Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird an Stelle eines kriegszerstörten Saalgebäudes ein Lichtspielhaus errichtet, so richtet sich die Fortschreibung des Einheitswerts des Grundstücks mit dem im Aufbau befindlichen Gebäude nicht nach § 2 des Fortschreibungsgesetzes, sondern nach § 6 a. a. O. in Verbindung mit § 33 a BewDV.
Normenkette
FortschrG §§ 2, 6; BewDV § 33a; BewG § 91
Tatbestand
Es handelt sich um die Fortschreibung des Einheitswerts für ein Grundstück auf den 21. Juni 1948. Eigentümer des Grundstücks war am Stichtag die Beschwerdeführerin (Bfin.). Das Grundstück war früher mit einem im Kriege ausgebrannten Gesellschaftssaalgebäude bebaut. Die Bfin. hat auf dem Grundstück unter Verwendung der stehengebliebenen Fundamente und des Außenmauerwerks ein Lichtspieltheater errichtet. Bei der Art- und Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 wurde der Einheitswert des Grundstücks nach dem Sachwert auf 88.200 DM festgestellt. Der Bescheid ist rechtskräftig geworden. Im September 1952 beantragte die Bfin. nochmals Fortschreibung des Einheitswerts dieses Grundstücks zum 21. Juni 1948. Das Finanzamt trat in die Ermittlungen ein und stellte hierbei fest, daß das Lichtspieltheater am Währungsstichtag noch nicht fertiggestellt war. Es ist erst am 23. Juli 1948 in Betrieb genommen worden. Das Finanzamt nahm daher gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) eine Berichtigung der Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 vor und setzte den Einheitswert auf 48.000 DM herab. Die neue Bewertung erfolgte nach § 33 a Abs. 3 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV). Mangels zuverlässiger Unterlagen über die tatsächlichen Baukosten des Gebäudes ging das Finanzamt von dem Einheitswert für das fertiggestellte Gebäude aus. Dieser Einheitswert für das vollendete Lichtspielhausgrundstück ist vom Finanzamt auf den 1. Januar 1949 unter Zugrundelegung einer angenommenen monatlichen Sitzplatzmiete von 1,10 DM, die bei 675 Sitzplätzen eine Jahresrohmiete von 8.910 DM ergibt, bei Anwendung des maßgebenden Vervielfältigers 9 und unter Zulassung eines Abschlags von 20 v. H. wegen Verwendung von altem Mauerwerk auf 64.000 DM festgestellt worden. Ein weiterer Abschlag von 25 v. H. wurde für die am Stichtag (21. Juni 1948) noch durchzuführenden Restarbeiten gewährt. So ergab sich der fortgeschriebene Einheitswert für den 21. Juni 1948 von 48.000 DM. Einspruch und Berufung der Bfin. gegen diese Bewertung blieben erfolglos. Das Finanzgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet. Für die Bewertung des am Währungsstichtag im Wiederaufbau befindlich gewesenen Grundstücks sei nach § 6 des Gesetzes betreffend Fortschreibung und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 (Fortschreibungsgesetz) § 33 a BewDV maßgebend. Die Ermittlung der tatsächlichen Baukosten im Streitfalle sei schwierig, da die in der RM-Zeit entstandenen Baukosten teilweise mit überpreisen berechnet oder mit Sachwerten vergütet worden seien. Im übrigen könnten die aufgewandten Baukosten nach Umrechnung auf die Wertverhältnisse von 1935 der Fortschreibung des Einheitswerts auch nur insoweit zugrunde gelegt werden, als sie in einem angemessenen Verhältnis zu dem späteren Einheitswert für das Grundstück mit dem fertiggestellten Gebäude stünden. Der Einheitswert für das Grundstück mit dem fertiggestellten Lichtspielhaus sei nach dem Vielfachen der Jahresrohmiete zu bemessen. Die Jahresrohmiete 1935 für dieses Grundstück mit aufstehendem Lichtspieltheater könne nach den von mehreren Oberfinanzdirektionen ermittelten Rahmensätzen für Raummieten je Sitzplatz ermittelt werden. Die vom Finanzamt zugelassenen Abschläge wegen Verwendung von Teilen des früher auf dem Grund und Boden gestandenen Gesellschaftsgebäudes und wegen der am Stichtag noch nicht fertiggestellten Teile des Lichtspieltheaters seien völlig ausreichend.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Bfin. Sie rügt Rechtsirrtümer. Die Bewertung des Grundstücks auf den 21. Juni 1948 müsse nach Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes vorgenommen werden, nicht nach Abschn. II in Verbindung mit § 33 a BewDV. Solange der Wiederaufbau des Lichtspieltheaters nicht beendet gewesen sei - d. h. hier bis zum 23. Juli 1948 -, liege immer noch ein kriegszerstörtes oder kriegsbeschädigtes Grundstück vor.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Die von der Bfin. vertretene Auffassung, daß am Währungsstichtage noch ein nach Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes zu bewertendes kriegszerstörtes Grundstück bestanden habe, ist nicht zutreffend. Vor der Kriegszerstörung war ein mit einem Gesellschaftssaal bebautes Gebäude vorhanden. Dieses Gebäude ist nicht wiederhergestellt worden. Vielmehr hatte sich die Bfin. dazu entschlossen, auf dem Ruinengrundstück ein Lichtspieltheater zu errichten. Am Währungsstichtag stand der Neubau kurz vor seiner Vollendung. Es kann hiernach keine Rede davon sein, daß am 21. Juni 1948 noch das kriegszerstörte Saalgebäude existiert habe. Dies wäre selbst dann nicht der Fall, wenn und soweit einige Teile des zerstörten Gebäudes beim Wiederaufbau verwendet worden sind. Die Bfin. ist der Ansicht, daß die änderung der Nutzungsart erst von dem Zeitpunkt ab zu beachten sei, in dem das Gebäude der neuen Zweckbestimmung tatsächlich zugeführt worden sei. Im Streitfalle sei dieser Zeitpunkt der 23. Juli 1948 gewesen. Eine Fortschreibung wegen des veränderten Charakters des Gebäudes und seiner anderweitigen Nutzung gegenüber früher habe danach erstmals auf den 1. Januar 1949 vorgenommen werden dürfen. Es ist zwar richtig, daß die änderung der Nutzungsart eines bestehenden Gebäudes und dessen Umgestaltung für den neuen Zweck die Fortschreibung des Einheitswerts, sofern sie aus allgemeinen Gründen überhaupt zulässig ist, erst auf den Beginn des nächsten Kalenderjahres rechtfertige. Daraus folgt aber nicht, daß bei der Bewertung des am Währungsstichtag im Zustande der Bebauung befindlichen Grundstücks das Neubauvorhaben (Lichtspieltheater statt bisher Gesellschaftssaal) unbeachtet bleiben müsse. Bei der (berichtigten) Fortschreibung auf den 21. Juni 1948 ist daher zutreffend von § 6 des Fortschreibungsgesetzes in Verbindung mit § 33 a Abs. 3 BewDV ausgegangen. Da sich die richtigen Baukosten der RM-Zeit schwer oder gar nicht ermitteln lassen, konnte für die Feststellung des besonderen Einheitswerts nach § 33 a Abs. 3 a. a. O. auch unbedenklich von dem Einheitswert des fertiggestellten Gebäudes ausgegangen werden. Es bestehen jedoch Bedenken gegen die Richtigkeit der Bewertung des Grundstücks mit dem fertiggestellten Gebäude...
Fundstellen
Haufe-Index 408216 |
BStBl III 1955, 242 |
BFHE 1956, 111 |
BFHE 61, 111 |
StRK, EinhWFortschrG:2 R 6 |