Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht von Zinsen aus Lebensversicherungen; steuerschädliche Darlehensverwendung
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Darlehen, zu dessen Besicherung Ansprüche aus Kapitallebensversicherungen eingesetzt werden, zur Anschaffung von Anteilen an offenen Aktienfonds genutzt, liegt eine steuerschädliche Verwendung des Darlehens vor. Die Zinsen aus den Lebensversicherungen sind daher in vollem Umfang nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerpflichtig.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 6, § 10 Abs. 2 S. 2 Buchst. a
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Steuerpflicht von Zinsen aus Lebensversicherungen.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nahm im Jahr 2000 bei der X-Versicherung zwei Darlehen über 105 450 DM bzw. 50 000 DM auf, die mit Lebensversicherungsansprüchen des Klägers aus seinen Lebensversicherungen bei der X-Versicherung (Vertragsnrn. 1 bzw. 2) besichert wurden. Mit der ausgezahlten Darlehenssumme von 153 210 DM erwarb der Kläger Anteile an offenen Aktienfonds.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte mit Feststellungsbescheid vom 31. Mai 2001 gemäß § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung die steuerschädliche Verwendung der Lebensversicherungsansprüche für den Erwerb von Aktienfonds und damit die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zu den Lebensversicherungen des Klägers enthaltenen Sparanteilen fest. Das FA berief sich darauf, der Erwerb von Aktienfonds sei steuerschädlich, da die in diesem Zusammenhang entstehenden Aufwendungen keine begünstigten Werbungskosten darstellten. Denn mit dem Erwerb eines Anteils an einem Aktienfonds werde zwar ein Anteil am Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft erworben. Da das zulässige Vermögen eines Aktienfonds u.a. aber auch Kapitalforderungen umfassen dürfe, sei der Anteilserwerb unter Einsatz von Lebensversicherungen insgesamt steuerschädlich.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 492 veröffentlichten Urteil vom 24. November 2005 10 K 1364/02 ab. Das FG entschied, Anteile an offenen Aktienfonds gehörten nicht zu den privilegierten Wirtschaftsgütern i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil das Vermögen eines Aktienfonds neben Aktien und GmbH-Anteilen auch Kapitalforderungen umfassen dürfe.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG. Er macht geltend, mit den Aktienfondsanteilen Wirtschaftsgüter angeschafft zu haben, die dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt seien. Ein Aktienfondsanteil sei keine Forderung und daher ein begünstigtes Wirtschaftsgut i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Umstand, dass zum Vermögen eines Aktienfonds auch Kapitalforderungen gehören könnten, stehe dem schon nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht entgegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 24. November 2005 10 K 1364/02 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen vom 31. Mai 2001 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2002 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zu den Lebensversicherungen des Klägers enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) rechtmäßig ist.
1. Nach §§ 179 Abs. 1 und 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung vom 16. Dezember 1994 (BGBl I 1994, 3834, BStBl I 1995, 3) stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind. Das trifft im Streitfall zu.
2. Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtig. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Die Beiträge zu den Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG können mit den in Abs. 2 derselben Vorschrift aufgeführten Einschränkungen als Sonderausgaben abgezogen werden.
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) --nunmehr: § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung-- gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a oder b EStG erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsverträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG abgezogen werden können (vgl. dazu im Einzelnen und mit Nachweisen zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift Senatsurteile vom 13. Juli 2004 VIII R 48/02, BFHE 207, 136, BStBl II 2004, 1060; VIII R 52/03, BFH/NV 2005, 181, und VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184). Anwendbar ist die Neufassung des Gesetzes, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nach dem 13. Februar 1992 zur Sicherung eines Darlehens dienen (vgl. § 52 Abs. 13a Satz 4 und Abs. 20 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 1992).
Die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs sind aber auch nach dieser erweiterten Fassung des Gesetzes nicht erfüllt:
a) Unstreitig sind die Lebensversicherungen des Klägers Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG.
b) Die Finanzierungskosten des Klägers für die Darlehen zum Erwerb der Aktienfondsanteile sind jedoch als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG abziehbar, so dass der Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG ausgeschlossen ist. Denn das ihm gewährte Darlehen hat der Kläger dazu verwendet, Aktienfondsanteile zu erwerben und daraus Kapitaleinnahmen zu erzielen. Die Darlehenszinsen sind daher als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen abzugsfähig.
c) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG nicht erfüllt. Diese Vorschrift setzt nach ihrem eindeutigen Wortlaut u.a. voraus, dass das Darlehen unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes dient, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist. Wie das FG zutreffend darlegt, hat der Gesetzgeber Forderungen selbst bei langfristiger Einkunftserzielungsabsicht nachträglich ausdrücklich als steuerschädlich von den begünstigten Wirtschaftsgütern ausgenommen (vgl. auch Schmidt/Heinicke, EStG, 25. Aufl., § 10 Rz. 189, m.w.N.). Mit dem Erwerb von Anteilen an offenen Aktienfonds hat der Kläger Anteile am Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft erworben (§ 6 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften --KAGG--, jetzt: § 2 Investmentgesetz). Nach § 8 KAGG (ab 1. Januar 2004 §§ 46 ff. i.V.m. § 2 Abs. 4 Investmentgesetz) enthält das zulässige Vermögen eines offenen Aktienfonds neben Aktien und GmbH-Anteilen typischerweise auch Kapitalforderungen. Da diese nach der gesetzlichen Regelung ausdrücklich nicht begünstigt sind, ist der Anteilserwerb steuerschädlich. Dieser Auffassung ist auch die Finanzverwaltung (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 15. Juni 2000 IV C 4 -S 2221- 86/00, BStBl I 2000, 1118 Rz. 12 und 13).
Soweit der Kläger sich insoweit darauf beruft, der Erwerb eines Anteils an einem Aktienfonds sei mit dem Erwerb von Anteilen an einer AG bzw. einer GmbH vergleichbar, vermag der Senat dem nicht zu folgen. AG und GmbH sind Kapitalgesellschaften und als juristische Personen des Privatrechts eigenständig Träger von Rechten und Pflichten. Das hat zur Folge, dass ihr Vermögen nicht den Anteilseignern, sondern der Kapitalgesellschaft selbst zuzurechnen ist. Erwirbt ein Anleger hingegen Anteile an einem Aktienfonds, so beteiligt er sich an einem Sondervermögen i.S. des § 6 Abs. 1 KAGG (jetzt: § 2 Abs. 2 Investmentgesetz) und erwirbt Bruchteilseigentum entsprechend seiner Beteiligungsquote. Unabhängig davon, ob das Rechtsverhältnis der Anleger am Sondervermögen in Form der sog. Treuhandlösung oder in Form der sog. Miteigentumslösung geregelt ist (vgl. Zeller in Brinkhaus/Scherer, KAGG, § 6 Rn. 4 ff.; Baur, Investmentgesetze, 2. Aufl., Einleitung I Rz. 73), sind die Anleger Miteigentümer am Fondsvermögen nach Bruchteilen gemäß §§ 1008, 741 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Bei der sog. Treuhandlösung stehen die Gegenstände des Sondervermögens zwar im formalen Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft, wirtschaftlich sind jedoch die Anteilsinhaber Eigentümer. Das formale (nicht aber wirtschaftliche) Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft beschränkt sich darauf, dass sie nur insoweit über die Gegenstände des Sondervermögens verfügen kann, als die gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften dies zulassen; das Rechtsverhältnis der Anleger untereinander ist auch hier als Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 1008, 741 ff. BGB anzusehen (vgl. Zeller in Brinkhaus/Scherer, a.a.O., § 6 Rn. 7; Baur, a.a.O., Einleitung I Rz. 73).
Die vom Kläger gezogenen Parallelen zum Erwerb der Instandhaltungsrücklage bei gebrauchten Eigentumswohnungen, zum Erwerb von Betrieben/Teilbetrieben bzw. zur Beteiligung an Personengesellschaften oder Grundstücksgemeinschaften sind ebenfalls nicht geeignet, zu einer anderen rechtlichen Bewertung zu führen. Hinsichtlich einer Instandhaltungsrücklage ist darauf hinzuweisen, dass diese in der Regel als Bankguthaben (Termingeld) angelegt ist. Es handelt sich damit um eine Forderung, die nicht mittels Policendarlehens finanziert werden darf. Soweit es um Betriebe oder Teilbetriebe geht, verkennt der Kläger, dass § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG lediglich die Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts begünstigt, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt ist. Der Betrieb als lebendiger Organismus definiert sich hingegen aus der Summe seiner wesentlichen Betriebsgrundlagen, d.h. der Summe derjenigen Wirtschaftsgüter, die nach der Art des Betriebs für dessen Funktionieren und die Erreichung des Betriebszwecks bedeutsam sind (vgl. Stahl in Korn, § 16 EStG Rz. 33). Und unter einem Teilbetrieb ist ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs anzusehen, der --für sich betrachtet-- alle Merkmale eines Betriebs i.S. des EStG aufweist und als solcher lebensfähig ist (vgl. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz. 143, m.w.N.). Der Erwerb eines Betriebs/Teilbetriebs gehört damit bereits nach dem Wortlaut der Regelung nicht zu den begünstigten Wirtschaftsgütern i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG.
Auch soweit es um die Beteiligung oder einen Anteil an Personengesellschaften oder Grundstücksgemeinschaften geht, handelt es sich nicht um Wirtschaftsgüter im steuerlichen Sinn; darauf weist auch die Finanzverwaltung hin (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1118 Rz. 11). Wenn die Finanzverwaltung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus für den Erwerb eines Betriebs oder eines Anteils an einer Personengesellschaft davon ausgeht, dass unter Einsatz von Lebensversicherungsansprüchen der Teil des Kaufpreises steuerunschädlich finanziert werden kann, der nach dem Verhältnis der durch den Kaufpreis realisierten Teilwerte/Verkehrswerte auf erworbene Wirtschaftsgüter, die dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt sind, ohne Forderungen, entfällt (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1118 Rz. 24), kann der Senat offenlassen, ob er dieser Auffassung folgen könnte. Zum einen handelt es sich insoweit um eine Billigkeitsregelung der Verwaltung, die den Senat nicht bindet. Zum anderen wäre nach dem hier gegebenen Sachverhalt eine derartige Aufteilung gar nicht möglich. Auch dürfte eine Differenzierung, ob --und wenn ja-- zu welcher Zeit und in welchem Umfang das Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft Forderungen oder keine solchen enthält, in der Praxis nicht durchführbar sein. Darauf hat bereits das FG hingewiesen. Im Übrigen geht die Finanzverwaltung in Rz. 25 des vorstehend genannten BMF-Schreibens aber davon aus, dass die von ihr für den Erwerb von Betrieben, Teilbetrieben oder Anteilen an Personengesellschaften vorgesehenen und über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Ausnahmeregelungen auf offene Aktien- oder Immobilienfonds nicht entsprechend anzuwenden sind.
Da eine Aufteilung in einen steuerschädlichen und einen steuerunschädlichen Teil nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht in Betracht kommt (Senatsurteile in BFHE 207, 136, BStBl II 2004, 1060; in BFH/NV 2005, 181, und in BFH/NV 2005, 184), konnte auch der hilfsweise gestellte Antrag des Klägers, aus dem Aktienfonds den Teil herauszurechnen, der auf den Erwerb begünstigter Wirtschaftsgüter entfällt, keinen Erfolg haben. Insgesamt ist damit eine steuerschädliche Verwendung gegeben, die in vollem Umfang zur Steuerpflicht der Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG führt.
Fundstellen
Haufe-Index 1674087 |
BFH/NV 2007, 336 |
BStBl II 2010, 18 |
BFHE 2008, 486 |
BFHE 215, 486 |
BB 2007, 201 |
DB 2007, 142 |
DStRE 2007, 282 |
DStZ 2007, 90 |
HFR 2007, 332 |