Entscheidungsstichwort (Thema)
Miteigentumsanteil an einem Grundstück als gewillkürtes Betriebsvermögen nach Hinzuerwerb des Anteils des anderen Miteigentümers
Leitsatz (amtlich)
Ein zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörender Miteigentumsanteil an einem Grundstück verliert die Betriebsvermögenseigenschaft nicht dadurch, daß der Anteil des anderen Miteigentümers hinzuerworben, aber nicht dem Betriebsvermögen zugeordnet wird, sondern Privatvermögen bleibt.
Orientierungssatz
1. Gegenstand der Bilanzierung ist auch bei Miteigentum (hier: an einem Grundstück) nicht ein Anteilsrecht, sondern die Sache selbst; das Recht bildet gemäß § 240 HGB und gemäß § 39 AO 1977 lediglich den zureichenden Grund (Rechtstitel) für die Aufnahme der Sache in die Bilanz (vgl. BFH-Urteil vom 26.1.1978 IV R 160/73). Auch nach der Rechtsprechung des RG und des BGH ist das Recht des Miteigentümers nach Bruchteilen in seinem Wesen dem Sacheigentum gleichartig, also Eigentum und ein selbständiges Recht wie das Recht als ganzes, bei dem die Miteigentumsquote allein den Umfang des Rechts beschreibt (vgl. BGH-Urteil vom 14.2.1962 IV ZR 156/61). Auch für Zwecke des Ausweises von gewillkürtem Betriebsvermögen einschließlich des gewillkürten Sonderbetriebsvermögens ist das Bruchteilseigentum dem Alleineigentum mit der Maßgabe gleichzustellen daß auch insoweit der bilanzielle Ausweis durch die Miteigentumsquote begrenzt wird.
2. Wird ein Gebäude teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, teils zu Wohnzwecken durch Vermietung oder Eigenverbrauch genutzt, sind die einzelnen Gebäudeteile gesondert zu behandeln, sei es als notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen, sei es als Privatvermögen (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 26.11.1973 GrS 5/71).
3. Der Antrag, einen fremdbetrieblich genutzten Grundstücksteil im Wege der Bilanzberichtigung auszubuchen, ist keine Entnahme (vgl. BFH-Urteil vom 1.12.1976 I R 73/74).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 5 Abs. 1; HGB § 240; AO 1977 § 39
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine offene Handelsgesellschaft (OHG), aus der nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden. Entstanden ist die Klägerin durch Einbringung des von ihrem (inzwischen verstorbenen) Gesellschafter D betriebenen Einzelunternehmens in eine von D mit seinen Töchtern K und L gegründete Kommanditgesellschaft (KG), die seit dem Tode des D von K und L als OHG fortgeführt wird.
In den Bilanzen des Einzelunternehmens und später auch der KG wurde auch das dem D und seiner Ehefrau als Miteigentümern nach Bruchteilen zu je 1/2 gehörende bebaute Grundstück (Grund und Boden sowie Gebäude) E-Straße ausgewiesen. Dieses Grundstück wurde zu 20 v.H. zu betrieblichen Zwecken des Einzelunternehmens und später der KG genutzt, zu 80 v.H. durch Vermietung zu fremdbetrieblichen Zwecken. Vermieter waren D und seine Ehefrau; der auf D entfallende Teil der Vermietungseinkünfte wurde bei den Einkünften aus dem Betrieb erfaßt. Bei der Gründung der KG blieben die Eigentumsverhältnisse am Grundstück unverändert.
Die Bilanzansätze für Grund und Boden und Gebäude wurden nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1973 in der Weise berichtigt, daß die anteilig auf Frau D entfallenden Ansätze in der Bilanz zum 31.Dezember 1969 erfolgsneutral ausgebucht wurden. Im Jahre 1975 starb Frau D. D wurde aufgrund des Erbfalls alleiniger Eigentümer des Grundstücks. Im Anschluß an eine weitere Betriebsprüfung im Jahre 1984, die die Jahre 1980 bis 1982 umfaßte, wurde der eigenbetrieblich genutzte Teil des Grundstücks in der Bilanz zum 1.Januar 1980 auch insoweit als Betriebsvermögen ausgewiesen, als er im Wege der Erbfolge auf D übergegangen war. Danach wurden Grund und Boden und Gebäude zu insgesamt je 60 v.H. als Betriebsvermögen ausgewiesen, nämlich der von der KG genutzte Gebäudeteil (20 v.H.) in vollem Umfang, der vermietete Gebäudeteil (80 v.H.) zur Hälfte.
Im Gewinnfeststellungsverfahren für das Streitjahr (1983) machte die Klägerin geltend, der bilanzierte fremdgewerblich genutzte Gebäudeteil sei zum 1.Januar 1983 erfolgsneutral auszubuchen. Danach hätte sich für das Streitjahr infolge Minderung der als Betriebseinnahmen zu erfassenden Mieterträge bei gleichzeitiger entsprechender Kürzung der Betriebsausgaben für die Klägerin ein um 12 944 DM geringerer Gewinn aus Gewerbebetrieb ergeben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Ausbuchung ab und setzte die Einkünfte entsprechend fest. Der Einspruch dagegen blieb ohne Erfolg.
Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen.
Dagegen richtet sich die vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Revision der Klägerin, mit der Verletzung des § 4 Abs.1 EStG gerügt wird.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf ... DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Behandlung des von der KG genutzten Grundstücksteils (Grund und Boden und Gebäude) als notwendiges Sonderbetriebsvermögen des D entsprach § 4 Abs.1 EStG. Danach war dieser Grundstücksteil entsprechend der Miteigentumsquote des D zunächst zur Hälfte notwendiges Sonderbetriebsvermögen des D (vgl.Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18.März 1958 I 147/57 U, BFHE 66, 683, BStBl III 1958, 262; vom 26.Januar 1978 IV R 160/73, BFHE 124, 335, BStBl II 1978, 299, und vom 26.Februar 1987 IV R 106/83, BFH/NV 1987, 497); nach dem Erwerb des Miteigentumsanteils seiner Ehefrau war der von der KG genutzte Grundstücksteil insgesamt notwendiges Sonderbetriebsvermögen des D.
2. Den fremdbetrieblich genutzten Gebäudeteil haben die Beteiligten entsprechend der Miteigentumsquote des D als gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen des D behandelt; das FG ist dem gefolgt. Dagegen bestehen revisionsrechtlich keine Bedenken. Wirtschaftsgüter sind gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen, wenn sie objektiv geeignet sind, mittelbar den Betrieb der Personengesellschaft oder die Beteiligung des Mitunternehmers an der Personengesellschaft zu fördern und subjektiv durch entsprechenden buch- und bilanzmäßigen Ausweis einem oder beiden dieser Zwecke gewidmet worden sind (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 8.Aufl., § 15 Anm.80, mit Rechtsprechungsnachweisen). Im Streitfall ergibt sich die objektive Eignung des vermieteten Gebäudeteils, dem Betrieb der Personengesellschaft zu dienen, schon aus der bautechnischen Verbindung mit dem von der KG genutzten Gebäudeteil zu einem einheitlichen Gebäude, so daß im Bedarfsfalle das gesamte Gebäude für eine betriebliche Nutzung durch die KG und nur das Grundstück insgesamt als Beleihungsobjekt zur Sicherung von Verbindlichkeiten der KG in Betracht gekommen wären. Die subjektive Widmung ergibt sich aus der langjährigen Bilanzierung.
3. Auch Besonderheiten des Miteigentums standen der Behandlung des fremdbetrieblich genutzten Gebäudeteils entsprechend der Miteigentumsquote des D als gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen nicht entgegen. Gegenstand der Bilanzierung ist auch bei Miteigentum nicht ein Anteilsrecht, sondern die Sache selbst; das Recht bildet gemäß § 39 des Handelsgesetzbuches (HGB) a.F., wonach der Kaufmann "seine" Grundstücke usw. in seiner Handelsbilanz aufzunehmen hat (vgl. jetzt § 240 HGB) und gemäß § 39 der Abgabenordnung (AO 1977), wonach Wirtschaftsgüter dem (wirtschaftlichen) Eigentümer zuzurechnen sind, lediglich den zureichenden Grund (Rechtstitel) für die Aufnahme der Sache in die Bilanz (Urteil in BFHE 124, 335, BStBl II 1978, 299). Diese bilanzielle und steuerrechtliche Wertung entspricht der bürgerlich-rechtlichen Sicht. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG) und des Bundesgerichtshofs (BGH) ist das Recht des Miteigentümers nach Bruchteilen nicht etwa ein neben das Eigentum sich stellendes und dieses belastendes Bruchteilsrecht. Es ist vielmehr in seinem Wesen dem Sacheigentum gleichartig, also Eigentum und ein selbständiges Recht wie das Recht als ganzes, bei dem die Miteigentumsquote allein den Umfang des Rechts beschreibt (BGH-Urteil vom 14.Februar 1962 IV ZR 156/61, BGHZ 36, 365, 368 m.w.N.). Hieraus ergibt sich (vgl. unter 1.), daß unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke genutzte Wirtschaftsgüter notwendiges Betriebsvermögen sind, soweit das Miteigentumsrecht gemäß § 39 HGB a.F. (jetzt § 240 HGB) den Ausweis in der Bilanz zuläßt. Entsprechendes gilt für den Ausweis von Wirtschaftsgütern, die der Mitunternehmer seiner Gesellschaft zur Nutzung überläßt, als notwendiges Sonderbetriebsvermögen. Es ist folgerichtig, dann auch für Zwecke des Ausweises von gewillkürtem Betriebsvermögen einschließlich des gewillkürten Sonderbetriebsvermögens das Bruchteilseigentum dem Alleineigentum mit der Maßgabe, daß auch insoweit der bilanzielle Ausweis durch die Miteigentumsquote begrenzt wird, gleichzustellen. Für den Streitfall ergibt sich hieraus, daß D das selbständige Wirtschaftsgut "fremdbetrieblich genutzter Gebäudeteil" (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 26.November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132, und Abschn.13b Abs.2 und 3 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--) als Betriebsvermögen (gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen) ausweisen durfte, soweit es ihm entsprechend seiner Quote gehörte.
4. Dieser Bilanzausweis ist nicht dadurch unrichtig geworden, daß D 1975 den Miteigentumsanteil seiner Ehefrau erworben hat, dadurch Alleineigentümer geworden ist, den bisherigen Umfang der Bilanzierung des vermieteten Grundstücksteils jedoch nicht geändert hat. Nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132 sind dann, wenn ein Gebäude teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, teils zu Wohnzwecken durch Vermietung oder Eigengebrauch genutzt wird, die einzelnen Gebäudeteile gesondert zu behandeln, sei es als notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen, sei es als Privatvermögen. Wie sich aus der Verweisung auf Abschn.14 Abs.1 bis 5 EStR 1978 ergibt, hat der Große Senat damit der bisherigen Besteuerungspraxis zur unterschiedlichen Zuordnung von Gebäudeteilen zum Betriebs- bzw. zum Privatvermögen Rechnung getragen. Wenn in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt wird, wegen der verschiedenen Funktions- und Nutzungszusammenhänge, in denen die verschiedenen Gebäudeteile stünden, sei es "gerechtfertigt, ebenso viele Wirtschaftsgüter anzunehmen", so wird damit auf die rechtssystematische Grundlage für die unterschiedliche Zuordnung der Gebäudeteile zum Betriebs- bzw. Privatvermögen hingewiesen. Damit wäre es grundsätzlich sicher unvereinbar, den fremdbetrieblich genutzten Gebäudeteil teilweise dem Betriebs- und teilweise dem Privatvermögen zuzuordnen. In Miteigentumsfällen ist jedoch die Besonderheit zu beachten, daß jeder Miteigentümer die Sache, soweit sie ihm gehört, als sein Betriebs- oder Privatvermögen ausweist. Deshalb kann der Erwerb des Miteigentumsanteils eines anderen Miteigentümers nicht bewirken, daß der dem erwerbenden Gesellschafter bereits zuvor gehörende und zulässigerweise dem gewillkürten Sonderbetriebsvermögen zugeführte Gebäudeteil die Betriebsvermögenseigenschaft verliert. Dieser Gebäudeteil kann nur durch Entnahme (oder Veräußerung) oder durch Wegfall der objektiven Voraussetzungen für die Willkürung die Betriebsvermögenseigenschaft verlieren. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Insbesondere ist eine Entnahme weder ausdrücklich erklärt noch schlüssig, z.B. durch eine die betriebliche Beziehung lösende Nutzungsänderung, vollzogen worden. Auch der Antrag, den fremdbetrieblich genutzten Grundstücksteil im Wege der Bilanzberichtigung auszubuchen, ist keine Entnahme (BFH-Urteil vom 1.Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315). Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll allerdings eine Entnahme vorliegen, wenn ein fremdbetrieblich genutzter Gebäudeteil dem Privatvermögen zugeordnet worden ist und danach ein Teil des bisher eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteils ebenfalls fremdbetrieblicher Nutzung zugeführt wird. Dann soll hinsichtlich des von der Nutzungsänderung betroffenen Gebäudeteils eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme vorliegen (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 1.März 1982 IV B 2 - S 2134 - 5/82, Finanz-Rundschau --FR-- 1982, 142), wobei die Entnahme zum Buchwert zugelassen wird, wenn die Nutzungsänderung vor Bekanntgabe der EStR 1978 (22.Mai 1978) erfolgt war. An dieser Verwaltungsauffassung ist im Schrifttum Kritik geübt worden (Stuhldreier, FR 1985, 260). Darauf muß der Senat im Streitfall nicht eingehen, da es hier, anders als in den von der Verwaltungsregelung erfaßten Fällen, nicht um die Folgen einer Nutzungsänderung geht und schon deshalb eine Entnahme, die ggf. aus Gründen des Vertrauensschutzes mit dem Buchwert anzusetzen wäre, nicht vorliegt.
Danach gehörte das Grundstück E-Straße im bisher bilanzierten Umfang auch noch im Streitjahr zum Sonderbetriebsvermögen des D, so daß FA und FG die begehrte Bilanzberichtigung zu Recht abgelehnt haben.
Fundstellen
Haufe-Index 63220 |
BStBl II 1994, 559 |
BFHE 160, 443 |
BFHE 1991, 443 |
BB 1990, 1733 |
BB 1990, 1733-1735 (LT1) |
DB 1990, 1845-1846 (LT) |
DStR 1990, 632 (KT) |
HFR 1990, 614 (LT) |
StE 1990, 314 (K) |