Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Als Hausgewerbetreibende im Sinne des § 11 Abs. 3 GewStG sind auch Zusammenschlüsse von Personen anzusehen, die Hausgewerbetreibende im Sinne des § 2 HAG vom 14. März 1951 (BGBl 1951 I S. 191) sind.
Normenkette
GewStG § 11 Abs. 3; GewStDV § 22
Tatbestand
Im Jahre 1956 schlossen sich A. und B. zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, der Bgin., zusammen, in deren Namen und für deren Rechnung sie ohne fremde Hilfskräfte Polier- und Beizarbeiten für zwei Möbelhersteller ausführten. Diese Tätigkeit verrichteten die Gesellschafter in Räumen, die im Eigentum ihrer Auftraggeber standen, über die ihnen aber die ausschließliche Verfügung eingeräumt war. Ein Mietzins für die überlassung der Räume wurde nicht gesondert bezahlt, sondern - wie die Auftraggeber bescheinigten - bei der Berechnung der Preise für die durchgeführte Oberflächenbearbeitung berücksichtigt.
Das Finanzamt erkannte der Bgin. die im § 11 Abs. 3 GewStG für Hausgewerbetreibende vorgesehene Ermäßigung der Steuermeßzahlen auf die Hälfte nicht zu.
Der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Berufung gab das Finanzgericht statt. Es erkannte die von der Bgin. genutzten, den Auftraggebern gehörenden Räume als eigene Betriebstätte der Bgin. an.
In der Rb. des Vorstehers des Finanzamts wird unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gerügt. Es fehle an dem Hinausverlegen einer Tätigkeit aus der Betriebstätte des Auftraggebers und an einer eigenen Betriebstätte der Bgin. Nach dem Wortlaut des § 22 GewStDV 1955 könnten nur natürliche Personen Hausgewerbetreibende sein, nicht aber Gesellschaften bürgerlichen Rechts, wie die Bgin.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts muß ohne Erfolg bleiben.
Nach den Bestimmungen in § 22 GewStDV 1955 - soweit sie hier in Betracht kommen - gelten als Hausgewerbetreibende im Sinne des § 11 Abs. 3 GewStG natürliche Personen, die Hausgewerbetreibende im Sinne des § 2 des Heimarbeitsgesetzes (HAG) vom 14. März 1951 (BGBl 1951 I S. 191) sind. Nach dieser Gesetzesbestimmung gehört es zum Begriff des Hausgewerbetreibenden, daß die in der Bestimmung näher bezeichneten Tätigkeiten "in eigener Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder Betriebstätte)" ausgeübt werden.
Im vorliegenden Falle haben die Gesellschafter der Bgin. ihre gewerbliche Tätigkeit unstreitig in Räumen ausgeübt, die ihnen von ihren Auftraggebern zur ausschließlichen Verfügung überlassen waren und die ausschließlich von ihnen benutzt wurden. Die Räume sind daher - wie auch die Rb. nicht verkennt - als Betriebstätte im Sinne des § 16 des Steueranpassungsgesetzes der Bgin. zuzurechnen. Der Bf. ist allerdings der Meinung, daß der Begriff der eigenen Betriebstätte des § 2 HAG eng auszulegen sei. Es liege im Wesen der Hausindustrie, daß eine Tätigkeit des Gewerbetreibenden, die er sonst durch Arbeiter oder Angestellte in seiner Betriebstätte verrichten lassen würde, aus dieser zur selbständigen Erledigung durch unabhängige Gewerbetreibende hinausverlegt wird. Dem ist an sich zuzustimmen. Der Bf. übersieht aber, daß im vorliegenden Falle diese Verlegung stattgefunden hat. Denn mit der überlassung der ausschließlichen Verfügungsgewalt an die Bgin. sind die Räume als Teile der Betriebstätten der Auftraggeber ausgeschieden und die darin ausgeübte Tätigkeit aus den Betriebstätten der Auftraggeber hinausverlegt. Es ist der Rb. zuzustimmen, daß eine klare Trennung zwischen dem Betrieb der Auftraggeber und dem der Hausgewerbetreibenden vorliegen muß. Aus dem Akteninhalt sind aber keine Unklarheiten zu ersehen, die in diesem Punkt zu einer Beanstandung der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz führen könnten.
Nach Auffassung des Bf. kann der Bgin. die Vergünstigung nach § 11 Abs. 3 GewStG auch deswegen nicht zuerkannt werden, weil sie ihr Gewerbe in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ausübt. Auch dieser Einwand greift nicht durch. In der Ersten, der Zweiten und der Dritten GewStDV vom 26. Februar 1937, 20. Februar 1938 und 31. Januar 1940 umfaßte die Begriffsbestimmung der Hausgewerbetreibenden neben natürlichen Personen ausdrücklich auch Personenzusammenschlüsse. Erst in § 25 GewStDV 1950 und § 22 GewStDV 1955 ist die ausdrückliche Aufführung der Personenzusammenschlüsse unterblieben; hingegen ist in Abschn. 11 Abs. 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1951, 1955 und 1958 ausgesprochen, daß als Hausgewerbetreibende auch Zusammenschlüsse von Personen zu behandeln sind, die Hausgewerbetreibende sind. Gegen die hierin liegende Gesetzesauslegung sind Bedenken nicht zu erheben. Nach § 11 Abs. 3 GewStG ermäßigen sich die Steuermeßzahlen des Abs. 2 Ziff. 1 a. a. O. auf die Hälfte. Dies sind die Steuermeßzahlen für natürliche Personen und für Gesellschaften im Sinne des § 2 Abs. 2 Ziff. 1 des Gesetzes, zu denen auch die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft gehört. Auch mit dem Zweck des Gesetzes steht die Bestimmung der Richtlinien nicht in Widerspruch. Die steuerliche Begünstigung trägt ebenso wie die sozialen Maßnahmen des HAG der Schutzbedürftigkeit der Hausgewerbetreibenden Rechnung. Es kann davon ausgegangen werden, daß die Schutzbedürftigkeit eines Gewerbetreibenden, der die Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 HAG erfüllt, insbesondere selbst wesentlich am Stück mitarbeitet, nicht dadurch ausschlaggebend vermindert wird, daß er sich mit einem anderen Gewerbetreibenden zum Zwecke der Ausübung des Hausgewerbes zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zusammenschließt. Aus den aufgeführten Gründen ist die Annahme berechtigt, daß § 22 GewStDV 1955 auch in seinem jetzigen Wortlaut Zusammenschlüsse von Hausgewerbetreibenden nicht von der steuerlichen Vergünstigung ausschließen wollte.
Hiernach war die Rb. des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409644 |
BStBl III 1960, 160 |
BFHE 1960, 427 |
BFHE 70, 427 |