Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblicher Grundstückshandel -- Zurechnung der Geschäfte der Personengesellschaft gegenüber dem Gesellschafter
Leitsatz (NV)
Grundstücksverkäufe einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind einem Gesellschafter bei der Prüfung, ob die Veräußerung eigener Grundstücke gewerblichen Charakter hat, grundsätzlich zuzurechnen.
Beim Verkauf von mehr als drei Objekten innerhalb von fünf Jahren nach dem Ankauf oder der Errichtung stellt die Zahl der Objekte in Verbindung mit dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Erwerb und Veräußerung ein Indiz für eine bedingte Veräußerungsabsicht dar, das nicht durch den Einwand entkräftet werden kann, der Kläger habe sich erst später zu einer Verwertung durch Verkauf entschlossen oder sei dazu durch von seinem Willen unabhängige Gründe gezwungen worden.
Ist der An- und Verkauf von Wohnungen Gegenstand der gewerblichen Betätigung des Klägers, ist für die Einbeziehung einzelner Geschäftsvorfälle in den von diesem betriebenen gewerblichen Grundstückshandel nicht die Feststellung erforderlich, daß der Vermögensgegenstand einer Mehrzahl von Personen angeboten worden ist.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1; GewStG § 2 Abs. 1 S. 2; GewStDV 1979 § 1 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der A GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Errichtung und Veräußerung von Wohngebäuden ist. Außerdem ist sie seit 1978 zu 50 % an einer Grundstücksgesellschaft beteiligt, die Anfang der 80er Jahre 60 bis 80 Eigentumswohnungen errichtet und veräußert hat. Seit 1980 ist sie ferner mit einem Drittel an einer weiteren Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts beteiligt, die sich ebenfalls im gewerblichen Grundstückshandel betätigt.
Zusammen mit der A GmbH und zwei weiteren Bauherren hat die Klägerin ein 1981 fertiggestelltes Objekt errichtet, bei dem sie an zwei Ladenlokalen und einer Diskothek Sondereigentum und an einer der Diskothek als Wirtswohnung zugeordneten Einheit Wohnungseigentum erhielt. Diese Wohnung hat die Klägerin im Dezember 1981 verkauft. Von ihrem übrigen Grundbesitz in dem Objekt, den sie vermietete, hat sie Anfang 1985 eines der Ladenlokale veräußert.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) sieht den Verkauf der Wohnung als gewerbliche Betätigung an. Er hat für das Streitjahr einen Gewerbesteuermeßbescheid erlassen. Dagegen hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben, der das Finanzgericht (FG) statt gegeben hat.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) und eine Versagung des rechtlichen Gehörs gerügt werden.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich u. a. auf ihr Vorbringen in der Vorinstanz, daß es sich um ein ursprünglich als Wirtswohnung für die Diskothek errichtetes Objekt handle. Die Wohnung habe zusammen mit der Diskothek langfristig im Bestand gehalten werden sollen. Nur weil der Mieter der Diskothek auf die Wohnung keinen Wert gelegt habe und erst auf mehrfaches Begehren einer Mieterin, die mit ihrer Familie persönlich eng verbunden sei, habe sie sich entschlossen, die Wohnung doch zu veräußern. Zu keiner Zeit habe sie sich jedoch mit einer Verkaufsabsicht an den allgemeinen Markt gewandt.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Revisionsverfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das Urteil des FG verletzt § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1981, § 1 Abs. 1 GewStDV i. d. F. der Bekanntmachung vom 26. Januar 1979 (BGBl I 1979, 114). Der Verkauf der streitigen Wohnung fällt in den von der Klägerin mitunternehmerisch betriebenen gewerblichen Grundstückshandel.
1. Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Juli 1995 GrS 1/93 (BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617) können Grundstücksverkäufe einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einem Gesellschafter, der auch eigene Grundstücke veräußert, in der Weise zugerechnet werden, daß unter Einbeziehung dieser Veräußerungen ein gewerblicher Grundstückshandel des Gesellschafters besteht. Der Große Senat hat dazu ausgeführt, im Interesse einer sachlich zutreffenden Besteuerung des Gesellschafters seien alle ihm zuzurechnenden Tätigkeiten auf dem Gebiet des Grundstückshandels in eine Gesamtwürdigung am Maßstab des § 2 GewStG, § 2 Abs. 1 i. V. m. § 15 Abs. 1 EStG einzubeziehen. Wirtschaftliche Aktivitäten, die der Steuerpflichtige in seiner Person tätige, die aber als solche die im Steuertatbestand vorausgesetzte Nachhaltigkeit nicht erreichten, könnten in einer Gesamtschau mit einer mitunternehmerischen Betätigung als gewerblich bewertet werden. In Anbetracht der Grundsätze über die subjektive Anknüpfung des Steuertatbestands mache es dabei für die Beurteilung des gewerblichen Unternehmens "Grundstückshandel" keinen Unterschied, ob die unter Beteiligung Dritter abgewickelten Grundstücksgeschäfte auf der Gesellschaftsebene gewerblich oder lediglich vermögensverwaltend seien. Die eigene Tätigkeit des Beteiligten sei in beiden Fällen steuerrechtlich gleichwertig. Der Gesellschafter dürfe nicht unterschiedlich besteuert werden je nachdem, ob An- oder Verkäufe statt von der Gesellschaft von ihm selbst getätigt werden. Das schließe jedoch nicht aus, daß der Mitunternehmer einer gewerblich tätigen Grundstücksgesellschaft -- ebenso wie ein Einzelunternehmer -- in eigener Person Grundstücke privat verwalten könne. Insoweit komme es auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an.
Das FG hat im Gegensatz zu dieser Rechtsprechung angenommen, die Einheit der Personengesellschaft schließe es aus, einer wegen geringer Objektzahl für sich betrachtet nicht gewerblichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen durch ihren sachlichen Zusammenhang mit einer mitunternehmerischen Beteiligung des Steuerpflichtigen an einem gewerblichen Grundstückshandel einen gewerblichen Charakter zu verleihen. Das Urteil des FG verletzt daher Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Es ist aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet. Der Verkauf der sog. Wirtswohnung hat -- bei Einbeziehung der sonstigen mitunternehmerichen Betätigungen der Klägerin auf dem Gebiet des gewerblichen Grundstückshandels -- gewerblichen Charakter. Es liegen keine besonderen Umstände vor, die den Verkauf der Wohnung trotz seines sachlichen Zusammenhangs mit dem von der Klägerin betriebenen Grundstückshandel und des dadurch indizierten gewerblichen Charakters des streitigen Grundstücksgeschäfts als reine Vermögensverwaltung erscheinen lassen. Das Vorbringen der Klägerin, sie habe die fragliche Wohnung nicht auf dem allgemeinen Grundstücksmarkt angeboten, sondern lediglich entgegen ihrer eigentlichen Absicht wegen des Drängens der späteren Erwerberin und mit Rücksicht auf die persönlichen Beziehungen zu dieser veräußert, rechtfertigt die Annahme solcher besonderer Umstände aus folgenden Gründen nicht:
a) Keine gewerbliche Betätigung, sondern private Vermögensverwaltung liegt vor, wenn für den Steuerpflichtigen nach den äußerlich feststellbaren Umständen nicht die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung, sondern die Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus grundsätzlich zu erhaltenden Substanzwerten im Vordergrund steht. Beim Verkauf von mehr als drei Objekten innerhalb von fünf Jahren nach dem Ankauf oder der Errichtung stellt die Zahl der Objekte in Verbindung mit dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Erwerb und Veräußerung ein Indiz dar, das in der Regel -- wenn nicht eindeutige Anhaltspunkte für das Gegenteil bestehen -- zu dem Schluß zwingt, daß eine -- zumindest bedingte -- Veräußerungsabsicht von Anfang an bestanden hat und daher gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen ist (BFH-Entscheidungen vom 2. September 1992 XI R 21/91, BFHE 171, 31, BStBl II 1993, 668, und vom 5. September 1990 X R 107--108/ 89, BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060 sowie Senats-Urteil vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143). Nach der Rechtsprechung des BFH kann der Steuerpflichtige in diesem Fall gegen die Bewertung seiner Tätigkeit als gewerblich nicht mit Erfolg einwenden, er habe sich erst später zu einer Verwertung durch Verkauf der Objekte entschlossen, zunächst jedoch eine Fruchtziehung durch Vermietung beabsichtigt (BFH- Urteile vom 17. Januar 1973 I R 191/72, BFHE 108, 190, BStBl II 1973, 260; vom 15. Dezember 1971 I R 179/68, BFHE 104, 77, BStBl II 1972, 279, und in BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060 sowie die Urteile des Senats vom 23. Oktober 1987 III R 275/83, BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293, und in BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143). Denn die bloße Behauptung, die Objekte hätten nicht veräußert, sondern langfristig durch Vermietung genutzt werden sollen, kann die Beweisanzeichen für eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht nicht erschüttern, die sich aus dem Weiterverkauf innerhalb kurzer Zeit nach dem Erwerb ergeben (Senats-Urteil in BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143).
Besondere Umstände, die dazu führen, daß trotz Verkaufs von mehr als drei Objekten innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb eine (bedingte) Veräußerungsabsicht nicht anzunehmen ist, können allerdings dann anzuerkennen sein, wenn über die Wohnungen zunächst langfristige Mietverträge abgeschlossen worden sind und sie dadurch nur noch eingeschränkt durch Veräußerung verwertbar waren (BFH-Urteil vom 28. September 1987 VIII R 46/84, BFHE 151, 74, BStBl II 1988, 65). Hingegen steht es nach der Rechtsprechung des BFH der Annahme einer bedingten Veräußerungsabsicht grundsätzlich nicht entgegen, daß der Steuerpflichtige durch von seinem Willen unabhängige, wichtige Gründe gezwungen worden sein mag, seine (angebliche) Absicht, zu vermieten, aufzugeben und sich zum Verkauf zu entschließen (BFH-Urteil vom 8. August 1979 I R 186/78, BFHE 129, 177, BStBl II 1980, 106 sowie Senats-Urteile vom 6. April 1990 III R 28/87, BFHE 160, 494, BStBl II 1990, 1057, und in BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143). Nur ausnahmsweise kann angenommen werden, daß ein Grundstücksgeschäft nach der Verkehrsauffassung deshalb nicht als gewerblich anzusehen ist, weil sich der Steuerpflichtige zu einem Verkauf gezwungen gesehen hat und ohne den Verkauf an einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung des Grundstücks überhaupt gehindert gewesen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 17. Dezember 1970 IV R 286/66, BFHE 101, 520, BStBl II 1971, 456).
Daß solche Umstände vorgelegen haben, hat indes die Klägerin selbst nicht behauptet. Sie hat auch keinen langfristigen Mietvertrag über die Wohnung abgeschlossen. Sie macht lediglich sinngemäß geltend, aus der Zuordnung der Wirtswohnung zu der Diskothek ergebe sich, daß ihr bei der Errichtung des Objekts und dem Erwerb des Wohnungseigentums eine Veräußerungsabsicht gefehlt habe. Dieses Vorbringen gestattet es jedoch schon deshalb nicht, die Veräußerungsabsicht der Klägerin zu verneinen, weil die Klägerin noch innerhalb des 5-Jahres-Zeitraums nach Fertigstellung des Objekts eine weitere, für eine gewerbliche Nutzung bestimmte Einheit veräußert hat; angesichts der Zuordnung der Wirtswohnung zu der Diskothek als ebenfalls gewerblicher Nutzungseinheit leuchtet deshalb nicht ein, warum die Klägerin gerade bei dieser -- nach ihrer ursprünglichen Nutzungsplanung aus Diskothek und Wirtswohnung bestehenden -- Einheit eine (bedingte) Verkaufsabsicht nicht gehabt haben sollte. Selbst wenn die Klägerin also anhand objektiver äußerer Merkmale dartun könnte, daß sie sich um die Vermietung ernstlich und nachhaltig bemüht hat, würde dies den Schluß auf eine fehlende (bedingte) Veräußerungsabsicht nicht rechtfertigen.
b) Die Klägerin hat mit dem Verkauf der Wohnung auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen und erfüllt damit auch dieses Merkmal einer gewerblichen Betätigung. Die (angebliche) enge persönliche Verbundenheit mit der Erwerberin und deren Initiative beim Verkauf stehen dem nicht entgegen.
Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert, daß eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1993 IV R 66-67/91, BFHE 173, 313, BStBl II 1994, 463 m. w. N.). Für den Bereich des gewerblichen Grundstückshandels hat es dabei der BFH genügen lassen, daß die Verkaufsabsicht nur einem kleinen unabgeschlossenen Kreis von Personen -- unter Umständen auch nur einer einzigen Person -- bekannt wird und der Verkäufer damit rechnet, die Verkaufsabsicht werde sich herumsprechen (BFH-Urteile in BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143, und in BFHE 173, 313, BStBl II 1994, 463). Das gilt insbesondere, wenn der Verkäufer -- wie hier die Klägerin -- Kontakte nutzen kann, über die er aufgrund seiner sonstigen Tätigkeit im Bereich von Grundstücksgeschäften verfügt (vgl. BFH-Urteile vom 31. Januar 1980 IV R 13/76, BFHE 130, 34, BStBl II 1980, 318, und vom 10. August 1983 I R 120/80, BFHE 139, 386, BStBl II 1984, 137). Selbst wenn sich die Verkaufsbereitschaft von vornherein auf einen bestimmten Kaufinteressenten beschränkt, z. B. weil das Objekt für diesen beschafft oder hergestellt worden ist (BFH- Urteil in BFHE 173, 313, BStBl II 1994, 463 m. w. N.) oder aus persönlichen Gründen gerade an ihn veräußert werden soll (BFH- Urteil vom 22. November 1988 VIII R 184/84, BFH/NV 1989, 726), fehlt es nicht an einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Vorausgesetzt wird dabei nur, daß der Steuerpflichtige grundsätzlich offen ist, auch mit anderen Interessenten Verträge abzuschließen, wenn diese von dem Objekt erfahren und sich das Geschäft mit dem zunächst an ihn herangetretenen Verhandlungspartner nicht verwirklichen läßt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 726). Im übrigen ist bei der Würdigung der Betätigung des Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht isoliert auf ein einzelnes Geschäft abzustellen, wenn dieses sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Rahmen einer von ihm -- allein oder mitunternehmerisch -- ausgeübten Tätigkeit hält (BFH-Urteil vom 8. März 1989 X R 108/87, BFHE 156, 218, BStBl II 1989, 572).
Da Gegenstand der gewerblichen Betätigung der Klägerin der Ankauf und Verkauf von Wohnungen ist, ist es also für die Einbeziehung einzelner Geschäftsvorfälle wie des Verkaufs der Wirtswohnung nicht erforderlich festzustellen, daß der einzelne Vermögensgegenstand einer Mehrzahl von Personen angeboten worden ist (vgl. BFH- Urteil in BFHE 173, 313, BStBl II 1994, 463).
Fundstellen
Haufe-Index 421165 |
BFH/NV 1996, 606 |
BFH/NV 1996, 607 |