die genannten Rohstoffe enthalten, dagegen nur in den besonders aufgeführten Ausnahmefällen zu begünstigen, läßt es nicht zu, die Steuerfreiheit auch dann zu gewähren, wenn nichtbegünstigte Stoffe in einem solchen Ausmaß den notwendigen Rohstoffen und Halberzeugnissen beigefügt werden, daß der in dem hergestellten Erzeugnis enthaltene begünstigte Stoff zur Nebensache wird. Der Charakter der Ware wird dann nicht mehr durch den begünstigten Stoff bestimmt.

Die Auffassung, daß ein Schmiermittel nur dann zu den nach § 29 Abs. 2 Nr. 5a UStDB 1951 begünstigten Erzeugnissen gehört, wenn die dort bezeichneten Grundstoffe (hier: Erdöl) seinen Hauptbestandteil bilden, wird durch die Einordnung der Ware im Deutschen Zolltarif bestätigt. In Betracht kommt Kapitel 27 des Zolltarifs (ZT), in dem die "Zubereitungen mit Erdöl", mit anderen Worten die aus Erdöl hergestellten Stoffe, aufgeführt sind. Aus ZTnr. 27.10 ergibt sich, daß Zubereitungen mit Erdöl nicht mehr vorliegen, wenn der Anteil an Erdöl weniger als 70 Gewichtshundertteile beträgt (vgl. auch Nr. 271 041 ff. des Warenverzeichnisses für die Außenhandelsstatistik, Ausgabe 1958). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die zolltarifliche Einordnung einer Ware grundsätzlich auch für das Umsatzsteuerrecht maßgebend, und zwar nicht nur für die Vorschriften, die den Außenhandel betreffen, sondern für das ganze Gebiet des Umsatzsteuerrechts. Ausnahmen bestehen nur, wenn der ZT und die dazu erlassenen Vorschriften zu ihrer vergleichsweisen Heranziehung geeignete Begriffsbestimmungen nicht enthalten oder wenn das Schema des ZT im Einzelfalle von der Verkehrsanschauung der betroffenen Wirtschaftskreise abweicht (z. B. weil in erster Linie die unterschiedliche Interessenlage der Mitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft berücksichtigt wurde; vgl. hierzu die Urteile V 54/51 U vom 30. April 1953, BFH 57, 470, BStBl III 1953, 182; V 48/55 U vom 23. August 1955, BFH 61, 348, BStBl III 1955, 332 und das Urteil V R 67/66 vom 9. Mai 1968, BFH 93, 350, BStBl II 1968, 833). Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben.

Die Ansicht der Steuerpflichtigen, es seien für die Lösung der Streitfrage die ZTnr. 34.03 und die Warenverzeichnis-Nr. 340 351 hinzuzuziehen, geht fehl. Diese Nummern betreffen die Frage, wann Schmiermittel vorliegen. Daß die von der Steuerpflichtigen gelieferten Waren Schmiermittel sind, wird indessen vom FA nicht bestritten; der Streit geht nur darum, ob sie "Erzeugnisse aus Erdöl" sind.

Es ist nicht zu beanstanden, daß der BdF im o. a. Erlaß vom 2. August 1960 die Abgrenzung der begünstigten von den nicht begünstigten Erzeugnissen nach dem Gewicht der Einsatzstoffe vorgenommen hat. Es ist der Vorinstanz zwar darin zuzustimmen, daß die gewichtsmäßige Abgrenzung nicht immer zu zutreffenden Ergebnissen führt. Im Streitfalle bestehen gegen die Einstufung nach Gewichtshundertteilen aber keine Bedenken, zumal der ZT und somit die Verkehrsanschauung ebenso verfahren. Der BdF hat sich bei der Bemessung der Hundertsatzgrenze (50 : 50) nicht an den ZT (70 : 30) gehalten, sondern sie für die Steuerpflichtigen günstiger festgesetzt. Da eine Verböserung zum Nachteil der Steuerpflichtigen unzulässig ist, bedarf es eines näheren Eingehens auf diesen Punkt nicht. Das Verfahren des FG, das in Anlehnung an eine Weisung des RdF im o. a. Erlaß vom 2. Februar 1939 eine Ware ohne Rücksicht auf die Höhe des Mineralölgehalts immer dann als Erzeugnis aus Erdöl betrachten will, wenn sie nach der Verkehrsauffassung als Schmierstoff verwendet wird, kann nicht gebilligt werden. Für das Ermittlungsverfahren durch die FÄ mag die Aufstellung einer solchen Faustregel hingehen. Im gerichtlichen Verfahren kann aus dem Verwendungszweck eines Gegenstands dann nicht auf seinen Inhalt geschlossen werden, wenn unterschiedlich zusammengesetzte Gegenstände demselben Verwendungszweck dienen. Andernfalls müssen Waren, die eindeutig Schmierzwecken dienen, auch dann als "Erzeugnisse aus Erdöl" beurteilt werden, wenn sie nur zu einem verschwindend geringen Hundertsatz (z. B. zu 5 oder gar 1 v. H. wie im Streitfalle) Bestandteile aus Erdöl enthalten.

Auf die Revision des FA war daher die Vorentscheidung aufzuheben und die aus dem Tenor ersichtliche Entscheidung zu treffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68352

BStBl II 1969, 59

BFHE 1969, 105

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