Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Sind bei der Veranlagung des Abgabepflichtigen zur Vermögensabgabe HGA-Schulden bzw. Umstellungsgrundschulden in Abzug gebracht worden, so ist die Vermögensabgabeveranlagung gemäß § 38 der 10. AbgabenDV-LA gegebenenfalls auch dann zu ändern, wenn die HGA-Veranlagung erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Vermögensabgabebescheides durchgeführt worden ist.
Soweit die änderung der Vermögensabgabeveranlagung auf der Anwendung des § 38 der 10. AbgabenDV-LA beruht, kommt es nicht darauf an, ob neue Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 AO vorliegen.
Normenkette
10. AbgabenDV-LA 38; AO § 222 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist, in welchem Umfange eine Berichtigung des Schuldabzuges bei der rechtskräftigen Vermögensabgabeveranlagung des Bg. auf Grund des § 38 der Zehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (10. AbgabenDV-LA) vom 28. Juni 1954 zulässig und berechtigt ist.
Der Bg. war am Währungsstichtage Inhaber einer Praxis als Helfer in Steuersachen. Außerdem war er am Betriebsvermögen mehrerer Firmen beteiligt sowie Eigentümer mehrerer Grundstücke, von denen das eine, das Geschäftsgrundstück A.- Straße 29, bereits im Rahmen des Betriebsvermögens der Firma X. miterfaßt worden ist. Das abgabepflichtige Rohvermögen, das auf der Grundlage der Einheitswerte des Betriebsvermögens und des Grundvermögens errechnet worden ist, soweit diese auf den Bg. und seine Ehefrau entfallen, beträgt unstreitig 110.000 DM.
Das Finanzamt ließ hiervon im Rahmen der ursprünglichen Vermögensabgabeveranlagung nur die auf dem Grundstücke B.-Straße 55 lastenden Umstellungsgrundschulden und 1/10-Rechte aus Hypotheken und Abgeltungslasten in einer Höhe von 45.000 DM bzw. 5.000 DM zum Abzuge zu, die sich auf Grund der Feststellungen des Betriebsprüfers anläßlich einer im Dezember 1953 beim Bg. durchgeführten Betriebsprüfung ergab.
Den ursprünglichen Vermögensabgabebescheid, in dem nach Abzug der vorerwähnten Schulden ein abgabepflichtiges Vermögen von 60.000 DM (abgerundet) ermittelt worden war, berichtigte das Finanzamt zunächst gemäß § 92 Abs. 3 AO in der Weise, daß es auch die auf dem Grundstücke A.- Straße 29 lastenden privaten (nicht betrieblichen) Hypothekenverbindlichkeiten zum Abzuge zuließ. Unter Berücksichtigung dieser Hypothekenverbindlichkeiten in Höhe von 10.000 DM, wovon nach dem vorerwähnten Betriebsprüfungsberichte 9.000 DM auf Umstellungsgrundschulden und 1.000 DM auf die privaten 1/10-Hypothekenrechte entfielen, verblieb nur ein abgabepflichtiges Vermögen in Höhe von rund 50.000 DM, das der nach § 92 Abs. 3 AO berichtigten Vermögensabgabeveranlagung zugrunde gelegt wurde. Der am 2. Juni 1955 erlassene berichtigte Bescheid wurde nicht angefochten.
Am 13. Juni bzw. am 13. November 1957 erhielt das Finanzamt von dem für die Veranlagung der Hypothekengewinnabgabe (HGA) zuständigen Finanzamt zwei Mitteilungen, nach deren Inhalt die auf dem Grundstücke A.- Straße 29 lastenden HGA-Schulden nur 7.000 DM, die auf dem Grundstücke B.-Straße 35 lastenden nur 38.000 DM betrugen.
Das Finanzamt erließ daraufhin einen gemäß § 38 der 10. AbgabenDV-LA geänderten Bescheid, wobei es außer den mitgeteilten HGA-Schulden im Gesamtbetrage von 45.000 DM auch die 1/10-Rechte und sonstigen Grundstückslasten in der Höhe zum Abzuge brachte, wie sie sich aus den Mitteilungen des Finanzamts ergab, d. h. für das Grundstück A.- Straße 29 in Höhe von 3.500 DM, für das Grundstück B.-Straße 55 in Höhe von 4.000 DM. Nunmehr verblieb nach Abzug der Schulden im Gesamtbetrage von 52.500 DM ein abgabepflichtiges Vermögen von 57.500 DM (abgerundet).
Gegen diesen Bescheid legte der Bg. Einspruch ein, in dem er ausführte, die der HGA unterworfenen Grundstücksbelastungen hätten ursprünglich 52.000 DM betragen. Wenn sie sich wegen der Berücksichtigung von Kriegsschäden nachträglich gemindert hätten, so liege deswegen kein Grund zu einer Erhöhung der Vermögensabgabe vor.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung wird ausgeführt, der über die Vermögensabgabe erteilte Bescheid sei ohne Rücksicht auf seine eventuelle Rechtskraft gemäß § 38 der 10. AbgabenDV-LA zu ändern bzw. durch einen neuen Bescheid zu ersetzen, sobald sich der für die Vermögensabgabe nach § 210 Nrn. 2 und 3 LAG maßgebende Wert der HGA ändere.
Das Finanzgericht hat die Einspruchsentscheidung und den angefochtenen Vermögensabgabebescheid abgeändert. Die Vorinstanz hat es zwar als berechtigt anerkannt, daß die gemäß § 100 LAG eingetretene Minderung der auf dem Grundstücke A.- Straße 29 ruhenden HGA-Lasten um den Betrag von 2.000 DM auch den Schuldabzug bei der Vermögensabgabe nach § 210 LAG in Verbindung mit § 38 der 10. AbgabenDV-LA entsprechend verringere, hat aber die auf Grund der Mitteilung des HGA-Finanzamtes ebenfalls vorgenommene Verminderung der auf dem Grundstücke B.-Straße 55 ruhenden HGA-Lasten und 1/10-Rechte nicht anerkannt und den im berichtigten Vermögensabgabebescheide vorgenommenen Schuldabzug insoweit wieder um 8.000 DM erhöht, weil es die Auffassung vertrat, die Tatsachen, die zu der vom HGA-Finanzamt mitgeteilten Verringerung der abzugsfähigen HGA und sonstigen Grundstückslasten bezüglich dieses Grundstückes geführt hätten, seien keine neuen Tatsachen. Sie seien vielmehr bereits aus dem Betriebsprüfungsbericht für die Firma X. Nachf. ersichtlich gewesen, in dessen Tz. 32 der vorerwähnte Betrag von 8.000 DM als kreditgewinnabgabepflichtiges Abgeltungsdarlehen aufgeführt werde. Da diese Tatsachen dem Finanzamt also bereits bei der ursprünglichen Veranlagung bekannt gewesen seien, zumindest als ihm bekannt gelten müßten, lägen insoweit die Voraussetzungen für eine änderung des ursprünglichen unanfechtbaren Vermögensabgabebescheides im Hinblick auf § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO nicht vor. Das Finanzgericht hat andererseits auch die Erhöhung der auf dem Grundstück A.- Straße 29 ruhenden Hypothekenlasten um den Betrag von 2.500 DM, die sich ebenfalls aus der Mitteilung des HGA-Finanzamts ergab, nicht anerkannt.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts insbesondere fehlerhafte Anwendung des § 38 Abs. 1 der 10. AbgabenDV-LA, für dessen Anwendung nicht vorausgesetzt werde, daß dem Finanzamt die richtige Höhe der absetzbaren HGA bis zum Erlaß des Bescheides unbekannt gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Die Vorschrift des § 38 der 10. AbgabenDV-LA bestimmt in ähnlicher Weise wie § 218 Abs. 4 AO, daß im Falle einer änderung der nach § 210 Nrn. 2 und 3 LAG abzugsfähigen HGA-, Kreditgewinnabgabe (KGA)- oder Soforthilfesonderabgabe (SHS)-Beträge auf Grund geänderter oder berichtigter Abgabebescheide der bereits erlassene Vermögensabgabebescheid durch einen neuen Bescheid zu ersetzen ist, der dieser änderung Rechnung trägt. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der ursprüngliche Abgabebescheid bereits unanfechtbar geworden ist oder nicht. Dies gilt auch dann, wenn der ursprüngliche Vermögensabgabebescheid erlassen worden ist, ehe ein HGA-, KGA- oder SHA-Bescheid über die Höhe der im Rahmen der Vermögensabgabe abzugsfähigen Abgabeschulden ergangen war. Nach der zu § 218 Abs. 4 AO ergangenen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 357/54 U vom 10. November 1955, BStBl 1955 III S. 398, Slg. Bd. 61 S. 519) ist eine Folgeänderung im Sinne des § 218 Abs. 4 AO auch dann vorzunehmen, wenn ein Feststellungsbescheid erstmals nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Einzelveranlagung ergangen ist. Bei der im wesentlichen gleichen Rechtslage, die sich bei der Anwendung des § 38 der 10. AbgabenDV-LA ergibt, sind die vorerwähnten Grundsätze der Rechtsprechung zu § 218 Abs. 4 AO auch auf Anwendungsfälle des § 38 der 10. AbgabenDV-LA zu übertragen. Daraus ergibt sich, daß die vom HGA-Finanzamt mitgeteilten änderungen in der Höhe der HGA-Belastung des Bg. auch zu einer änderung der Vermögensabgabeveranlagung in dem mitgeteilten Umfange führen müssen. Daß darüber hinaus die Durchführung der Berichtigung insoweit auch von der Feststellung neuer Tatsachen abhängig sei, wie das Finanzgericht in dem angefochtenen Urteil angenommen hat, ist unzutreffend. Es braucht deshalb auf die Frage, ob und in welchem Umfange die mitgeteilten änderungen der HGA-Lasten für das Finanzamt auch neues Tatsachenmaterial bedeuteten, nicht näher eingegangen zu werden. Vielmehr ist die Berichtigung des Abzuges der HGA-Lasten schlechthin als Folgeänderung allein auf Grund der Tatsache der geänderten bzw. jetzt erst erlassenen HGA-Bescheide durchzuführen. Der Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist daher insoweit in vollem Umfange stattzugeben.
Die weiteren änderungen des unanfechtbaren Vermögensabgabebescheides, die das Finanzamt im Hinblick auf die mitgeteilten änderungen in der Höhe und im Bestand von Hypothekenschulden und sonstigen Grundstückslasten vorgenommen hat, sind durch die Vorschrift des § 38 der 10. AbgabenDV-LA nicht gedeckt. Denn diese Vorschrift beschränkt sich nach ihrem klaren Wortlaut auf änderungen in der Höhe der Abgabeschulden, bezieht sich aber nicht auf Veränderungen oder andersartige Feststellungen über die Höhe der Grundpfandrechte, aus denen die HGA- und KGA- Schulden hervorgegangen sind (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs III 289/60 U vom 24. August 1962, BStBl 1962 III S. 460).
Der Rb. des Vorstehers des Finanzamts, die sich auf die uneingeschränkte Berücksichtigung der durch die HGA-Veranlagungen veranlaßten änderung in der Höhe der HGA-Schulden beschränkt, war demnach in vollem Umfange zu entsprechen.
Fundstellen
Haufe-Index 410756 |
BStBl III 1963, 347 |
BFHE 1964, 85 |
BFHE 77, 85 |