Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Ein Abschleppkranwagen ist auch dann einer selbstfahrenden Arbeitsmaschine im Sinne des § 2 der Verordnung über die Befreiung von Arbeitsmaschinen von der Kraftfahrzeugsteuer vom 21. Dezember 1936 gleichzustellen, wenn er das abzuschleppende beschädigte Fahrzeug unter Verwendung eines einachsigen Anhängers von der Unfallstelle an den Bestimmungsort verbringt. Das Halten eines nur für diesen Zweck verwendeten einachsigen Anhängers ist damit steuerbefreit.
Normenkette
KraftStG § 2/6; KraftStBefrVO 2
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.), der eine Kraftwagenreparaturwerkstatt betreibt, ist Halter eines einachsigen Anhängers, nämlich eines sogenannten Anhängerplattenwagens, der zur Beförderung von nicht mehr fahrfähigen Kraftfahrzeugen verwendet und hinter einem Abschleppkranwagen mitgeführt wird. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 13. August 1958 eine Kraftfahrzeugsteuer für diesen Anhänger für die Zeit vom 1. Juli 1958 bis 30. Juni 1959 in Höhe von 120 DM fest. Den Einspruch des Bg. wies das Finanzamt als unbegründet zurück. Der Finanzminister des Landes habe in einem Erlaß ausgesprochen, daß die Arbeitsleistung des Kranwagens mit der Verladung des nicht mehr fahrfähigen Kraftfahrzeugs beendet sei. Der Abschleppwagen verliere nach Beendigung des Verladens des nicht mehr fahrfähigen Kraftfahrzeugs auf den Anhänger dadurch seine Steuerfreiheit als selbstfahrende Arbeitsmaschine, daß er den beladenen Anhänger befördere.
Das Finanzgericht stellte auf die Berufung den Bg. von der Kraftfahrzeugsteuer für den Anhänger frei.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts muß der Erfolg versagt bleiben.
Das Halten von Kraftfahrzeug-Anhängern ist nach § 2 Ziff. 5 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1955 - ab 30. Juli 1958 nach § 2 Ziff. 6 KraftStG 1955 in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 23. Juli 1958 (BGBl 1958 I S. 540) - von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, "solange sie ausschließlich hinter steuerbefreiten Kraftfahrzeugen für deren Zwecke mitgeführt werden". Die Steuerbefreiung setzt im Streitfall also voraus, daß das den Anhänger mitführende Kraftfahrzeug selbst steuerbefreit ist und ferner der Anhänger ausschließlich für die Zwecke dieses Kraftfahrzeugs mitgeführt wird.
Zunächst ist die Frage zu prüfen, ob das den Anhänger mitführende Kraftfahrzeug nach § 1 der Verordnung über die Befreiung von Arbeitsmaschinen von der Kraftfahrzeugsteuer vom 21. Dezember 1936 (RGBl 1936 I S. 1140 = RStBl 1936 S. 1256) von der Kraftfahrzeugsteuer befreit ist. Nach dieser Verordnung fällt unter die Steuerbefreiung das Halten von selbstfahrenden Arbeitsmaschinen. Als Arbeitsmaschinen in diesem Sinne gelten nach § 2 der Verordnung "Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen Einrichtungen zur Leistung von Arbeiten, nicht zur Beförderung von Personen oder Gütern geeignet und bestimmt sind".
Im Streitfall handelt es sich bei dem den einachsigen Anhänger mitführenden Kraftfahrzeug um einen sogenannten Abschleppwagen, der mit einem Kran zum Heben und Schleppen beschädigter Fahrzeuge versehen ist, also um einen fahrbaren sich mit eigener Kraft fortbewegenden Kran. Ein solches Fahrzeug ist allerdings, soweit die Betätigung des Krans in Betracht kommt, nach seiner Bauart und seinen besonderen Einrichtungen zur Leistung von Arbeiten geeignet und bestimmt. Das Fahrzeug hat aber noch eine weitere Bestimmung, ein beschädigtes, nicht mehr fahrfähiges Fahrzeug abzuschleppen, d. h. vom Unfallort an einen anderen Ort zu verbringen. Dieses Verbringen ist eine Beförderung. Auch das die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen regelnde Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) vom 17. Oktober 1952 (BGBl 1952 I S. 697) erblickt in dem Abschleppen eines beschädigten Kraftfahrzeugs eine Beförderung, wie sich aus § 4 Abs. 1 Nr. 4 und § 48 Abs. 2 dieses Gesetzes ergibt. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 a. a. O. finden die Vorschriften dieses Gesetzes lediglich auf "das Abschleppen beschädigter Kraftfahrzeuge aus Gefälligkeit im Rahmen der ersten Hilfe" keine Anwendung und nach § 48 Abs. 2 a. a. O. gilt als Beförderung im Werkverkehr "das Abschleppen von Kraftfahrzeugen durch Abschlepp- oder Reparaturbetriebe". Der Abschleppwagen fällt also, weil er auch zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, im Grunde genommen nicht unter die genannte Verordnung. Dies gilt auch für den Fall, daß sich das Abschleppen des beschädigten Fahrzeugs in der Weise vollzieht, daß das abzuschleppende Fahrzeug, um das Abschleppen zu ermöglichen, während des Abschleppens vermittels des Krans mit seinem vorderen oder hinteren Teil hochgehalten wird, also das beschädigte Fahrzeug wie ein Sattelschlepper-Anhänger vom Abschleppwagen gezogen wird, wobei es sich auf zwei eigenen Rändern fortbewegt. Denn auch in diesem Fall ist eine Beförderung gegeben.
Trotzdem aber hat der Reichsminister der Finanzen in seinem Runderlaß S. 6011 - 114 III vom 18. Januar 1937 (RStBl 1937 S. 97) solche Abschleppwagen als unter die Arbeitsmaschinen im Sinne der genannten Verordnung fallend erklärt. In dieser Erklärung liegt eine Anordnung an die unterstellten Verwaltungsbehörden, Abschleppwagen als von der Kraftfahrzeugsteuer befreit zu behandeln. Danach wird von den Finanzämtern auch ständig verfahren. Sachlich stellt sich diese - bisher nicht aufgehobene - Anordnung als Steuermilderung dar, zu der der Reichsminister der Finanzen nach § 13 der Reichsabgabenordnung (AO) ermächtigt war und die im Rechtsmittelverfahren auch dann zu beachten, also auch auszulegen ist, wenn sie in anderen als den für die Verkündung von Verordnungen besonderes vorgeschriebenen Blättern bekanntgegeben worden ist. Auf das Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 6/49 S vom 27. August 1949 (Bay. FMBl 1949 S. 383, Slg. Bd. 54 S. 376) und die Urteile des Bundesfinanzhofs III 62/49 S vom 29. Oktober 1949 (Bay. FMBl 1949 S. 429, Slg. Bd. 54 S. 394) und IV 69/49 S. 28. Oktober 1949 (Bay. FMBl 1949 S. 466, Slg. Bd. 54 S. 395) wird Bezug genommen. Ist nun aber ein Abschleppwagen nach der Anordnung des Reichsministers der Finanzen, obwohl das Abschleppen eine Beförderungsleistung ist, als selbstfahrende Arbeitsmaschine zu behandeln, d. h. von der Kraftfahrzeugsteuer freizustellen, dann kann für die Freistellung nicht entscheidend sein, in welcher Weise sich technisch das Abschleppen vollzieht, ob in der Weise, daß der vordere oder hintere Teil des abzuschleppenden Fahrzeugs vermittels des Krans hochgehalten und das beschädigte Fahrzeug auf zwei eigenen Rädern fortbewegt wird, oder ob in der Weise, daß das beschädigte Fahrzeug vermittels des Krans auf einen einachsigen Anhänger verladen und der Anhänger vom Abschleppwagen gezogen wird, also dem beschädigten Fahrzeug gewissermaßen ersatzweise die Räder eines anderen Fahrzeugs untergeschoben werden. Der Senat trägt keine Bedenken, diese Auffassung als im Sinne dieses Erlasses liegend anzusehen, wenn auch der Erlaß nur von der erstgenannten Art des Abschleppens zu sprechen scheint. Schließlich wird die öffentliche Straße auch bei der letztgenannten Art des Abschleppens nicht oder nicht nennenswert stärker in Anspruch genommen als bei der erstgenannten Art des Abschleppens.
Fällt hiernach das den einachsigen Anhänger mitführende Kraftfahrzeug trotz Mitführens dieses Anhängers unter die Verordnung vom 21. Dezember 1938, dann ist auch der Anhänger selbst von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, sofern er ausschließlich hinter dem steuerbefreiten Kraftfahrzeug für dessen Zwecke mitgeführt wird. Daß dieses etwa nicht der Fall ist, ist vom Finanzamt nicht geltend gemacht; auch aus den Akten ergibt sich nichts, was gegen die Annahme der ausschließlichen Mitführung des Anhängers für die Zwecke des steuerbefreiten Kraftfahrzeugs sprechen könnte. Damit sind die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift auf den einachsigen Anhänger im Streitfall gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 409352 |
BStBl III 1959, 246 |
BFHE 1959, 646 |
BFHE 68, 646 |