Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Steuerfreiheit eines im Beitrittsgebiet für das erste Halbjahr 1990 ausgezahlten 13. Monatsgehalts
Leitsatz (NV)
Die Auszahlung eines als 13. Monatsgehalt nach dem Bruttogehalt des Arbeitnehmers berechneten Betrages im zweiten Halbjahr 1990 ist ‐ soweit er auf das erste Halbjahr 1990 entfällt ‐ nicht als Jahresendprämie gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 8 und § 20 Abs. 5 AStVO steuerbefreit.
Normenkette
AEBestV DDR § 3 Abs. 2 Nr. 8, § 20 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Zahlungen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) an ihre Arbeitnehmer als sog. Jahresendprämien gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. § 20 Abs. 5 der Verordnung über die Besteuerung des Arbeitseinkommens vom 22. Dezember 1952 (AStVO) i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung steuerlicher Rechtsvorschriften bei Einführung der Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland (Steueranpassungsgesetz) vom 22. Juni 1990 --StAnpG-- (GBl DDR vom 25. Juni 1990, Sonderdruck Nr. 1427) steuerfrei sind.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zahlte im Dezember 1990 an ihre ca. 1300 Arbeitnehmer als "13. Monatsgehalt" für den Zeitraum 1. Januar 1990 bis 30. Juni 1990 insgesamt 672 941 DM, ohne diese der Lohnsteuer zu unterwerfen. In ihrer DM-Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 sind weder Rückstellungen für die Zahlung von 13. Monatsgehältern noch für die Zahlung von Jahresendprämien oder eines Weihnachtsgeldes enthalten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, dass die Auszahlungen lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn seien und nahm die Rechtsvorgängerin der Klägerin als Haftende in Anspruch.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 333 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz und den Haftungsbescheid vom 15. August 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. März 1995 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Im Ergebnis zutreffend hat das FG für die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin an ihre Arbeitnehmer ausgezahlten 672 941 DM die Lohnsteuerpflicht bejaht.
a) Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 8 AStVO waren steuerfrei u.a. Zahlungen aus dem Betriebsprämienfonds in der volkseigenen Wirtschaft, mit Ausnahme von Entgelten für Dienst- oder Arbeitsleistungen. Tatbestandliche Voraussetzung war danach die Zahlung "aus dem Betriebsprämienfonds", der nach dem früheren Recht der DDR in Betrieben der volkseigenen Wirtschaft (VEB) zu bilden war. Ein solcher Betriebsprämienfonds konnte im Dezember 1990 als Folge der Regelungen im Zusammenhang mit der Herstellung der Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland im rechtstechnischen Sinne nicht mehr bestehen; unmittelbare Zahlungen aus dem Betriebsprämienfonds schieden damit aus. Dies schließt aber nicht aus, eine im zweiten Halbjahr 1990 geleistete, das erste Halbjahr 1990 betreffende Zahlung eines Arbeitgebers als steuerfrei i.S. des § 3 Abs. 2 Nr. 8 AStVO zu beurteilen, wenn die Mittel dafür noch von dem VEB dem Betriebsprämienfonds zugeführt worden und auf den zahlenden Arbeitgeber (als Rechtsnachfolger) übergegangen sind; die Zahlung erfolgt dann (zumindest) mittelbar aus dem Betriebsprämienfonds (s. dazu im Einzelnen Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Dezember 1995 VI R 59/95, BFHE 179, 317, BStBl II 1996, 144, m.w.N.). Dagegen ist die Zahlung eines Weihnachtsgeldes oder eines 13. Monatsgehaltes in dem in § 3 AStVO festgelegten Katalog steuerfreier Zuwendungen nicht genannt; für sie bestand damit auch nach dem in der ehemaligen DDR geltenden Recht keine Ausnahme vom Grundsatz der Steuerpflicht des Arbeitslohnes.
b) In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob --wie das FG meint (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 1993 IV B 6 -S 2340- 37/93, Deutschland Ost spezial 1/1994, 4; Rätke, Betrieb und Wirtschaft 1996, 570, 571 f.; Eisolt, Deutsches Steuerrecht 1996, 330, 331)-- allein das Fehlen einer entsprechenden Rückstellung in der DM-Eröffnungsbilanz zum Versagen der Steuerfreiheit führen kann. Auch unter Berücksichtigung der sonstigen, vom FG festgestellten Umstände, hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin nämlich nicht nachvollziehbar dokumentiert, dass sie den streitigen Betrag ihren Arbeitnehmern als Jahresendprämie i.S. des § 3 Abs. 2 Nr. 8 AStVO gezahlt hat.
Sie hat zwar (nach dem Vorbringen der Klägerin) in der Mark-Bilanz zum 30. Juni 1990 als Bestand eines Prämienfonds insgesamt 541 694,30 M (35 391,24 M SBK Prämienfonds Lehrausbildung; 506 303,06 M SBK Prämienfonds) passiviert; ausgezahlt hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin aber im Dezember 1990 an ihre Arbeitnehmer nicht diesen Betrag, sondern ein weit höheres "13. Monatsgehalt" und davon die Hälfte (672 941 DM) als steuerfrei behandelt. Den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ist darüber hinaus zu entnehmen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin den streitigen Betrag am Bruttogehalt der Arbeitnehmer bemessen und unabhängig von Leistungserfolgen oder einer bestimmten Betriebszugehörigkeit gezahlt hat. Auch dies spricht gegen die Annahme einer Jahresendprämie. Nach dem vom FG in Bezug genommenen Vorbringen der Klägerin im Klageverfahren ist die Zahlung auf der Grundlage der (in Kopie zu den Gerichtsakten eingereichten) Textziffern 2. und 3. des Betriebskollektivvertrages vom 10. Februar 1989 geleistet worden. Aus den genannten Textziffern ist aber nicht zu ersehen, dass das Bruttogehalt eines Arbeitnehmers Maßstab für die Bemessung der ihm zukommenden Prämie sein sollte. In Übereinstimmung hiermit ergibt sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG die Bekundung des Zeugen W: "Wir haben die Jahresendprämie anders berechnet als zu DDR-Zeiten".
Im Zusammenwirken mit diesen anderen Umständen ist schließlich auch der vom FG herausgestellte Gesichtspunkt heranzuziehen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin in ihrer DM-Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 nicht durch eine entsprechende Rückstellung deutlich gemacht hat, sie habe noch aus dem Betriebskollektivvertrag bestehende Prämienansprüche ihrer Arbeitnehmer zu befriedigen. Eine Rückstellung hat sie wegen des (für das Jahr 1990 verlängerten) Betriebskollektivvertrages nur in Höhe von 250 000 DM für im zweiten Halbjahr 1990 anfallende, den vorliegenden Streit nicht berührende Sozialverpflichtungen gebildet.
Vor diesem Hintergrund kann die Bezeichnung der Auszahlung als "13. Monatsgehalt" nicht --wie die Klägerin meint-- als bloße Falschbezeichnung unbeachtlich sein. Dies käme nur in Betracht, wenn sich aus anderen Umständen eindeutig der Charakter der Zahlung als Jahresendprämie ergäbe. Dies ist jedoch nicht der Fall.
2. Die Beurteilung des FG, die Inanspruchnahme der (Rechtsvorgängerin der) Klägerin als Haftende sei rechtmäßig, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Entscheidung des FA über die Inanspruchnahme eines Arbeitgebers als Haftungsschuldner für Lohnsteuer ist eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur daraufhin überprüft werden darf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 FGO und § 5 der Abgabenordnung --AO 1977-- i.V.m. § 42d Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes; z.B. BFH-Urteil vom 9. August 2002 VI R 41/96, BFHE 200, 200, BStBl II 2003, 160). Im Rahmen der revisionsrechtlichen Überprüfung ergeben sich keine Bedenken gegen die (nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßende und damit zumindest mögliche) Beurteilung des FG, das FA habe angesichts der ca. 1 300 von einer Lohnsteuernachforderung betroffenen Arbeitnehmer und der Unklarheit über deren steuerliche Verhältnisse die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin in Anspruch nehmen können.
3. Der Senat geht davon aus, dass der in der --an das FG adressierten-- Revisionsbegründung vom 14. Januar 1999 enthaltene Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, nicht im vorliegenden Verfahren gestellt werden sollte. Er wäre unzulässig; ausschließlich zuständig für diese Entscheidung ist das FG (z.B. BFH-Beschluss vom 10. September 2003 III R 29/02, BFH/NV 2004, 75).
Fundstellen
Haufe-Index 1503755 |
BFH/NV 2006, 1279 |