Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Ein Kleinwohnungsbau im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 a GrEStG ist auch dann gegeben, wenn im Zusammenhang mit der Errichtung des Kleinwohnungsbaus Garagen oder Abstellplätze für Kraftfahrzeuge miterrichtet werden. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Garagen oder Abstellplätze mit bestimmten Kleinwohnungen rechtlich und tatsächlich eine Einheit bilden und nur den Benutzern der jeweils in Betracht kommenden Wohnungen - oder etwaigen Besuchern - für deren Kraftfahrzeuge zur Verfügung stehen sollen.
Normenkette
GrEStG § 4/1/1/a; WGG 6/3; WGGDV §§ 8-11
Tatbestand
Die Bfin., ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen, hatte durch Vertrag vom 25. September 1957 eine größere Grundstücksfläche erworben, um darauf im Kleinwohnungsbau 108 Mietwohnungen, 60 Einfamilienhäuser und 32 Eigentumswohnungen zu errichten. Das Finanzamt stellte den Grundstückserwerb gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a GrEStG von der Grunderwerbsteuer frei.
Die Baupolizei machte die Erteilung der Baugenehmigung davon abhängig, daß die erforderliche Zahl von Garagen bzw. Abstellplätzen für Kraftfahrzeuge geschaffen werde. Daraufhin kaufte die Bfin. durch Vertrag vom 7. November 1957 ein weiteres Grundstück, das räumlich mit der auf Grund des Vertrages vom 25. September 1957 bereits erworbenen Grundstücksfläche zusammenhing. Auf diesem Grundstück sollten Garagen usw. für Kraftwagen geschaffen werden, um auf diese Weise die auf die Reichsgaragenordnung vom 17. Februar 1939 (RGBl I S. 219) gestützte Auflage der Baupolizei zu erfüllen. Dazu wurde vom Finanzgericht festgestellt: Die Garagen usw. werden umfriedet; ihre Einfahrt bleibt jedoch unverschlossen. Die Bfin. sollte das Eigentum an den Garagen behalten. Diese sollten den Eigentümern und Mietern der Kleinwohnungen für ihre Kraftfahrzeuge und für die Kraftfahrzeuge der Besucher unentgeltlich zur Verfügung stehen. Die Kosten für die Anlage und für Unterhaltung sollte die Bfin. tragen, ohne daß diese Kosten auf die Eigentümer oder Mieter der Kleinwohnungen abgewälzt wurden.
Das Finanzamt hat den Erwerbsvorgang vom 7. November 1957 durch Steuerbescheid vom 20. Januar 1958 zur Grunderwerbsteuer herangezogen, weil die zu errichtenden Garagen usw. nicht den Kleinwohnungsbauten zuzurechnen seien.
Einspruch und Berufung waren ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
Nach § 4 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a GrEStG sind von der Besteuerung ausgenommen,
"1. beim Kleinwohnungsbau im Sinn der Vorschriften über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen:
der Erwerb eines Grundstücks zur Schaffung von Kleinwohnungen durch ein Unternehmen, das als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen oder als Organ der staatlichen Wohnungspolitik anerkannt ist (gemeinnützige Bauträger),
...." Was unter einer Kleinwohnung im Sinne dieser Befreiungsvorschrift zu verstehen ist, wird durch § 6 Abs. 3 des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (WGG) vom 29. Februar 1940 (RGBl 1940 I S. 438) in Verbindung mit §§ 8 ff., insbesondere § 11 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen in der Fassung vom 25. April 1957 - WGGDV 1957 - (BGBl 1957 I S. 406) bestimmt. Nach § 9 Abs. 1 Buchst. g WGGDV 1957 darf das Wohnungsunternehmen unter anderem auch folgende Geschäfte betreiben: "die Errichtung und überlassung von Räumen für .... wirtschaftliche Einrichtungen, die nach den örtlichen Verhältnissen zur wirtschaftlichen Ausnutzung des Geländes sich als notwendig erweisen". Nach § 11 Abs. 6 WGGDV 1957 dürfen andere Räume, Anlagen und Einrichtungen, die mit Kleinwohnungen verbunden sind, errichtet oder erworben und überlassen werden. Dazu gehören z. B. Zubehörräume, Wirtschaftsräume, Gärten sowie Wirtschaftsteile und Landzulagen von Kleinsiedlungen. Daß auch Garagen hierher zu rechnen sind, ist nicht ausdrücklich bestimmt. Der Senat hat jedoch keine Bedenken, einen Kleinwohnungsbau im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a GrEStG auch dann zu bejahen, wenn im Keller des Gebäudes oder im Hofraum oder im Kleingarten des Grundstücks eine Garage oder ein Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug des jeweiligen Kleinwohnungsbenutzers errichtet wird. Eine solche Anlage kann in einer Zeit, in der die Bevölkerung weitgehend eigene Kraftfahrzeuge für berufliche und gewerbliche Zwecke verwendet, regelmäßig als im Rahmen des Kleinwohnungsbaus liegend erachtet werden. Das Schrifttum nimmt zu dieser Frage zwar nicht ausdrücklich Stellung. Im Kommentar zum WGG von Werner-Maier-Draeger ("Die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen", 2. Aufl. 1941, S. 121) wird zu § 8 Buchst. g WGGDV 1940 (jetzt § 9 Abs. 1 Buchst. g WGGDV 1957) ausgeführt, daß auch Garagen zu derartigen Baulichkeiten gehören können.
Das Finanzgericht hat diese Rechtslage nicht verkannt. Ihm ist auch darin zuzustimmen, daß die Befreiungsvorschrift nur auf solche Garagen usw. erstreckt werden kann, die mit bestimmten Wohngebäuden tatsächlich und rechtlich eine Einheit bilden und nach ihrem Umfang nur der Abstellung von Personenkraftwagen einzelner bestimmter Wohnungsinhaber dienen können. Zutreffend führt das Finanzgericht ergänzend aus: Es entspreche jedoch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die der Schaffung von Kleinwohnungen vorbehaltene Steuerbefreiung auch auf größere Abstellplätze zu erstrecken, die am Rande einer Großsiedlung auf besonderen, wenn auch mit dem Siedlungsgelände räumlich zusammenhängenden Grundstücksflächen angelegt werden. Derartige größere Abstellplätze, die der Abstellung zahlreicher - auch fremder - Kraftfahrzeuge zu dienen geeignet seien, aber tatsächlich und rechtlich nicht zu einer bestimmten Kleinwohnung gehörten, könnten an der Steuervergünstigung nicht teilnehmen.
In tatsächlicher Hinsicht geht jedoch das Finanzgericht davon aus, daß die Bfin. das Eigentum an den Garagen usw. behält und daß den Eigentümern und Mietern der Kleinwohnungen für ihre Kraftfahrzeuge und die Kraftfahrzeuge ihrer Besucher lediglich ein unentgeltliches Benutzungsrecht zusteht. Dabei ist nicht berücksichtigt worden, daß nach den Ausführungen der Bfin. im Schreiben an das Finanzamt vom 5. Februar 1958 beim Verkauf der Eigentumswohnungen bzw. der Einfamilienhäuser an die Erwerber die Garagen und Abstellplätze anteilig mitveräußert werden, damit die Erwerber, jeder für sich, die Möglichkeit haben, ihre Kraftfahrzeuge abzustellen. Hiernach ist es im Streitfall in tatsächlicher Hinsicht bedenklich, wenn das Finanzgericht meint, daß die Garagen usw. tatsächlich und rechtlich nicht zu einer ganz bestimmten Kleinwohnung gehören. Die Angelegenheit bedarf weiterer Aufklärung.
Bemerkt sei: Erforderlich ist nicht, daß sich das Grundstück, auf dem die jeweils in Betracht kommende Kleinwohnung errichtet wurde, und das Grundstück, auf dem sich die zugehörige Garage usw. befindet, einander berühren. Ein enger räumlicher Zusammenhang ist als ausreichend anzusehen. Soweit in dem Urteil des III. Senats III 129/54 U vom 17. September 1954 (BStBl 1954 III S. 335, Slg. Bd. 59 S. 325), das das bayerische Gesetz über Grundsteuerfreiheit und Gebührenfreiheit für den sozialen Wohnungsbau vom 28. November 1949 betrifft, bezüglich des räumlichen Zusammenhangs eine andere Auffassung vertreten hat, wird dieser Auffassung bei Auslegung des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 a GrEStG nicht beigetreten.
Die Bfin. hat die Nichtberücksichtigung ihrer tatsächlichen Ausführungen in dem vorbezeichneten Schreiben vom 5. Februar 1958 als wesentlichen Verfahrensmangel (ß 288 Nr. 2, § 296 Abs. 2 AO) innerhalb der Frist des § 290 Abs. 1, § 289 Abs. 2 AO ordnungsmäßig gerügt. Die angefochtene Entscheidung war somit aufzuheben und die nicht spruchreife Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409901 |
BStBl III 1961, 135 |
BFHE 1961, 364 |
BFHE 72, 364 |
StRK, GrEStG:4/1/1 R 18 |